Gefangen

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Ich erwachte mit den schlimmsten Kopfschmerzen meines Lebens - ich musste gestern wohl zu viel getrunken haben, denn im Normalfall hatte ich nie Kopfschmerzen. Mit immer noch geschlossenen Augen legte ich eine Hand an meine pochende Schläfe, aua. Meinen Kopf hatte ich mir offenbar auch gestoßen, denn eine dicke Beule zeichnete sich darauf ab. Ich legte eine Hand über meine Lieder, um sie vor den Sonnenstrahlen, die durch mein Schlafzimmerfenster schienen, zu schützen.

Verschlafen drehte ich mich auf die andere Seite meines Bettes, um mit meinem Lieblingskissen zu kuscheln und um vielleicht noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Ich streckte meine Hand danach aus, um ins Leere zu greifen. Wo war mein Kissen?! Behutsam öffnete ich verschlafen meine Augen und musste erst ein paar Mal Blinzeln, um überhaupt etwas von der Umgebung erkennen zu können. Nachdem ich mich an das grelle Licht gewöhnt hatte, schrie ich leise auf: „Fuck!“ Das war nicht mein Bett! Ich war verdammt nochmal auch nicht in meiner Wohnung! Und ich hatte nur Unterwäsche an! Was war passiert?!

Okay… Entspann dich… Entspann dich… Entspann dich! Wie ein Mantra betete ich diesen Gedanken in meinem Kopf immer wieder.

Trotz meiner höllischen Kopfschmerzen musste ich mir zuallererst einen Überblick über das Zimmer verschaffen, also ließ ich meine  Augen herumschweifen. Das Bett, in dem ich aufgewacht bin, bildete das Herzstück des Raumes, es war aus massivem Holz gefertigt und hatte an allen vier Enden eine Art Säule aus Holz, die wie eine Stütze bis an die Decke gearbeitet wurden. Gegenüber befand sich eine schwarze verschlossene Tür, rechts und links daneben ragten zwei große Bücherregale bis an die Decke. Links neben dem Bett befand sich eine kleine Kommode, ebenfalls aus Holz, außerdem gab es noch eine Tür, die ebenfalls verschlossen auf mich wirkte.

Langsam aber sicher kehrte meine Erinnerung an die letzte Nacht wieder in mein Unterbewusstsein zurück. Ich war auf dem Weg nach Hause, der verletzte Mann, ich wollte ihm helfen und dann… Der Irre mit dem Messer… Scheiße! Ich musste das Bewusstsein verloren haben… Hat er mich etwa mitgenommen, weil ich womöglich zu viel gesehen hatte?

Mein Herz fing vor Panik langsam an zu rasen. Ich musste hier so schnell wie möglich raus! Also schwang ich flink meine Beine über das Bett, um rasch zu einer der Türen zu gelangen. Leider meldete sich mein Kreislauf, um mir mitzuteilen, dass ich womöglich zu schwungvoll aufgestanden war. Als Konsequenz davon bildeten sich vor meinen Augen schwarze Punkte und ein Schwindelgefühl suchte mich heim. Ich ließ mich vorsichtig zurück auf das Bett sinken und schloss kurz meine Augen. Okay, mit Panik würde ich nichts erreichen, trotzdem musste ich möglichst sofort von hier verschwinden. Also noch ein Versuch, diesmal ging ich es langsamer an: erst ein Bein, dann das andere, sobald sich mein Körper an diese Position gewöhnt hatte, stand ich langsam auf und hielt mich an einer der Säulen fest. Mein Kopf drehte sich zwar noch etwas, aber es war erträglich. Langsam tapste ich barfuß und so leise wie möglich zu der schwarzen Tür, zog am Griff und - Gott sei Dank! - sie ließ sich öffnen. Leise huschte ich durch die Türe, nur um kurz darauf festzustellen, dass ich in einem Badezimmer gelandet bin, einem zugegebenermaßen wirklich pompösen Bad mit einer riesen Dusche, einer frei im Raum stehenden Wanne und Waschbecken mit vergoldeten Wasserhähnen. Wer war dieser Kerl? Genau in diesem Moment meldete sich meine Blase zu Wort. Naja, jetzt, wo ich schon mal hier war, konnte ich auch noch kurz die Toilette benutzen.

Kurz darauf ging ich zurück in das Schlafzimmer, denn ich hatte mir vorgenommen, in der Kommode etwas zum Anziehen überzuwerfen, danach bin ich hier aber raus! Dort angekommen, inspizierte ich den Inhalt und musste feststellen, der Typ hatte mehr Ahnung von Mode als so manche Frau: gebügelte Hemden und Hosen, passende Krawatten und Pullover, soweit das Auge reicht. Ich schnappte mir ein schwarzes Shirt, das mir weit bis unter die Knie reichte, woraufhin ich die Hosen erst gar nicht mehr anprobierte. Aber immerhin besser als nichts! Als ich die Tür erreicht hatte, schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel; obwohl ich nicht gläubig war, konnte sowas ja in heiklen Situationen wie dieser nie schaden. Das Glück schien heute auf meiner Seite zu sein, denn auch diese Türe ließ sich problemlos öffnen. Nachdem ich flink hindurchgeschlüpft war, befand ich mich in einem Flur, dessen Boden von sündhaft teuren Teppichen verdeckt wurde. Auf meiner Linken befanden sich noch weitere Türen und rechts konnte ich erkennen, dass die Treppe nach unten führen musste. Also rechts entlang. „Keine Angst, du schaffst das schon“, redete ich mir innerlich immer wieder ein, um meine schreckliche Nervosität zumindest ein wenig zu unterdrücken.

Auf Zehenspitzen schlich ich in Richtung der Treppe, auf dessen linker Seite sich ein Geländer befand,  welches Ausblick auf das Wohnzimmer bot. Links neben dem Treppenaufgang befand sich die Eingangstür. Nur noch ein Stück, dann bin ich hier weg. Just in diesem Moment öffnen sich die Glastüren, die wohl auf die Terrasse führen musste, und drei Menschen betraten das Wohnzimmer. Ich drückte mich nah an die Wand und machte mich so klein wie möglich.

„Was denkst du dir eigentlich dabei, sie einfach hierher mitzubringen? Scheiße, Nick!" Ein kräftig gebauter Mann hatte das Wort ergriffen und fuhr sich mit der Hand durch seine kastanienbraunen Haare. „Er hätte sie ja wohl schlecht einfach da liegen lassen können, also entspanne dich doch mal, Mikel." Die blonde Frau tätschelte beruhigend den Arm des Muskelmannes. Dieser wollte sich aber nicht so schnell wieder beruhigen und fluchte noch eine Lawine von Schimpfwörtern herunter. Hinter den beiden betrat der Mann von gestern Abend den Raum: „Nick.“ Er wirkte nicht sonderlich eingeschüchtert von der Schimpftirade des anderen, sondern lächelte nur leicht und meinte: „Entspann‘ dich, Bruder, es ist alles in Ordnung." Mikel wollte gerade zu einer Antwort ausholen, als Nick abermals das Wort ergriff: „Wie ich sehe, hast du ausgeschlafen, Liebes. Also leiste uns hier doch ein wenig Gesellschaft." Alle Blicke im Zimmer waren nun auf mich gerichtet.

Dunkles Verlangen [✔️] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt