Furchtlosigkeit, Wut und ein Dämonenherz

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„Dann gebe ich die einfach einen Namen!", meinte er und sah lächeln zu mir hinauf

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„Dann gebe ich die einfach einen Namen!", meinte er und sah lächeln zu mir hinauf.

Im Nachhinein kam mir dieser Moment so unscheinbar vor. Nachdem wir uns beiden entgegenlachten, als gäbe es kein Morgen, war ich mir nun sicher, dass Prinz Arthur, nächster Regent von Tar'navar und von schwarzer Magie geküsst, keine Angst hatte. Er fürchtete mich nicht. Er lachte mir ins Gesicht. Auf eine verquwerte Art und Weise war er anders als jeder Mann, dem ich in meinem jahrhundertealten Leben gegenüberstand. Und auf die Idee, mir einen Namen zu geben, war er als erster gekommen.

Jetzt saßen wir am Rande eines kleinen Wäldchen, mehrere Wegstunden entfernt von der Turmburg, wo mein verstorbener Verlobter regiert hatte, und genossen die letzten fahlen Sonnenstrahlen, welche das dichte Wolkengebilde zuließ. Die gerüsteten Männer, die uns als Ehrengarde begleitet, behandelte den Prinzen wie einen der Ihren. Anscheinend hatte Arthur in seiner Vergangen eine umfassende Ausbildung erhalten, sodass er nicht nur als Ritter durchgehen konnte, sondern auch am Hofe ein willkommener Anblick sein musste. Jeder Handgriff von ihm saß. Keine Bewegung schien überflüssig. Neben ihm fühlte ich mich zwar alles andere als unterlegen im Hinblick auf Grazie oder Haltung, immerhin hatte ich Jahrhunderte Zeit gehabt meinen eigenen Gang zu verfeinern, um selbst der schönsten Adelsfrau die Stirn bieten zu können, doch ich respektierte seine geschliffenen Bewegungsabläufe und mit welcher Selbstverständlichkeit er diese vollführe. Er hatte es in wenigen Jahren geschafft, eine gänzlich eigene, doch nicht weniger anmutige Gangart zu entwickeln.

„Wie machst du das?", fragte ich letztendlich und legte frustriert die silberne Gabel beiseite, mit der ich einen Honigspringer aufzuspießen versuchte; eine Art von Frucht, die sich durch ihre weiche hellgelbe Haut und die winzigen Füßchen, die so gut wie überall wuchsen, auszeichnete. Deshalb war es auch so schwer, sie zu fassen zu bekommen. Sie rannte einfach davon. „Diese Dinger sind verhext!"

Arthur schaute von seiner merklich gelehrten Schüssel zu meiner. Ich hatte es veranlasst auf einer weichen Decke zur Ruhe zu kommen. Die holprige Kutschfahrt hatte mir mehr geschadet als angenommen. Wenn die Straße weiterhin von Schlaglöchern bedeckt sein sollte, so fürchtete ich, das Kind doch etwas früher zu bekommen.

„Du hast wohl noch nicht oft Honigspringer gegessen?", fragte er und lächelte mich wieder an, als sei ich nur eine normale Frau und er kein Kronprinz. Insgeheim sannte mir dieses Lächeln Schauer über den Rücken.

„Ich hatte bislang besseres zu tun, als allerlei Leckereien zu probieren. Währenddessen scheinst du sehr viel Erfahrung mit solchen Dingen zu haben. Bist du sicher, dass du deine Pflichten nicht doch vernachlässigt hast? Hah!" Endlich hatte ich eines der Dinger erwischt. Mit Genugtuung betrachtet ich die zappelten Beine, bevor ich es aß. Der kleine Lebensfunke, den es auf mich übertrug, war nicht der Rede wert; gerade einmal genug Energie für ein paar Minuten. Jetzt, da ich den Bogen raus hatte, verschwanden die krabbelnden Dinger eins nach dem anderen aus meiner Schüssel. Den leeren Holzgegenstand stellte ich neben uns ins Gras und lauschte der ungewohnten Stille. In der Kutsche hatte mich der Prinz fast ununterbrochen mit seiner Aufmerksamkeit bedacht, sodass ich seinen Blick nun auf mir misste.

Tatsächlich starrte er konzentriert in seine leere Schüssel. Um uns herum war keine Menschenseele und der Wald war nur wenige Meter entfernt. Eigentlich eine Situation, geschaffen für einen Fluchtversuch. So dachte ich jedenfalls zu gegebener Zeit.

Schneller als es das menschliche Auge erfassen konnte stand ich auf und wurde noch im selben Moment am Handgelenk gepackt und zurückgerissen. Hart landete ich auf dem Allerwertesten und spürte bereits das Brennen der schwarzen Magie. Dunkler Rauch hatte sich um meinen Arm gewickelt, ausgehend von Prinz Arthur, und berührte mich lediglich leicht am Handgelenk. Dieser Kontakt reichte, um mich vor Schmerzen zusammenfahren zu lassen. Zu meinem größten Erschrecken war es nicht der Prinz, welcher mich gefangen hielt - sondern etwas Mächtigeres – denn eben dieser starrte immer noch konzentriert in seine Schüssel, während das Mal auf seinem Gesicht zu wuchern begann. Und es war gerade dieses, was den Rauch auszustoßen schien.

„Wach..." Ich versuchte etwas zu sagen, doch der schwarze Rauch drang mir in Mund und Nase und verbrannte alles auf seinem Wege. Er nahm mir die Luft zum Atmen.

Wie von selbst verwandelte sich mein Körper als Form der Abwehr in seine widerstandsfähigere Gestalt und stieß den Rauch ab. Er wand sich wie eine Schlange, schlängelte sich von mir weg nur um auf der Lauer zu liegen.

Etwas Magisches konnte man nur mit etwas Magischem neutralisieren; die Magiestränge in meinen Schuppen wirkten somit als äußerliche Barriere. Leider war schon zu viel von dem dunklen Rauche in meinen Körper eingedrungen, es gelang mir nicht die zerstörten Lungen zu regenerieren. Immer wieder drehte und wendete sich der Rauch, um jedes bisschen Heilung zunichte zu machen. Mir blieb nur eine Wahl:

Ich rauschte zurück zum Prinzen, der Quelle allen Übels und drückte meine halb verbrannten Lippen auf die seinen. Meine langen Klauen rissen Furchen in seinen Körper, aus dem schwarzes Blut sickerte. Vielleicht weckte ihn ja der Schmerz auf, doch mein eigentlicher Versuch bestand darin, den schwarzen Rauch wieder seinem Uhrsprung zuzuführen.

Es gelang mir nur schleppend.

Je länger es dauerte, desto mehr verlangte mein Körper nach Sauerstoff. Irgendwann sanken meine Arme von Arthurs Gesicht hinab auf seinen Schoß. Mein bronzefarbener Unterleib schlang sich ein letztes Mal um seine Mitte und mit allerletzter Kraft schnellten meine Klauen hinauf.

Ich traf den Prinzen mitten ins Gesicht und riss tiefe Furchen ins Mal.

Keine fünf Sekunden später hatte sich die dunkle Materie verflüchtigt. Lebensrettende Luft füllte meine verbrannten Lungen und dehnten sie schmerzvoll. Noch war ich dem Tod entkommen, hatte jedoch währenddessen einen Großteil lebenswichtiger Energie verloren. Ohne diesen fühlte ich mich schwach und ausgelaugt.

Nun stiegen gänzlich andere Gefühle empor. Grenzenlose Wut. Zerstörerischer Rachedurst. Zorn, der ausreichen würde, um eine ganze Stadt auszusaugen. Und genau dies würde ich tun... jemandem das Leben entziehen.

Ohne weiter kostbare Zeit zu verschwenden verwandelte ich mich vollständig und wurde zu einer zwei Meter hohen Schlangenfrau, mit einem vier Meter langen und einem Meter dicken Unterleib, der zudrückte.

Ein Schwall grauen Blutes schoss auf mich herab und benetzte die sonst glänzenden Schuppen. Es war unmenschlich kalt. Abartig. Ich begriff, dass die Kraft des Dämons durch die unbefugte Zurschaustellung seiner Macht geschwächt war und änderte kurzerhand das Ziel meines Angriffs. Gewaltsam griff meine eigene Magie in den Körper des Prinzen; vorbei an den Spuren des dämonischen Rauchs bis zur Quelle seiner Macht, die ich zweigeteilt vorfand.

Das falsche, schwarze Herz schien fast vollständig mit dem menschlichen verschmolzen zu sein. Sie umschlossen einander wie ein Kokon den Schmetterling, während das Dämonenherz sein Gebiet auszudehnen schien. Kleine, hauchfeine Äderchen durchzogen bereits die gute Hälfte und es war nur noch eine Frage der Zeit bis der Kronprinz von Tar'navar, dem Reich der Einigung, ein Handlanger des Dämons sein würde. Oder vielleicht war er es auch schon und ich dumme Lamia lernte aber auch nie dazu.

Der Zorn und die Wut auf diese unheilige Macht trieben mich voran, bis meine und die Energie des Dämons aufeinanderprallten. Der Rückstoß katapultierte mich beinahe wieder in meinen eigenen Körper zurück, doch meine Rachelust war stärker als der Stoß. Gewaltsam zerriss ich einen Strang dunklen Rauchs nach dem anderen und verspürte bei jeden Zucken des Dämonenherzens den Drang vor Vergnügen zu lachen. Und das tat ich auch als ich schlussendlich das reine schwarze Herz in den magischen Händen hielt. Ich entfesselte den Hunger der Lamia, ließ den Dämon sich unterlegen fühlen und lachte mir dabei die Seele aus dem Leib.

Alles in allem ein sehr erfolgreicher Tag in meinem Leben. Was wohl die anderen meiner Art so getrieben haben?

Lamia -  My first and last loveWhere stories live. Discover now