Eine Zelle zum Verlieben

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Die Tage zogen ins Land

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Die Tage zogen ins Land. Sonne und Mond tauchten die Kerkerwände in abwechselnd warmes oder kaltes Licht, was für mich eine große Hilfe darstellte. Die Zeit verging in einem Verließ nämlich alles andere als schnell. Minuten zogen sich zu Stunden und aus einer Stunde wurden zwei. Diese Nichtstuerei war nervenaufreibend, folterte mich mehr als es Schmerz getan hätte. Mit Schmerzen konnte ich umgehen, sie ausblenden, sodass ich nichts mehr spürte. Schmerzen waren beeinflussbar, die Zeit war es nicht.
Mittlerweile hatte ich mich an die Routine des Untergrundlebens gewöhnt. Zweimal am Tag gab es Essen. Hartes Brot und Suppe am Mittag und eine Paste aus seltsamen, rauen Flocken am Abend. Nichts davon war wirklich genießbar, dennoch aß ich alles bis auf den letzten Krümel auf. Die Energie, die mir das Essen verlieh, reichte gerade so, um das Gift weiter zu bekämpfen und mich am Leben zu erhalten. Kaum etwas blieb für meinen kleinen Passagier übrig, der sich wann immer es ging, um sich tretend beschwerte.
Nach einundzwanzig Tagen änderte sich erstmals etwas: Reges Treiben herrschte unter den Wächtern, sie liefen wie aufgeschreckte Hühner von der einen zur anderen Zelle und überprüften deren Insassen. Kerkerzellen, an denen sie etwas auszusetzten hatten, wurden geöffnet und umgebaut, die Insassen fanden dabei keine bessere Beschäftigung, als sich gegenseitig kleine Botschaften zuzustecken und ab und zu einen Fluchtversuch zu wagen. Doch ehrlich gesagt interessierte mich der Trubel nicht wirklich. Gerade noch hatte ich mein fades Brot so lange gekaut, dass ich das Süße daraus schmeckte, und wollte nun ein kleines Nickerchen auf meinem plattgelegenen Stroh halten, da spürte ich etwas Kaltes am Körper.
Die Spitze eines langen Speeres steckte in meinem linken Oberarm, dessen Schaft mindestens zwei Meter maß und von zwei Männern durch die Gitterschäbe geschoben wurde. „Aufwachen, Monster! Der Prinz hat sein Kommen angekündigt. Zeige etwas Respekt und begegne ihm seinem Rang entsprechend.", leierte einer der zwei Hohlköpfe zu mir herüber. Sein Atem stank nach billigem Tabak und genauso billigem Wein. Der andere Faselte ebenfalls etwas von Ehrerbietung und Unterwürfigkeit und piesackte mich weiter mit der Speerspitze. Und mehr noch als die Verletzungen, nervte mich das Gequatsche aus diesen einfältigen Mündern, die noch nie einen anständigen Satz hervorgebracht hatten.
Auf Höchste angegriffen packte ich den Speer vor dem scharfen Ende, riss ihn mit unmenschlicher Kraft zu mir und ließ ihn genauso schnell wieder zurückschnellen. Obwohl ich vom schlechten Essen und der kümmerlichen Unterkunft geschwächt war, betrug meine Kraft noch die von zehn Männern. Hinter mir stöhnten die Wächter gequält auf. Das stumpfe Ende hatte beide erwischt und zu Boden geschickt. Dort krümmten sie sich vor Schmerzen, den Speer hatten sie vorrübergehend vergessen.
Ein Lächeln stahl sich auf meine spröden Lippen, als die Wächter sich fluchend hochkämpften und davonstürmten. Schon bald würde ich weiteren Besuch empfangen müssen. Hohlkopf eins und Hohlkopf zwei würden wie die winselnden Hunde, die sie waren, ihrem Befehlshaber von meinen Taten berichten. Dass ich dabei das Opfer gewesen war, würden die beiden natürlich mit keinem Sterbenswörtchen erwähnen. Ich konnte mir bereits bildlich vorstellen, wie es ablaufen würde: „Oh General! Diese Schlange von einer Frau hat uns hinters Licht geführt. Sie spielt ihre Spielchen mit unserem ehrbaren Dienst, den wir im Namen des Königs ausführen. Sie ist in keiner Hinsicht wehrlos, nein, sie ist eine Ausgeburt des Wahnsinns. Genug, um uns alle mit ihren Worten vergiften zu wollen." Hohlkopf zwei würde sich mit einem Nicken den Worten anschließen und mich somit noch weiter in den Dreck ziehen.
Ehrenvoll? Götter nein!
Sie sind genauso wenig ehrenvoll, wie ich es bin.
Meine Hand ballte sich zur Faust, nur um gleich darauf wieder zu entspannen. Meinen Ärger an die Wächter zu verschwenden würde mir nichts bringen, stattdessen sollte ich mich auf meine Flucht konzentrieren. Es hate zwar seine Zeit in Anspruch genommen, jedoch hatte ich das Gift nun vollkommen aus meinem Körper ausgeschieden. Einzig meine eigenen Gifte befanden sich noch in meinen speziell dafür vorgesehenen Drüsen, auch wenn sie von dem Kampf gegen die fremde Substanz stark mitgenommen waren. Keine guten Voraussetzungen für eine Flucht. Ich hatte mich zu gedulden, meine Kräfte zu schonen und weiterhin die Unnahbare zu spielen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht würde es mir so gelingen, genug Aufmerksamkeit von mir selbst auf meine Tat abzuschieben, dass ich für weitere Verhandlungen in die Hauptstadt gebracht werden würde. Auf dem Weg dorthin hätte ich dann genug Gelegenheiten, meine Pläne umzusetzen und möglicherweise sogar den ein oder anderen Wachmann zu verschlingen.
Das Stroh kitzelte mich an der Nase und verleitete mich zum Niesen. Es musste bereits früher Abend sein, die Steinwand war merklich abgekühlt und lud nun nicht mehr zum Schlafen ein. Ich spürte wie sich die anderen Insassen regten, ihre Energie war nur einen Katzensprung entfernt, doch immer noch zu weit, um sich ihrer bedienen zu können.
Bald, versprach ich mir selbst und dem Kind unter einem Herzen. Bald wäre all das hier vorüber. Bald wären wir wieder frei und wild, wie es die Götter vorgesehen haben und diese Menschen würden im Staub vor uns kriechen. Bald ...

Der Tag seines Erscheinens war endlich gekommen

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Der Tag seines Erscheinens war endlich gekommen. Kein Warten mehr. Kein Erdulden.
Laut meiner Schätzung war es früher Morgen, als die ersten Männer der Königsgarde meine Zelle erreichten. Eine wahrlich frühe Zeit für einen Adeligen. Vor allem für einen Prinzen.
Aus den Reihen der Königsgarde trat ein einzelner Mann. Seine Kleidung war bunter und auffälliger als die der Gerüsteten, eine Arbeit des Hofes würdig. Auf seinen kurzen braunen Haaren lief ein kleiner Hut spitz zu und die Brosche über seinem Herzen wies ihn als königlichen Botschafter aus.
„Ich stehe hier im Namen von Gaheris Sturmsohn, siebter König von Tar'navar, dem Reich der Einigung. Auf Geheiß seines Sohnes, Arthur Sturmsohn, Kronprinz und Gardenritter, wird die hiesige Insassin Anja Ringelnatter, Mörderin des Grafen Turmsteiger vorgerufen, sich im Angesicht seiner königlichen Hoheit zu äußern. Der Kronprinz selbst wird in diesem Fall das Urteil bilden." Er endete seine Bekanntgabe mit einem entschiedenen Zusammenrollen des Pergamentes und trat geneigten Hauptes einige Schritte zurück.
Durch die Reihen der Garde betrat ein weiterer in Rüstung und Helm gekleideter Mann den Raum. Die Schutzrunen an seinem Leib leichteten bei jedem Schritt kurz und strahlend auf, jede durch Meisterhand in den hellen Stahl gebettet. Vor meiner Zelle blieb er stehen, das Visier bedeckte sein Gesicht, machte es mir unmöglich seine Augen zu erkennen. Der Schlüssel in seiner Hand klapperte, als er die Tür aufschloss und mir bedeutete hinauszukommen. Ich schmunzelte und erhob mich geschmeidig von meinem Strohbett. Die Handschellen behinderten mich kaum, genauso wenig wie mein praller Bauch, ich lief noch genauso anmutig und stolz wie vor meiner Gefangennahme. Bei jedem Heben meiner Beine rutschten die sowieso viel zu kurzen Lumpen noch ein weiteres Stück nach oben und entblößten mehr von meinen makellosen, wenn auch schmutzigen Waden.
Runenmann quittierte diese Aufmachung mit keinem Wort, stillschweigend legte er eine Hand auf meinen Rücken und schob mich voran.
Wir liefen durch die Gänge der Kerker bis an die Oberfläche. Der kurze Moment, als die Sonnenstrahlen meine Haut streiften reichte aus, um mich mit Sehnsucht zu erfüllen. Augenblicklich verlangsamte ich meine Schritte, wurde jedoch von der Hand an meinem Rücken weitergedrängt. Und das keinesfalls grob. Verwunderlich galt ich doch in den Augen aller als Mörderin und Monster und was weiß sonst noch.
Viel zu schnell hatten wir die Sonne hinter uns gelassen und uns zu einem überdachten Platz begeben.
In Gedanken ging ich noch einmal meine Pläne durch. Die Freiheit war zum Greifen nahe. Die versammelten Männer würden mich nun zu ihrem Herren bringen. Zu ihrem ach so großartigen Prinzen. Pardon, dem Kronprinzen.
Doch zu meiner Verwunderung herrschte keine Aufbruchsstimmung. Weder waren die Pferde fertig gesattelt, noch das Gepäck verschnürt. Noch weiter verwirrte mich die Tatsache, dass der Ritter an meiner Seite sich nicht wie erwartet mit den anderen vereinigte, sondern direkt die Mitte des Platzes ansteuerte.
Was ich nun zu sehen bekam, ließ meinen Atem stocken und das junge Leben in mir verharren. Ein junger Mann mit den Augen eines Raubvogels erschien unter dem Visier des Ritters. Augen so eisblau, dass sie mein Herz schneller schlagen ließen. Vor Anziehung? Nein. Es war die Furcht, die mich ergriffen hatte, denn auf der linken Seite seines Gesichtes prangte eine tiefschwarze Rune. Geformt wie die Klaue eines Raben stach sie in dem ansonsten porzellanfarbenen Gesicht, mit dem blonden Bartschatten hervor. Ihr schierer Anblick ließ mich all meine Pläne über Bord werfen, sie wegschließen und den Schlüssel vernichten. Keiner von ihnen war noch durchführbar. Ich musste mir schnellstmöglich etwas Neues einfallen lassen, denn der werte Prinz – gehüllt in die Tracht eines einfachen Garderitters – war bereits verloren.

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