Ein paar wenige Tage später lief ich gerade durch die Gänge um in meine Räumlichkeiten zu gelangen, als mir unerwartet Kai entgegen kam. Etwas unsicher was ich sagen sollte, nickte ich dem braunhaarigen zu und es sah aus als würde er einfach vorbei gehen, als sein Blick plötzlich klarer wurde. „Oh Verzeihung. ich hab dich gar nicht wirklich wahrgenommen.“
 Ich erwiderte nichts.
 „Oh mh, wie geht es deiner Hand?“ Ohne auf eine Antwort zu warten ergriff er sie und betrachtete unnötigerweise den weißen Verband den ich noch ein paar Mal gewechselt hatte.
 „Gut, es verheilt.“ Ich zuckte die Achseln.
 „Das ist schön.“
 „Mh, danke noch einmal. Ich hatte das Gefühl ich hatte noch keine Gelegenheit mich ordentlich bei dir zu bedanken.“
 Kais warme Augen strichen erneut über mich und ich fragte mich seit wann er solch schöne Augen hatte. Oder waren sie mir zuvor nur noch nie aufgefallen?
 „Also gut, wir sehen uns.“, verabschiedete sich Kai lächelnd und ließ meine Hand los die er die ganze Weile über festgehalten hatte.
 Leichtfüßig setzte ich meinen Weg fort.
  Begegnungen wie die letztere, in welcher wir uns einfach im Flur plötzlich gegenübersahen häuften sich und irgendwann war der Gang durch die Flure zu einem Abenteuer mutiert, das ich wie ein kleiner Junge aufgeregt mitspielte. Ich freute mich über jede Ecke, hinter der ein braunhaariger junger Mann auftauchen könnte, über jeden Schritt mehr, der mir erlaubte noch ein Weilchen länger zu hoffen Kai zu begegnen. Es war lächerlich, immerhin sah ich ihn täglich in dem großen Speisesaal und doch, diese Begegnungen im Flur waren etwas besonderes. Hier waren wir nicht in unseren Rollen gefangen, hier konnte er ungezwungene Worte mit mir wechseln, sich nach meiner geheilten Wunde erkundigen, nur um meine Hand für einen Augenblick in die seine nehmen zu können. Es war so eigenartig wie gut wir uns plötzlich verstanden.
 Ich lief gerade erneut durch die Gänge, um zur Bibliothek zu gelangen, als ich einen Schatten auf dem Fußboden bemerkte. Leise schlich ich näher, eine Vorahnung wer da stehen könnte, erfüllte mich mit prickelnder Vorfreude.
 Und als ich behutsam um die Ecke spähte blieb mir die Luft im Hals stecken. Kai war tatsächlich da.
 Er hatte die Augen geschlossen und lehnte seinen Körper an die weiße Flurwand während er sein Antlitz in dem Licht der einfallenden Sonne sonnte. Sein dunkelbraunes Haar strahlte förmlich und seine Haut wirkte unecht rein. Sein Körper war schlank, doch wenn meine Augen weiter wanderten erkannte ich deutlich die Umrisse von starken Muskeln durch sein Hemd hindurch.
 Er war  atemberaubend schön.
 Irgendwann flatterten seine Augen auf und er lächelte mir selbstgefällig entgegen, als er mich beim Starren ertappte. „Hi.“
 „Hallo“, murmelte ich dämlich und lief Feuerrot an. Ich nickte ihm mechanisch zu und lief schnell weiter.
 „Warte! Wohin gehst du?“
 „Zur Bibliothek“, antwortete ich ohne meine Schritte zu verlangsamen.
 „Ich begleite dich.“
 „D-das ist nicht nötig, danke“, erwiderte ich schnell.
 „Tja, ich komme trotzdem mit.“, beschloss er grinsend und ich blickte entschlossen auf den Boden.
 Als wir die Türe zur Bibliothek erreichten, wurden wir beide langsamer ehe wir zum Stehen kamen.
 „Wieso hast du mich gerade so angesehen?“
 „Was? Aber das habe ich doch gar nicht.“, leugnete ich schnell und vermied seine Augen.
 „Du darfst mich nicht anlügen“, tadelte er streng.
 „Ich...Tut mir Leid, ich wollte wirklich nicht-...“
 Kai drehte mein Kinn, so dass ich ihn anblicken musste und das Lächeln auf seinem Gesicht lies mich den Mund halten. „Das war nicht böse gemeint, ich wollte dich nur ärgern.“
 „Oh“, sagte ich nur höchst intelligent.
 „Ich habe gehofft du würdest mir ein Kompliment machen.“, sagte der Königssohn plötzlich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, ein leichtes Schmollen auf den Lippen.
 Ich presste meine Lippen fest zusammen, ich sollte verdammt sein, wenn auch nur ein Wort diesen Mund verlassen würde.
 „Nein?“ Er seufzte enttäuscht. „Dann lass mich dir sagen, dass ich dich unglaublich schön finde.“ Er schluckte schwer. „Ich verstehe nicht wieso, aber seit ich dich in der Küche gesehen habe...“ Er wurde unterbrochen als die Bibliothekstüren plötzlich leise aufschwangen und ein großer Junge den Raum verließ. Wir beide zuckten zusammen.
 „Sehun“, zischte Kai und bedachte den Neuankömmling mit schmalen Augen. „Was suchst du hier?“
 „Oh, ich...ich...war nur kurz in der Bibliothek.“
 Ich betrachtete den großen Jungen erstaunt, er war blond, mit Haselnussfarbenen Augen und mir total unbekannt.
 Ich nickte ihm höflich zu und er erwiderte die Geste ohne zu zögern.
 „Du solltest nicht hier sein“, sprach Kai weiter und Sehun nickte entschuldigend.
 „Dann gehe ich jetzt besser.“, verabschiedete sich der großgewachsene, etwas eigenartige Junge, und mit einem letzten, fast sehnsüchtigen Blick zur Bibliothekstür, verschwand er in den Gängen.
 „Wer war das, ich habe ihn noch nie zuvor hier gesehen“, murmelte ich überrascht.
 „Das war...“ Kai brach ab und starrte kurz in die Richtung in die Sehun verschwunden war ehe sein Blick zurück zu mir glitt und plötzlich sanft wurde. „Das eben war mein Bruder“, flüsterte Kai und es fühlte sich so an als erzähle er mir ein streng vertrauliches Geheimnis.
 „D-dein Bruder? Ich wusste gar nicht, dass du-...“
 „Er ist das Kind der Geliebten meines Vaters“, berichtigte er schnell und wirkte plötzlich sehr traurig. „Er ist nicht anerkannt und existiert hier bloß im Stillen seit seine Mutter verstorben ist.“
 „Oh“, flüsterte ich bedrückt „das tut mir Leid für ihn. Für euch.“
 Überrascht blinzelte er mich an. „ Für uns?“
 „Du siehst so traurig aus“, bestätigte ich leise. „Als würde sein Anblick dir Schmerzen bereiten.“
 Er seufzte. „Das hast du einfach so gesehen? Menschen die mich viel besser kennen sollten, fällt es weniger einfach meine Gefühle zu lesen.“
 Ich lächelte sanft zu ihm herauf. „Du bist ein guter Mensch Kai.“ Und damit verbeugte ich mich leicht bei ihm, ehe ich durch die Türen hinein in die Bibliothek schlüpfte. Kai zurücklassend.
 
 Kai außerhalb der Gänge zu sehen war recht unangenehm. Steif, um genau zu sein. In Anwesenheit seiner Eltern wagte ich nicht wirklich den Blick auf ihn zu richten, was natürlich unbegründet war, ich verstand mich selbst nicht, aber das Gefühl war dringlich genug, so dass ich den Blick stets gesenkt hielt. Dennoch, ich spürte förmlich wie Kais Augen auf mir brannten und immer wenn ich verlegen zu ihm spähte, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Obwohl seine Eltern und all die Diener da waren, gehörte seine Aufmerksamkeit ganz mir. Ich spürte meine Wangen heiß werden und dies komischerweise mehr aus Freude als aus Scham.
 Über das gesamte Treffen hinweg warfen wir uns heimliche Blicke zu, lächelten Scheu und wandten die Augen wieder ab, gespannt wer zu erst wieder hinschauen würde.
 „Kai? Um Himmels Willen, nun rede doch endlich!“
 Der Angesprochene zuckte überrascht zusammen. „Wie bitte? Entschuldige was haben Sie gesagt?“
 Der König seufzte frustriert auf und rieb mit den Zeigefingern Kreisförmige Bewegungen gegen seine Schläfen. „Wir sind Mitten in einer Besprechung Kai, vergiss dich nicht.“
 „Verzeihung.“
 Besorgt blickte ich zu dem braunhaarigen hinüber und hatte ein schlechtes Gewissen, dass er ausgerechnet wegen mir geschellt wurde. Doch Kai fing einen Moment später meinen Blick ein, als hätte er ihn mithilfe eines Magneten angezogen, und schenkte mir ein zuversichtliches Lächeln und ein freches Augenzwinkern.
 Ich biss mir hart auf die Zunge um nicht loszulachen.

 Als die Besprechung vorbei war, verließ ich mit allen anderen den Raum, schlug jedoch eine andere Richtung ein, um in die Küche zu gehen um dort Tee für die Bibliothek aufzubrühen. Ich dachte an die kleine Besprechung zurück und vor allem wie atemberaubend es sich angefühlt hatte, als Kai seine Augen offensichtlich nicht von mir lassen konnte. Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter als ich an diese warmen braunen Augen zurück dachte und ich schlang leicht die Arme um den Oberkörper, als wolle ich das Gefühl an meine Brust gedrückt behalten. Es mithilfe einer Umarmung für immer präsent zu wissen.
 Als sich kurz darauf wie aus dem Nichts plötzlich eine Hand auf meine Schulter legte, sprang ich leicht auf, entspannte mich jedoch schnell wieder als ich erkannte wer mir da gegenüberstand.
 „Schreckhaft?“
 „Überhaupt nicht“, antwortete ich keck zurück und sah selbstbewusst zu ihm herauf. Seit wann war er so groß?
 Kai lachte und fuhr sich durchs Haar, wie er es immer tat. „Du hast mich beobachtet.“
 „Denkst du?“
 Der Jüngere nickte. „Definitiv.“
 „Ich denke das hast du dir eingebildet“, meinte ich Achselzuckend, grinste ihn aber offenkundig an.
 „Oh. Das ist Schade.“
 Ich schluckte schwer, meine Kehle fühlte sich plötzlich ziemlich eng an. „Wieso?“
 „Weil“, erwiderte er langgezogen und kam mit langsamen Schritten näher, wie ein Raubtier das sich behutsam seiner Beute näherte. Und wie jede brave Antilope blieb ich erstarrt an Ort und Stelle. Nun ja, ich fühlte mich eher an den Fußboden gebunden, gespannt auf jeden Schritt den der andere näher trat.
 „Weil was?“, drängte ich schließlich, nachdem er viel zu lange Momente einfach nur geschwiegen hatte.
 „Weil ich mir gewünscht hätte, dass ich das Richtige in deine Blicke interpretierte.“ Und plötzlich stand er mir so nahe, dass ich mir einbildete die Wärme seines Körpers spüren zu können. „Es tut mir so Leid“, flüsterte er während er eine Hand anhob und mir mit den Fingerkuppen sanft über die Wange strich.
 „Für was?“, fragte ich und meine Stimme klang so viel höher als ich sie kannte, dass ich innerlich erschrak.
 „Ich...ich glaube ich mag dich doch mehr als ich gedacht hätte.“
 Ich erschauderte bei seinen Worten oder unter seiner Berührung, ich war mir nicht wirklich sicher was der genaue Grund dafür war, und wollte gerade den Mund zu einer Erwiderung öffnen, als ein leises Geräusch unserer beider Aufmerksamkeit auf sich zog.
 „Schritte“, flüsterte Kai erschrocken, packte reflexartig mein Handgelenk und verschwand mit mir hinter einer Tür die uns überraschenderweise in eine alte Besenkammer hinein stolpern lies.
 Wir beide hielten die Luft an, als wir eng aneinander gepresst die Tür mit unserem Gewicht zu hielten, während wir darauf warteten das die Person vorbei schlenderte.
 Die viel zu langsam, gehende Person grummelte leise vor sich her, sprach von 'Langem Warten' und 'schlechtem Personal' und anderen unverständlichen Dingen. Panik stieg in mir auf, wie blaue Feuer, tobte sie in meinem Inneren und meine Kehle schnürte sich zusammen. Diese Stimme...Wer...?
 „Oh Gott“, hauchte Kai, mindestens genau so ängstlich wie ich selbst und wir beide wagten uns nicht uns auch nur für einen Millimeter zu bewegen.
 Als die Schritten schließlich verklungen waren, seufzten wir beide und erlöst von dem Schrecken, lachten wir erleichtert auf. „Das war knapp.“
 „Kann man wohl so sagen“, bestätigte ich.
 „Ganz sicher zählt es als Unschicklich Zuneigung im Flur zu zeigen. Das hätte gewiss Hausarrest gegeben.“
 Ich horchte bei dem Wort 'Zuneigung' gespannt auf, doch Kai sagte nichts mehr und in der Stockfinsteren Besenkammer sah ich nicht einmal die eigene Hand vor Augen, womit ich nicht dazu fähig war seine Mimik zu lesen.
 Kais Nähe wurde mir mit jeder Sekunde länger, schmerzlich bewusst und ich hätte gerne etwas Abstand zwischen uns gebracht, aber dafür hätte ich ihn von mir drücken müssen und wer weiß wie Nahe die Besen und Haushaltsutensilien Kais Rücken waren. Ich hätte ihn auch einfach fragen können, ob er etwas Abstand zwischen uns bringen könnte, doch mein Mund war wie gelähmt. Wenn ich ganz ehrlich war, und das würde ich Kai nun noch nicht sagen können, dann müsste ich ihm gestehen, dass auch meine Gefühle über das Platonische weit hinaus geschossen waren.
 „Ich verstehe nicht, was du mit mir gemacht hast“, hauchte der Jüngere plötzlich und ich zuckte überrascht zusammen als sein warmer Atem über meinen Hals strich. Mein Herz begann zu rasen und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich hoffte ich würde nicht gleich im Dunkeln glühen.
 „I-ich könnte dir die selbe Frage stellen.“, flüsterte ich zurück und fühlte mich wahnsinnig jung. Ich war so nervös, Kai so nahe und die Bedeutung meiner Worte schwirrte in meinem Kopf, so dass ich mir vorkam als säße ich auf einem verrückt gewordenen Pferd festgeschnallt. Einem Pferd dem die Sporen unaufhörlich in die Flanken gestoßen wurden. Es grenzte wohl an ein Wunder das ich mich noch auf den Beinen halten konnte.
 „Verflucht bin ich erleichtert.“ Kais lachen ließ mich aufblicken, ohne etwas sehen zu können suchten meine Augen die Dunkelheit ab. Schließlich hob ich eine Hand um nach Kai zu suchen, obgleich ich wusste er müsse noch immer direkt vor mir sein und legte sie plötzlich auf warmes Fleisch. Ich erschrak innerlich als meine Finger unter dem dünnen Stoff seines Gewands einen rapiden Herzschlag ertasteten. Und es beruhigte mich ungemein zu wissen, dass Kai mindestens so nervös war wie ich selbst.
 Als er erneut lachte, vibrierte seine Brust unter meinen Fingern und es war ein so schönes Gefühl, dass ich selbst schmunzeln musste.
 „Wir kennen einander kaum“, stellte ich später fest, als wir uns aus der Dunkelheit der Besenkammer befreit hatten und in den Fluren gegen die neue Helligkeit blinzelten.
 „Dann sollten wir das ändern.“
 „Hervorragende Idee“, stimmte ich ihm spielerisch zu und er ergriff gewagt meine Hand. Ich blickte mich sofort um, auch um ihm meine roten Wangen nicht zur Schau zu stellen.
 „Triff mich morgen, genau hier.“ Er blieb stehen und nahm auch meine zweite Hand in die seine. „Versprich mir dass du da sein wirst.“
 Während ich in seine dunkelbraunen Augen hinauf sah, hätte ich ihm zu gerne gesagt, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, dass ich mich tatsächlich in ihn verliebt hatte und seine Gefühle nicht so einseitig und erwiderte waren wie er anzunehmen schien.
 Ich war ihm verfallen, merkte ich, mit Leib und Seele. Alles in mir ächzte danach ihn zu berühren, ihn festzuhalten und von ihm gehalten zu werden. Doch ich wagte nicht meine Gefühle so offen auf meinem Gesicht zu tragen wie er es tat. Ich wagte nichts davon über die Lippen zu bringen und befürchtete, dass in der Sekunde in welcher ich den Mund öffnete keine meiner Gefühle in der Sicherheit des Unausgesprochenen bleiben würden. Der Staudamm der meine Empfindungen für Kai zurückgehalten hatte, seit wir einander ernsthaft wahrgenommen hatten, würde ganz gewiss nicht mehr lange halten. Er dürfe nur nicht heute, nicht jetzt, schon in sich zusammenbrechen. Daher nickte ich und erwiderte den Druck seiner Hände.
 Er schenkte mir ein letztes, von schweren Gefühlen getränktes Lächeln, ehe meine Hände aus seinen glitten und er fort trat. Mein Blick klebte an seinem Rücken und ich hätte ihn nur zu gerne aufgehalten, doch ich blieb still. Und als er fort war, lehnte ich mich an die Wand und schliff sie hinunter. Meine Beine waren schwach und zittrig und in meinem Kopf herrschte das reinste Chaos. Wie konnte ich mich letzten Endes nur in Kai verlieben?

Königlich VerliebtWhere stories live. Discover now