1. Kapitel

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Zwei Menschen welche dasselbe Schicksal haben, so heißt es, sind für ewig verbunden. Doch was wenn ihr Schicksal bedeutet, nie mit eben dieser Person zusammensein zu können?

"Wenn Frau Meyer mich noch ein einziges mal in Ihrem Unterricht drannimmt schreie ich.", zischte mir Josy zu. Sie ist meine allerbeste Freundin seit der fünften Klasse. Wir sitzen schon ewig nebeneinander und sie kann unsere Deutschlehrerin nicht ausstehen.

"Dann sollte ich mir schon mal Ohrstöpsel kaufen.", meinte ich grinsend.

"Ich meine das ernst!", sagte sie doch sie grinste dabei. Nach Deutsch hatten wir zum Glück schon aus. Wir fuhren mit Nico und Jason - die für sich auf einem zweier saßen und Musik hörten - mit dem Bus nachhause. Alle anderen liefen oder fuhren mit ihrem Mopped. Die Jungs machten einen zurzeit richtig verrückt mit diesem Scheiß. M13 und E24 oder wie diese ganzen Blechbüchsen heißen. Ich und Josy saßen auf einem vierer und unterhielten uns natürlich nicht über Moppeds sondern über das was Frau Hake gesagt hatte.

"Was meinst du wie der neue so drauf ist?", fragte ich sie.

"Kein Plan, hauptsache kein Macho." Sie schmunzelte. "Und sieht gut aus."

Ich lachte. "Du bist so selbstsüchtig."

"Was bitte hat das damit zu tun?"

Ich grinste nur weiter und sah aus dem Fenster. Die Bäume die links neben der Straße in gleichen Abständen gepflanzt worden, flogen an der Scheibe vorbei. Dahinter erstreckte sich ein weites Feld.

"Mir ist eigentlich alles recht. Solange er keine Kopie von Martin ist.", meinte ich.

"Oh ja Martin..." Josy schütteltes sich. Martin war letztes Jahr der 'neue' gewesen. Er hatte sich wahrscheinlich nur einmal im Monat gewaschen, oder er hatte ei ziemlich mieses... äh.... Perfüm? Naja, jedenfalls stank er andauernd, hat in der Nase gepopelt als wäre er ein fünftklässler und hat uns mädchen immer angemacht. Wiederlich dieser typ. Draußen verschwand das Feld und Häuser tauchten auf. Groß, klein. Mit garten und ohne. Menschen mit Taschen, Rucksäcken, Kinderwägen, ... Josy streckte sich und drückte auf den Stoppknopf. Ich schnappte mir meine Tasche und stellte mich vor die Tür. Josy folgte mir.

"Wenn er eine Kopie von Martin ist werde ich eigenhändig dafür sorgen das er von der Schule fliegt.", meinte Josy.

"Ich bin dabei."

Mit einem quitschen und einem Ruckeln hielt der Bus an. Während sich die Tür öffnete löste sich meine Hand von der gelben Stange. Das Wetter war warm. Frühlingsanfang. Nicht zu warm, nicht zu kalt. Es wird wahrscheinlich einer der wenigen Tage im Jahr sein welche einfach nur schönes Wetter haben. Ein kleines Stück laufen wir gemeinsam bis zu meiner Abzweigung durch die Gartensparten. Josy drückte mich an sich.

"Bis morgen.", sagte sie an meinem Ohr. Ich atmete den Leder geruch ihrer Jacke ein und lächelte.

"Ja, bis morgen." Damit wandt ich mich ab und ging den Kiesweg entlang. Viele Gärten waren leer doch in einem saßen ein paar Leute. Meine Füße knirschten unter dem Kies. Manche Gartenbesitzer grüßten mich und ich grüßte zurück. Dann war ich auf meiner Straße angekommen. Auf dem Fensterbrett unseres Nachbarhauses stand drinnen eine Stiftebox. Und selbst von der anderen Straßenseite aus erkannte ich den roten Kuli. Erstaunt blieb ich stehen. Das war Josys Kuli. Das erkannte ich daran das er einen grünen Klebestreifen hatte. Josy hatte ihn mal hier auf der Straße verloren. Konnte das wirklich war sein? Das war Absurd. Ich wünschte ich könnte mir den Kuli einmal genauer ansehen, und wenn es der richtige ist schenke ich ihn Josy zu ihrem Geburtstag. Gerade als ich das dachte und den Kuli dabei ansah wurde mir mit einemal warm. Und eine Sekunde später schwebte der Kuli vor mir in der Luft.

Ich bin verrückt. Ich schloss meine Augen und öffnete sie wieder. Der Stift war verschwunden. Erleichtert atmete ich auf. Ich sollte wirklich früher ins Bett gehen. Doch beim nächsten Schritt trat ich auf etwas. Ich sah nach unten. Es war der Kuli. Ich warf einen Blick zu dem Fenster, dort war er nicht mehr. Aber wie sollte er hierhergekommen sein? Fantasiere ich jetzt? Werde ich verrückt wie meine verstorbene Oma? Ich bückte mich und hob den Kuli auf. Oh mein Gott. Ich malte mir einen Strich auf den Handrücken. Verrückt, durchgeknallt, reif für die Klapse. Mit schnellen Schritten rannte ich auf unser Haus zu. Den Kuli in der linken Hand welche ich zur Faust ballte. Ich schloss die Haustür auf und rannte in die Wohnstube.

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