Kapitel 35

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Dyan's Sicht

Ich seilte mich nach einer Stunde,  die ich mit einem Drink in der Hand in einem überfüllten Club verbracht hatte, von meinen Jungs ab. Hauptsächlich weil ich Ciara nicht noch länger alleine lassen wollte, aber irgendwie hatten die dröhnenden Bässe und die sich wiegende Masse Menschen auf der Tanzfläche heute auch nicht die gleiche berauschende Wirkung wie sonst auf ich.

Erschöpft fuhr ich unsere Auffahrt hoch. Heute war mal wieder ein langer Tag gewesen und ich war sicherlich nicht zufrieden mit ihm.

Zu meiner Tessa- Mission musste ich mich nun auch noch um diesen verdammten Deal sorgen, denn klein-Sherlock hatte voll ins Schwarze getroffen, als sie sagte, welche Lücken unser Plan aufwies. Nur ein falscher Schritt und es könnte uns allen an den Kragen gehen.

Für einen kurzen Moment legte ich meinen brummenden Kopf auf dem Lenkrad ab, nachdem ich eingeparkt hatte.

Am liebsten würde ich den Deal ganz alleine abwickeln, dann würden wenigstens nicht die anderen in Gefahr geraten. Allerdings gingen mir auch Tessas Worte nicht mehr aus dem Kopf, genauso wenig wie ihr eindringlicher Blick oder diese Präzision in ihrer Stimme. Woher hatte sie gewusst, weshalb ich mir solche Sorgen machte? Hatte sie recht damit, dass ich mir zu viel Verantwortung auflastete? Und seit wann nahm ich die Worte dieses verdammten... Mädchens ernst?!

In den letzten zwei Tagen drehten sich viel zu viele Fragen um Tessa. Sie war wie ein Poltergeist in meinem Kopf, der nach und nach alles umräumte und mich in einem riesigen Chaos zurück ließ.

Ich fuhr mir durch die Haare und öffnete die Autotür.
Über Ms. Stinkreich konnte ich mir auch noch später Gedanken machen, jetzt war erstmal meine Schwester dran.

Als ich unsere Villa betrat brannte kein einziges Licht im Erdgeschoss. Meine Eltern waren schon seit einer Woche auf einer Geschäftsreise durch die verschieden Firmen meines Vaters, um die jährlichen Checks zu machen. Doch mir machte es schon lange nichts mehr aus, wenn ich mit Ciara alleine hier war. Um genau zu sein war es sogar eine Erleichterung, nicht ständig Ciara vor meinen Vater abzuschirmen zu müssen.

Die Treppenstufen waren wie immer hochglanzpoliert und ich wollte gar nicht wissen wie lange Hannah, unser 'Hausmädchen' heute mal wieder gearbeitet hatte. Dir Arme war vielleicht drei Jahre älter als ich und wurde von meinem Vater bis zum letzten ausgebeutet. Ein leiser Seufzer entschlüpfte mir. Ich würde ihr zur Entlohnung am Ende des Monats eine Summe zukommen lassen, die ihrer harten Arbeit gerecht wurde.

Jedoch verdrängte ich alles andere aus meinem Kopf, als ich schließlich vor der Zimmertür meiner kleinen Schwester stand. Sie war einen Spalt breit geöffnet, durch den ein schmaler Lichtstreifen in den sonst finsteren Flur fielen.

Geschockt konnte ich mich ein paar Sekunden nicht von der Stelle rühren, während die leisen, erstickten Schluchzer zu mir herausdrangen.
Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich in diesem Moment lieber tun würde. Den Kerlen, die meine Schwester zum weinen brachten, die Gedärme herausreißen oder meine Schwester in den Arm schließen und nie wieder loslassen.
Im Endeffekt viel mir die Entscheidung doch ziemlich leicht und ich klopfte leise an, sodass sich Ciara nicht so überfallen fühlte.

Ich hörte wie sie noch ein letztes Mal schniefte und dann leises Plotern, als würde sie etwas hastig weglegen, aber ich wartete höflich bis ein leises "Herein" erklang und ich die Tür geräuschlos aufschwingen ließ.

Ciara saß im Schneidesitz auf ihrem gigantischen Bett, ihr Handy in der Hand als hätte sie gerade mit jemanden geschrieben und ein tapferes Lächeln aufgesetzt.
Aber mich konnte sie damit nicht täuschen. Auch ohne das verräterische Schluchzen von gerade eben, wäre mir die Rötung ihrer Augen aufgefallen und die große Schachtel Taschentücher hinter ihrem Rücken.

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