Einsam und Allein

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Als ich langsam wieder zu mir kam, war mir klar, dass DAS noch nicht das Ende sein sollte. Unser Auto lag auf dem Autodach. Meine Wahrnehmung war sehr verschwommen, da ich die ganze Zeit auf meinem Nacken gelegen hatte. Mein Gesicht brannte höllisch wegen der ganzen Splitter, die sich nicht nur in meinem Gesicht, sondern in meinem ganzen Körper verbissen hatten. In meinem ganzen Fleisch. Ich versuchte, meinen Kopf etwas zu drehen, um das Blut wieder zu verteilen, doch was ich sah war keinesfalls erträglicher.

Links neben mir lag meine Mutter verrenkt im Auto. Ihr Kopf war durch das Lenkrad beinahe völlig vom Rest ihres Körpers abgequetscht, weil durch den Aufprall das Autodach mit dem Armaturenbrett heftig zusammengestoßen war. Ich sah noch immer wie etwas Blut aus der Halsschlagader gepumpt wurde, das hieß, ich war nicht sehr lange bewusstlos. Daneben ihr leerer, kalter Blick. Und ihr lebloses, entstelltes Gesicht.

Mir lief eine Träne über die Wange, als ich sah wie ihr Auge langsam aus dessen Höhle lief, was meinen Schmerz nur noch vermehrte. Danach bemerkte ich, dass ich mein Bewusstsein beinahe wieder völlig erlangt hatte. Ich spürte ein Gewicht auf meinem Bauch, aber ich konnte mich nicht so verrenken, um es erblicken zu können. Also benutzte ich meine noch greiffähige Hand und tastete nach diesem Ding, um mich freizulegen.

Es war nass und kalt und bereitete mir dadurch Ekel und eine Gänsehaut. Ich kniff meine verheulten Augen zusammen, da ich plötzlich gar nicht mehr wissen wollte, was sich dort in meiner Hand befand. Dann tropfte etwas in mein Gesicht. Da ich dummerweise ein sehr neugieriges Mädchen war, öffnete ich langsam und vorsichtig meine Augen.

Es war Tommys Arm, welcher auf mir das letzte bisschen Blut verlor. Ich hätte es niemals glauben können, dass mein kleiner, süßer Bruder mit sechs Monaten bei einem Autounfall einen derart abartigen Tod erleiden sollte. Tommys lebloser Körper war über unser Auto regelrecht verteilt. Überall war Blut. Gliedmaßen. Aufgerissene Kleidung.

Dieser Anblick brachte mich zu einem grausamen Schrei. Danach Weinen. Es war ein vergeblicher Versuch, alles rauszulassen. Aber es half nicht. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall erst mal raus aus dem Auto musste. Ich versuchte meine Wagentür zu öffnen, Jedoch ging sie nicht auf. Ich rüttelte und rüttelte an ihr, aber sie wurde von einem Baumstumpf blockiert.

Ich setzte mich vorsichtig und klein gemacht, da das auf dem Dach liegende Auto nicht mehr die übliche Höhe bot, auf die mit Schreiben überhäufte Autodecke, damit meine Kopfschmerzen aufhören konnten, sich durch mein Gehirn zu fressen, und suchte nach einem Ausweg. Die Autotür meiner Mum war zwar offen, aber wie geisteskrank müsste ich gewesen sein, um über meine qualvoll verendete Mutter zu steigen?! Ich krabbelte auf allen Vieren mit Bedacht nach hinten, um dort weiter nach einem Entkommen zu suchen.

Ich erwartete Schlimmes, was den Zustand meiner Schwester betraf, doch was ich auffand bereitete mir keinen Ekel. Sondern Furcht. Sorgen. Sie war fort. Durch einen winzig kleinen Spalt, den sich nur ihre Tür öffnen konnte, da ihre Tür vom selbigen Stumpf blockiert wurde wie meine, hatte sie sich nach draußen gequetscht und war spurlos verschwunden. War sie tot? Ich versuchte, mich durch diesen Spalt wie meine kleine Schwester in die Freiheit zu drängen, doch mit meinen siebzehn Jahren und einer Körpergröße von ca. 1,70m war mein Versuch ein Fehlschlag.

Ich zögerte durch meinen bereits ausgelösten Ekel etwas, jedoch beugte ich mich schließlich über die meisten auf einem Haufen zermatschten Einzelteile meines Bruders und versuchte, auch diese Tür zu öffnen.

Diese war wiederum zu verbeult und dadurch zu stark beschädigt, um sie auf zu machen. Meine Panik stieg stark an und ich hämmerte gegen die Tür und rief so laut ich nur konnte um Hilfe, doch dann kam mir eine Idee...

Ich kämpfte mich zur Kofferraumtür, legte mich mit den Füßen zum Fenster auf die Scherben und fing an, die Scheibe einzutreten, um herauszukommen.

CRASHEDWhere stories live. Discover now