Im Auto

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"Du darfst nicht zu sehr um Billy trauern, wenn eine Fernbeziehung nicht möglich ist.", meinte meine Mum, während sie neben mir das Auto steuerte,"es gibt eine menge anderer Jungs. Auch in Canolake. ob du's glaubst oder nicht. Das Problem ist nur... Mein neuer Arbeitsplatz ist in Canolake... sonst wär es hier und ich kann mir hier kein Haus alleine leisten."-"Mum, du scheinst es nicht zu verstehen... Ich liebe nur ihn und ich werde niemals und nirgendwo einen anderen Jungen finden, der Billy in irgendeiner Weise ersetzen könnte. Es ist aber okay. Wir schaffen das schon irgendwie... Und jetzt bitte ein anderes Thema...", antwortete ich leicht traurig.

Wie immer auf Autofahrten fing Amber an, wie wild an meinen Haaren zu ziehen. Und wie immer reagierte ich genervt, nahm ihre beiden Hände und zog sie gegen meinen Sitz. "Aua, du Vollidiot!", hörte ich von hinten. Ich fragte mich verwundert: Ehrlich? Meine kleine, neunjährige, gut erzogene Schwester, Amber Abigail Jenkins, das 'Wunderkind' der Familie, kennt und benutzt das Wort 'Vollidiot'?!

"Halt die Klappe, Pisskuh! Lass mich einfach mal in Ruhe!", fauchte ich zurück. "Könntet ihr bitte beide leise sein? Und hört bitte bitte auf mit diesen Schimpfwörtern...", unterbrach meine Mum kurz unseren Streit. "Ava hat aber angefangen! Sie hat mich gegen den Sitz geschlagen!", hörte man eine nervige, hohe Stimme sagen, die offensichtlich von Amber kam. Ok... Mein richtiger Name lautete ja eigentlich: Madison Ava Jenkins, aber alle meine Freunde und Verwandten nannten mich 'Ava', weil dieser Name leichter auszusprechen und wesentlich cooler als 'Madison' war.

"Ich hätte dich in Ruhe gelassen, wenn du mir nicht ständig an den Haaren ziehen und mich dadurch fast zum Überkochen bringen würdest!", schrie ich meine Schwester an. "Gar nicht wahr, du dumme Missgeburt!", schrie meine Schwester zurück.

Durch dieses Gebrülle hatte jetzt auch mein Bruder angefangen, lauthals zu schreien. "Jetzt hört auf, hier so herumzuschreien!", meine Mutter drehte sich nach hinten, "wir sind jetzt endlich von diesem... Entschuldigt meine Wortwahl... Arschloch befreit und jetzt fangt ihr an, hier laut herumzustreiten?! IHR KÖNNT EUCH VERDAMMT NOCHMAL GLÜCKLICH SCHÄTZEN!!! Und Amber, hör besser mit den Schimpfwörtern auf, bei denen du die Bedeutung mit neun Jahren noch gar nicht kennen dürftest, und beruhige lieber deinen..."-"Mama!?", unterbrach ich sie mit panischer Stimme, als ich bemerkte, dass wir mit ungefähr 110km/h in eine ziemlich scharfe Kurve rein rasten und meine Mutter hatte nicht mal auf die Straße geguckt.

"Scheiße!", schrie meine Mum auf und machte währenddessen eine Vollbremsung, aber es änderte nicht genug an unserer Geschwindigkeit, denn es war bereits zu spät. Durch das Bremsen schlug nur ihr Kopf gegen das Lenkrad, wodurch sie wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung erlitt und danach ohnmächtig schien. Wir durchbrachen mit voller Wucht die Leitplanke.

Der Gurt von Tommy war nicht stark genug für meinen schweren Bruder und löste sich anschließend. Er wurde regelrecht durch das Auto geschleudert, sein Schädel kam mit dieser Stärke nicht mehr zurecht und nahm immer mehr Schaden. Ich spürte das Gesicht meiner Schwester, das sich an meinen Sitz presste und man hörte nur noch unsere Schreie, bei denen wir um unsere Leben beteten.

Ich machte mich so klein wie nur möglich und klammerte mich an meinen Sitz. Voller Angst sagte ich meiner Schwester durch den Sitz: "Mach die Augen zu, Kleine. Gleich ist es vorbei!" Doch ich selber konnte meine Augen nicht von alleine schließen, weil mein Adrenalin einfach kurz vorm Explodieren stand, und ich guckte weiterhin raus durch die schon etwas zersplitterte Windschutzscheibe. Auf den Boden, der immer schneller und schneller auf uns zu raste. Ich hörte wie Ambers Bein brach. Ein lautes knochiges, dennoch fleischiges Geräusch vernahm ich. Die Stimme meiner Schwester war verstummt und mein Geschrei mutierte zu einem Weinen. Einem Winseln. Einem Betteln. Einem Betteln um mein Leben.

Als unser Auto Bekanntschaft mit dem Boden machte, hörte ich nur noch einen lauten Knall. Einen Crash und lauter Fensterscheiben, die in Splitter zersprangen, welche nur zu gerne ins menschliche Fleisch schneiden und steckenbleiben wollten. Danach wurde es jedoch schwarz. Alles war schwarz und leer geworden. Ich sah nichts. Ich hörte nichts. Ich roch nichts. Und ich spürte nichts. War ich tot? War das das Ende?

CRASHEDWhere stories live. Discover now