8. Was auch immer

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,,Okay, da wären wir", verkündete Astrid, als alle Drachen zum Landen ansetzten. Sobald die riesigen Kreaturen den Boden unter ihren Füßen zu spüren bekamen, stiegen ihre Reiter ab und sahen sich um. ,,Das ist also die Insel, auf der du gewesen bist, bevor diese Visionen begonnen haben", sagte Hicks und wandte sich dabei an die Blondine. ,,Ja, das ist sie", wiederholte diese.
Es hatte circa eine Stunde gekostet, die Insel zu erreichen. Astrid war die ganze Zeit auf Sturmpfeil vorne geflogen und hatte die anderen geleitet. Und nun waren sie nach vielen Minuten voller unsinnger Gespräche der Zwillinge und Diskussionen zwischen Rotzbakke und Fischbein endlich auf der Insel angekommen. Die Insel, auf der der Ursprung Astrids Visionen lag.
,,Okay, das wär es also", meinte Hicks. ,,Wir sind auf der Insel angekommen. Jetzt müssen wir, schätze ich, einfach nach irgendetwas, das ungewöhnlich aussieht, suchen. Am besten, wir teilen uns auf. Jeder sucht woanders. Und egal, was passiert, solltet ihr etwas ungewöhnliches finden: Nicht anfassen, nicht angreifen, nicht essen - Je nach dem, was es ist!" Nachdem Hicks seine Befehle erteilt hatte, machten sich alle auf ihre eigene Weg. Jeder nahm einen anderen.
Die anderen waren bereits in Begleitung ihrer Drachen losgegangen, Astrid war gerade dabei, ihre Axt, die an Sturmpfeils Sattel geschnallt war, zu holen. Sie wollte sich gerade eben auch in eine Richtung aufmachen, als Hicks sie aufhielt. ,,Hey, Moment. Du wirst nicht alleine gehen." Die Angesprochene drehte sich mit ihrem Kopf zu ihm um. ,,Was? Wieso nicht?" Sie klang skeptisch. ,,Ich weiß auch nicht, vielleicht, weil du ständig komische Visionen hast, die dich in gefährliche Situationen bringen könnten?" ,,Was für gefährliche Situationen?", kam die Gegenfrage mit einem etwas genervten Unterton. ,,Astrid, wenn du diese Bilder vor dir siehst, bist du immer ganz taub und bekommst nichts mehr von der Außenwelt mit. Du regst dich nicht einmal. Was wäre, wenn zum Beispiel irgendein Drache angreift. Wir wissen nicht, was für Spezies es hier gibt. Oder was, wenn du genau neben einer Klippe oder einem Abhang eine Vision bekommst und hinunterfällst. Das kann tödlich enden!" Nun drehte Astrid sich ganz zu Hicks um. ,,Dein Ernst? Wie kommst du da überhaupt auf einmal drauf?", fragte die Kriegerin. Hicks schwieg kurz und starrte die junge Frau nur stumm an. Erst dann kam die Antwort: ,,Ich habe mir da natürlich schon Gedanken drüber gemacht. Eigentlich sogar ziemlich viele. Aber das versteht sich doch von selbst, oder?" Astrid musste kurz schmunzeln. ,,Du machst dir zu viel Sorgen. Ich hab ja Sturmpfeil bei mir", erwiderte sie und tätschelte ihren Drachen. Dann nahm sie Hicks kurz an der Schulter, küsste ihn auf die Wange und versprach: ,,Wir sehen uns nachher, alle beide unversehrt."
Es vergingen mehrere Minuten. Diese wurden zu noch mehr Minuten. Jeder hielt Ausschau nach irgendetwas, das verdächtig aussah. Ziemlich komisch. Sie mussten etwas suchen und finden, von dem sie gar nicht wussten, wie es aussah. Sie wussten nicht, was genau es war. Die Drachenreiter spazierten einfach überall auf der Insel herum und gaben im Suchen von was auch immer ihr Bestes.
Astrid befand sich gerade in einem Wald. Genauer gesagt in dem Wald im Süden. Auf dieser Insel konnte man nicht nur einen einzigen Wald vorfinden. Die Berkianerin sah sich überall um, drehte sich in alle Richtungen. Sie bemühte sich, irgendwelche Ausschnitte aus ihren Visionen hier zu finden. Es war doch mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Insel, auf der sie sich gerade befanden, die sie in ihren Visionen immer sah, oder? Doch im Wald befanden sich andere Bäume, als in ihren Visionen. Fichten, keine Tannen. Als Wikingerin, die ständig im Wald trainierte, kannte Astrids bereits die Unterschiede. Auch die Büsche sahen anders aus. Die in ihren Träumen wiesen Dornen vor. Die in diesem Wald nicht. Trotzdem begab sich Astrid mit Sturmpfeil, die ihr folgte, tiefer in den Wald hinein.
Fischbein befand sich im Wald im Nordosten. Dicht an Fleischklops gedrängt, machte der blonde Wikinger langsame, zitternde Schritte. ,,H-Hey, findest du auch, dass dieser Wald viel zu düster wirkt?", flüsterte er seinem Drachen zu. Er war ängstlich. Fleischklops, die genauso ängstlich war wie er, grummelte zustimmend. ,,Wieso können wir nicht einfach wieder zurück nach Berk fliegen? Ich fühle mich hier so unsicher. Ich wette, irgendwelche bösen Drachen lauern hier und warten nur darauf, uns zu fressen. Ich meine, normalerweise wäre ich natürlich begeistert von Drachen, aber nicht in diesem finsteren Wald. So angsteinflößend!", quasselte der Drachenreiter vor sich hin. ,,Nein. Ich muss mich zusammenreißen. Wir sind hier für Astrid da. Es geht ihr nicht gut oder zumindest könnte sie sich in große Gefahren begeben mit diesen Visionen. Komm, Fischbein. Tu es für Astrid. Sei stark. Sei stark. Sei stark. Sei...AAAH!" Ein lauter, hoher Schrei entfuhr dem Wikinger. Er starrte auf einen Stein, den er im ersten Moment, in dem er ihn gesehen hatte, für einen schlafenden Drachen gehalten hatte. ,,Oh, Thor. Oh, Thor. Es...es ist nur ein Stein. Nur ein Stein, der mir nichts antun wird. Nur ein Stein...", versuchte Fischbein, sich Mut zu machen.
Er bemerkte nicht, wie sich ihm etwas von hinten näherte. Erst, als sich ein großer Schatten über ihn und Fleischklops gelegt hatte, erschrak er und drehte sich langsam, ganz langsam, um. Ein Schrei, noch lauter als vorher, zerriss die friedliche Stille des Waldes.
Hicks war gerade dabei, hinter einen Busch zu schauen, bis er plötzlich einen Schrei hörte. Ohnezahn und er schraken kurz noch. ,,War das...Fischbein?", fragte Hicks ohne Absicht auf eine Antwort. Sie warteten kurz, ob noch irgendein Geräusch ertönte. ,,Naja, vermutlich hat er nur irgendein kleines Insekt gesehen und sich erschreckt. Suchen wir weiter." Ohnezahn kümmerte der Schrei ebenso nicht weiter. Der Nachtschatten folgte seinem besten Freund und blickte sich überall um. Doch auch in diesem Wald im Norden schien es nichts Außergewöhnliches zu geben. Trotzdem gingen die Zwei weiter, für Astrid. Hicks schaute nach rechts, dann nach links. Überall nur Bäume. Was zum Thor sollten sie hier finden?
Ohnezahn blieb auf einmal abrupt stehen. Er wagte keinen einzigen Schritt mehr, sondern knurrte nur und sah sich hektisch in alle Richtungen um. ,,Ohnezahn, was ist?", fragte Hicks und hielt ebenfalls an. Der Anblick seines Drachens machte ihn nervös. Der Nachtschatten spürte eine Präsenz. Und so, wie er in Angriffshaltung ging, war es vermutlich irgendein gefährlicher Drache. ,,Ohnezahn?", versuchte Hicks es noch einmal, aber sein Freund ging nicht auf die Frage ein. Er starrte nur weiterhin in die Tiefen des Waldes hinein.
Hicks' Vermutung war richtig gewesen. Das ließ sich schließen, als eine Silhouette aus einer Richtung des Waldes kam. Sie wurde mit jedem schweren Schritt größer und größer. Hicks wich aus Schreck etwas zurück. Es war ein Riesenhafter Alptraum. Diese Spezies war dafür bekannt, äußerst aggressiv zu sein. Wenn man in ihr Territorium eindrang, musste man damit rechnen, angegriffen zu werden. ,,Ohnezahn, wir verschwinden von hier!", schrie Hicks, machte kehrt und rannte los, so schnell er konnte. Ohnezahn folgte ihm. ,,Wir sind zwar schnell im Fliegen, aber in der Luft können wir den Alptraum nicht loswerden. Wir bleiben am Boden. Bei all den vielen Bäumen kann er sich nicht so gut bewegen!", gab Hicks die Anweisungen. Somit liefen die beiden Freunde in hohem Tempo vor dem Riesenhaften Alptraum davon. Sie konnten das wütende Gebrüll hinter sich deutlich hören.
Astrid schob die dünnen Äste der Sträucher zur Seite. Ihr Blick fiel auf die Szene vor sich. Der Wald endete hier. Sie war gerade aus ihm herausgetreten. Der Boden unter ihr wies nun nicht mehr so viele Äste und Steine vor, wie im Wald. Etwas weiter rechts fand Astrid Sand vor. Sie war ziemlich nah am Meer, also am südlichen Rande der Insel. Vor ihr erstreckte sich eine Felsenwand. Sturmpfeil trat ebenso aus dem Wald und folgte ihrer Reiterin, die nun links von der Felsenwand entlang ging, in die entgegengesetzte Richtung des Meeres.
Um eine Ecke der Felsenwand gegangen, hielt Astrid plötzlich inne. Vor ihr lag ein großer Haufen von Steinen. Man merkte, dass es sich um eine Höhle handelte, die eingestürzt war. Astrid machte ein paar weitere Schritte auf den Steinhaufen zu. Ein kleiner Stein rollte gerade den Haufen entlang und fiel auf den Boden. Der Moment, in dem der Stein den Boden berührte, war der Moment, in dem Astrid blinzelte. Die Augen geöffnet, sah sie Rot. Das Bild vor ihr zeigte eine Höhle. Aber keine eingestürzte. Es war nicht diese Höhle, vor der sie sich gerade befand. Es war eine andere Höhle, auf einer anderen Insel.
Plötzlich durchfuhr Astrid ein starker Schmerz. Diesmal war es nicht nur Kopfweh, sondern ihr ganzer Körper versteifte sich und schmerzte. Die Wikingerin konnte einen Schrei nicht unterdrücken. Sie hielt sich die Hände an ihren schmerzenden und dröhnenden Kopf und fiel zu Boden. Sturmpfeil krächzte besorgt. Sie hatte keine Ahnung, was los war. Anfangs auf den Knien, konnte Astrid sich nicht mehr halten und kippte zur Seite. Die Blonde lag am Boden, ab und zu schreiend und voller Schmerzen. Sturmpfeil rannte aufgebracht hin und her. Niemand hatte eine Ahnung, was los war. Niemand wusste, was sie machen sollten. Niemand anderes war in der Nähe, um zu helfen.
,,Leute, geht es euch gut?", fragte Hicks schweratmend in die Runde. ,,Ja, ich denke schon“, keuchte Fischbein, der sich angestrengt an seinen Drachen lehnte. ,,Ich gehe davon aus, wir haben alle mitbekommen, dass diese Insel von wütenden Riesenhaften Alträumen bewohnt wird?“, kam von Hicks. ,,Ja, haben wir und es war nicht schön!“, schrie Rotzbakke aufgebracht. Das Oberhaupt von Berk ignorierte die Aussage und blickte hinter sich. Jeder hatte es geschafft, die wütenden Drachen für den Moment loszuwerden, aber vermutlich würden sie jede Sekunde wieder kommen. ,,Leute, lasst uns lieber verschwinden. Es hat sowieso niemand etwas entdeckt, oder?“ Niemand gab eine positive Antwort ab. ,,Okay, dann...“, wollte Hicks gerade sagen und schaute alle Drachenreiter nach der Reihe an. Da bemerkte er es. ,,Wo ist Astrid?“

Hiccstrid ~ Rote Bilder ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt