Kapitel 6

2.8K 110 0
                                    

"Und... fertig!" quietschte Adelaide, als sie das letzte Stück Haar abschnitt. Sie hatte ihre Haare nur etwas getrimmt, aber es hatte ihre Stimmung verbessert. Ihr weissblondes Haar berührte ihre Schultern nicht mehr.

"Das sieht grossartig aus." sagt Gilbert, als er sich an die Tür des Badezimmers lehnt. Sie lächelt ihn durch den Spiegel an und legt die Schere auf die Theke, bevor sie die abgeschnittenen Haare in den Mülleimer legt.

Die beiden gehen zurück in die Küche und sie legt die Schere wieder in die Schublade, aus der sie sie genommen hat. Bevor einer von den beiden ein Wort sagen kann, unterbricht sie jemand.

"Gilbert, ist jemand hier?" Ein Mann kommt aus dem Schlafzimmer gestolpert. Er sah krank aus, schaffte es aber noch, Adelaide freundlich anzulächeln.

"Dad, du solltest  im Bett sein. Wo ist...", beginnt Gilbert und greift nach seinem Arm, um ihn zu stützen.

"Wer ist dieses schöne Mädchen, das wir in unserem Haus haben?" fragt Mr. Blythe.

"Ich heisse Adelaide King, Sir. Ich bin eine Freundin Ihres Sohnes, aus der Schule." Adelaide schüttelt seine Hand.

"King? Ich glaube ich kannte deinen Vater. Charles King, oder?"

"Ja ,Sir." antwortet Adelaide.

"Oh, früher in der Schule waren wir Freunde. Wie geht es ihm?"

"Naja, uh, er ist vor einem Jahr gestorben." sagt Adelaide mit einem Stirnrunzeln auf ihrem Gesicht. Gilbert erstarrt und blickt von seinem Vater auf sie, um sie anzusehen. Sie sieht ihm nicht in die Augen.

"Es tut mir leid, das zu hören, er war ein grossartiger Mann." Er hustet und legt seine Hand auf seine Brust.

Eine blondhaarige Frau kommt in die Küche und hilft Gilbert, seinen Vater in sein Zimmer zurückzubringen. Adelaide vermutete, dass sie eine Krankenschwester war.

Gilbert kommt zurück und sagt nichts zu ihr, starrt sie nur fragend an. Sie schaut nach untern und spürt, wie ihre Wangen heiss werden. Ihr Kopf springt wieder hoch, als sie sich an etwas erinnert.

"Oh, ich werde ermordet! Ich sollte meiner Mutter helfen, unsere Sachen zu verlegen." Sie gerät in Panik und zieht ihre Stiefel so schnell wie möglich an. Adelaide legt sich einen Schal um den Hals, um ihre Haare vor ihrer Mutter zu verstecken, und rennt zu der Haustür der Blythe's.

"Es tut mir leid, wenn ich unhöflich bin, Gilbert, aber ich muss gehen. Danke, dass ich vorbeikommen durfte, ich fühle mich jetzt wirklich besser. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!" Adelaide stürmt aus der Tür und schenkt ihm ein Lächeln, bevor sie schnell zu ihrem Haus rennt.

...

"Adelaide Marie King, ich habe dich vor Ewigkeiten zuhause erwartet!" schreit Alice ihre Tochter an, als sie schwer atmend die Eingangstür zuschlägt.

"Es tut mir leid, Mutter. Ich habe endlich einen richtigen Freund gefunden und habe die Zeit vergessen." versucht Adelaide zu erklären.

"Das ist keine Entschuldigung. Geh sofort in dein Zimmer und bring deine Kisten herunter. Mr.Monroe sollte bald mit einer Kutsche hier sein." Adelaide ballt wütend die Faust. Wie konnte ihre Mutter es wagen, so unhöflich zu ihr zu sein? Adelaide hatte das Gefühl, dass sie die Frau kaum noch kannte.

"Nein. Ich bin keine Puppe, die du herumwerfen kannst. Ich respektiere dich und du solltest mich genauso respektieren. Ich tue alles, um dir eine Freude zu machen, und du merkst nicht einmal, dass ich lebe, ausser, du brachst etwas, das getan werden muss." giftete Adelaide ihre Mutter an.

"Was hast du zu mir gesagt?" Alice war wütend.

"Ich werde die Kisten nicht-" Adelaide wurde durch einen starken schmerz von ihrer Mutter abgeschnitten, die sie ins Gesicht geschlagen hatte. Adelaide Hand flog nach oben, um ihre Wange zu berühren, und sie sah Alice King mit grossen Augen an.

"Adelaide, ich wollte nicht..." begann Alice, als ihr Tränen übers Gesicht liefen, als sie an ihr vorbei aus der Haustür rannte. Adelaide lief an Mr. Monroe vorbei und warf ihm keinen zweiten Blick zu, als sie an ihm vorbeiraste.

Sie rannte und rannte, und stoppte kein einziges Mal. Sie wusste nicht, wohin sie ging, aber sie wusste, dass sie niemals zurück wollte. Sie wollte dort bleiben, wo sie war, in einem grünen Wald. Es war perfekt dort, und die Bäume konnten sich nicht über sie lustig machen oder ihr ins Gesicht schlagen.

Als sie schliesslich stehen blieb, befand sich Adelaide vor dem Haus der Cuthbert's. Sie konnte sehen, wie Anne in der Nähe der Scheune mit Jerry sprach, und ging schnell zurück, sie wollte nicht, dass ihre Freundin sie in solch einem Zustand sieht. Aber es war zu spät. Anne hatte sie entdeckt.

"Adelaide, hallo!" Anne winkte ihr zu. Adelaide versuchte ihre Tränen von ihrem Gesicht zu wischen, aber Anne sah sie.

"Oh je, was ist mit deiner Wange passiert? Warum hast du geweint?" rief Anne aus. Jerry bemerkte, dass sie ein privates Gespräch führen mussten, und verschwand in der Scheune.

"Ich möchte nicht darüber reden, entschuldige, ich weiss nicht warum ich hier bin. Ich muss gehen." stotterte Adelaide. Anne wusste, dass ihre Gedanken momentan nicht am richtigen Ort waren.

"Lass Marilla uns etwas Tee machen und wir können uns unterhalten." sprach Anne beruhigend mit ihrer Freundin. Adelaide nickte schüchtern und wischte sich eine Träne weg, bevor Anne sie ins Haus führte.

Marilla machte den Mädchen Tee und machte sich nicht die Mühe, den entstehenden Bluterguss auf dem Gesicht der jungen Blondine zu hinterfragen. Adelaide erklärte Anne alles, was geschehen war, und Anne tröstete sie. Sie war in Häusern gewesen, wo Gewalt üblich war, also wusste sie, wie sich Adelaide fühlte.

"Ich weiss, dass sie nicht klar dachte, aber ich habe es satt, dass sie sich benimmt, als wäre ich ein Dienstmädchen, das sie immer zufrieden stellen muss.  Ich bin ihre Tochter, um Himmels willen!" schimpfte Adelaide und Anne nickte.

"Sie lag falsch. Wenn das jemals wieder passiert, müssen wir es einem Erwachsenen mitteilen. Es ist nicht richtig." sagte Anne und Adelaide stimmte demütig zu.

Bald ging Adelaide nach Hause und liess ihre Mutter wissen, dass sie zu Hause war, indem sie einen Apfel aus der Küche holte. In dieser Nacht schlief sie in der Scheune und am nächsten Morgen half sie Alice und Mr. Monroe beim Boxen tragen. Sie sprach nie ein Wort, was für sie zur Normalität wurde.

Das erste Mal, war Adelaide begeistert, am Montag in die Schule zu gehen.

wondrous (Gilbert Blythe fanfic) german translationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt