Überrascht öffnete sie die Augen, als die Sonne nicht länger auf ihrer Haut brannte. Was zum Teufel? Noch bevor sie etwas sagen konnte, hatte sich Hayden bereits neben sie auf die Decke gesetzt und lehnte sich ruhig zurück, wobei sein Blick unentwegt auf ihr lag. Hatte er sie verfolgt?
„Was machst du hier?" Er lächelte breit.
„Ich war joggen und habe dich zufällig entdeckt. Ich wohne hier um die Ecke." Lässig deutete er hinter sich auf die Innenstadt und die weit in den Himmel ragenden Hochhäuser.
„Hättest du nicht einfach weiterlaufen können?"
„Hätte ich tatsächlich tun können, habe ich jedoch nicht. Ich habe noch ein paar Dinge zu klären und wie könnte ich besser mit dir darüber sprechen als hier, wo du mir nicht so leicht entkommen kannst und deine Freundinnen dir nicht helfen können." Sie schluckte. Sie hatte keinerlei Interesse daran sich so früh am Morgen schon mit ihm auseinander zu setzen. Seit sich Donnerstag bestätigt hatte, dass er tatsächlich hier war, verging kein Tag an dem sie nicht mit ihm konfrontiert war. Mit ihm und somit mit ihrer Vergangenheit. Selbst eine Begegnung die Woche war bereits eine Begegnung zu viel, wenn man es ins Verhältnis ihrer Aufeinandertreffen der vergangenen Jahre setzte.
„Danke, aber ich habe kein Interesse."
„Mary, ich habe keine Lust länger um den heißen Brei herum zu reden. Ich würde dich gerne näher kennenlernen. Du kannst nicht leugnen, dass da etwas zwischen uns ist und ich habe es ehrlich gesagt auch langsam satt. Wenn du kein Interesse daran hast mit mir auszugehen und unsere Beziehung auszubauen, dann werde ich das akzeptieren. Gleichzeitig würde ich mir allerdings wünschen, dass wir wie zwei normale Menschen miteinander umgehen .. und wenn du magst, dann vergessen wir einfach was letzte Woche beinahe passiert wäre und fangen ganz von vorne an." Ungläubig musterte Mercedes ihn. Meinte er das wirklich ernst? Es war ein verlockendes Angebot. Er würde aufhören sie zu bedrängen und sie könnten gemeinsam mit Phoebe Zeit verbringen. Sie bezweifelte, dass er sie mit ihrem früheren Ich in Verbindung brachte. Vielleicht war das ihre Chance ihm zu beweisen, was für eine Frau aus ihr geworden war und würde eine gute, freundschaftliche Grundlage schaffen ehe sie ihm von ihrer gemeinsamen Vergangenheit erzählte.
„Du .. Meinst du das wirklich ernst?" Er verzog leicht das Gesicht, aber nickte. „Dann würde ich das Angebot annehmen. Ich habe ehrlich gesagt auch keine Lust mich ständig mit dir zu streiten."
Er lächelte etwas widerwillig, setzte sich dann gerade auf und reichte ihr seine große Hand. „Ich bin Hayden Carmichael und freue mich dich kennenzulernen."
„Merc... Mary. Freut mich ebenfalls." War das eine gute Idee? Sie hoffte, dass es eine gute Idee war. Denn wenn nicht, dann konnte sie jetzt auch nichts mehr ändern.
„Erzähl mir ein bisschen was von dir. Woher kommst du? Hast du Geschwister? Was studierst du und was sind deine Interessen?"
„Ich wohne hier seit meinem siebzehnten Lebensjahr, habe eine ältere Schwester und studiere Wirtschaft. Ich möchte nach meinem Abschluss in die Fußstapfen meines Vaters treten, Karriere machen und unser Familienunternehmen übernehmen." Er beobachtete sie aufmerksam.
„Was macht dein Vater?"
„Mein Vater ist in der Ölbranche tätig." Hoffentlich fragte er nicht nach dem Namen ihres Unternehmens, denn es war kein Geheimnis das Peter Richards zwei Töchter hatte und Hayden kannte ihren schnöseligen, abweisenden Vater. „Und du? Was machst du beruflich?"
„Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich habe bereits im Kleinkindesalter mit meinem Vater Basketball gespielt und bin ganz gut." Ganz gut? Das war wohl die Untertreibung des Jahrhunderts. Er war zu Highschoolzeiten bereits eine Bombe auf dem Spielfeld und sie bezweifelte nicht eine Sekunde, dass er seine Können noch weiter verbessert hatte. Unwillkürlich erinnerte sie sich an die dutzend Male, die sie auf der Tribüne gesessen, das Spiel verfolgt und ihn angefeuert hatte. Sie verstand nicht wirklich die Spielregeln, aber ihm dabei zuzusehen wie er geschickt den Ball zwischen den Beinen wandern ließ, bevor er zu einer Seite ausbrach und mit großen, schnellen Schritten über das Feld hechtete, um schließlich in die Höhe zu springen und einen Korb zu werfen, war einfach mitreißend und unglaublich beeindruckend gewesen. Außerdem hatte sie sein euphorisches, glückliches Gesicht nach einem erfolgreichen Spiel geliebt. Mit erhitztem Blick war er über das Spielfeld zu ihr gerannt, die Tribüne hinaufgestiegen und hatte ihr Gesicht mit beiden Händen für einen leidenschaftlichen Kuss umfangen.
„Mary?" Hayden hatte den Kopf schief gelegt und sah sie nachdenklich an. „Wo bist du denn mit deinen Gedanken?"
„Nicht so wichtig", keuchte sich, wobei sie sich verlegen auf die Innenseite ihrer Unterlippe biss.
„Kennst du dich mit Basketball aus?"
„Nicht wirklich. Ich habe früher auf der High School ein paar Spiele verfolgt. Ich .." Ihr Blick blieb an ihrer Uhr am Handgelenk hängen. Es war mittlerweile kurz vor neun Uhr. Sie war in einer Stunde mit Tylor zum Lernen verabredet. Wenn sie sich nicht verspäten und zuvor noch duschen wollte, dann sollte sie sich jetzt schleunigst auf den Weg zurück machen. „Tut mir leid, Hayden, aber ich bin zum Lernen verabredet und muss jetzt los."
„Wollen wir vielleicht später einen Kaffee trinken?", fragte er, während sie sich eilig die Schuhe anzog und von der Decke aufsprang, um diese zusammenzupacken. Hayden half ihr beim zusammenlegen der Decke und als sich ihre Hände für den Bruchteil einer Sekunden berührte, setzte ihr Herz einen Moment zu schlagen aus. Ihre Haut kribbelte und sie spürte wieder dieses flaue Gefühl im Magen, dass sie damals in seiner Nähe andauernd verspürt hatte.
„Ich denke nicht, dass ich heute noch einmal Zeit haben werde."
„Wie wäre es mit morgen?" Sie schüttelte den Kopf, schulterte ihren Rucksack auf und setzte sich ihre Cap wieder auf den Kopf, um die Sonne etwas abzuschirmen.
„Hab einen schönen Sonntag, Hayden." Sie lief eilig davon, bevor er ihr antworten konnte. Als sie den Park erreichte, hielt sie an und blickte zurück. Er war nirgends zu sehen und sie atmete tief durch. „Hoffentlich war das keine falsche Entscheidung."

UnverhofftWhere stories live. Discover now