Kapitel 20

15 1 0
                                    

Die kate Nachtluft pustete mir noch ein letztes Mal ins Gesicht, bevor ich mein Fenster hochfahren ließ. Nach dem gestrigen Tag machte ich mir kurze Notizen zu dem Fall Olivia und ging direkt danach schlafen. Ich hatte beschlossen, keine weiteren Überlegungen dem Verschwinden des Mädchens zu widmen. Somit saß ich um sechs Uhr an einem Samstag Morgen in meinem Auto und fuhr in Richtung Krankenhaus. Victoria wurde mit noch erkennbaren Operationsnarben entlassen und ich beschloss sie abzuholen. Ich wusste, dass mich Victorias Eltern darum bitten würden, da sie jeden Samstag ein Meeting hatten und deswegen ihre Tochter nicht abholen konnten. Zudem glaube ich auch, dass Victoria die Zeit jetzt lieber mit mir verbringen würde. Ich konzentrierte mich nur auf das Wiedertreffen und blendete alle anderen unpassenden Gedanken aus. Mit guter Laune trat ich etwas stärker auf das Gaspedal und hörte wie der Motor beschleunigte. Die Anfangsmelodie des Songs Smithereens von Twenty One Pilots tönte aus den Lautsprechern und war wirklich die Kirsche auf der Sahnetorte.

Als ich die Autotür mit einem Schwung zuwarf, lauschte ich der plötzlichen Stille und das Krächzen und Quietschen hallte in meinen Ohren nach. Vielleicht war es auch mal an der Zeit die Türen nach zu ölen... Ich hatte die nötige Pflege des Autos total aus den Augen verloren und fühlte mich plötzlich schlecht, da ich es so vernachlässigt habe. Es würde Dad bestimmt nicht gefallen, wie ich mit den Sachen von Mom umging, doch mit meinem Gewissen musste ich jetzt leben. Als ich durch die Tür trat wirkte es so, als ob ich eine komplett neue Welt betreten hatte. Es war im Gegensatz zu draußen viel lauter und belebter. Die Licher waren so hell, dass ich zuerst paar Mal blinzeln musste. Ruhige und aufgebrachte Stimmen füllten die Gänge und der Geruch von Desinfektionsmittel ließ mich meine Nase rümpfen. Ich wollte entschlossen zu Victorias Zimmer laufen, bis mir eine verwirrte, alte Dame entgegenkam und mich etwas fragte. Ich schaute sie etwas verwirrt an und zeigte ihr mit einer Geste, dass ich sie nicht verstanden hatte. Doch als sie mich nur anlächelte und den Abstand zu meinem Gesicht verringerte, konnte ich verstehen was sie zu sagen hatte: ,,Mein Beileid. Es war nicht deine Schuld. Es war ein Unfall." "Es...es tut mir leid. Sie müssen mich verwechselt haben." meinte ich gedankenverloren und versuchte den Weg zu der Rezeption einzuschlagen. Bevor ich verarbeiten konnte, was die Frau mit ihren Worten meinte, sah ich aus meinem Augenwinkel wie sie ihren Kopf schüttelte und mit ihrem Gehstock weiterging. Eine hektische Bewegung gegenüber von mir zog meine Aufmerksamkeit auf sich und ich konnte meine beste Freundin erkennen, welche mir vom Ende des Ganges erleichtert zuwinkte. Mit einem Lächeln im Gesicht liefen wir beide uns gegenseitig in die Arme. Es war wie ein Zusammentreffen von sehr guten Internetfreunden, die sich zum ersten Mal in der Realität in irgendeinem Flughafen sahen. Es war aufregend und erleichternd Victoria wieder an meiner Seite zu haben. "Hast du all deine Sachen?" fragte ich sie und schaute auf ihre kleine Louis-Vuitton-Reisetasche, welche sie mit ihren blassen Fingern umklammert hielt.

"Ja...habe alles. Sogar die Entlassungspapiere wurden schon unterschrieben" antwortete sie entschlossen. An dem Ton ihrer Stimme konnte man erkennen, dass sie erleichtert war aus diesen vier weißen Wänden entlassen worden zu sein. Um nocheinmal sicher zu sein, reichte ich ihr meinen Arm, um sich an ihm als Stütze festzuhalten, doch sie schüttelte nur ihren Kopf und meinte: ,,Das krieg' ich schon hin." Erst als wir die Türschwelle zur weiten und gefährlichen Welt überschritten hatten, fiel mir auf, wie viel heller es bereits geworden war. Der Himmel war wolkenlos und ließ die noch vom gestrigen Regen graue Welt nicht ganz so grau erscheinen. Als wir im Auto saßen und ich gerade den Autoschlüssel umdrehen wollte, fragte Victoria: ,,Was wollte die Frau eigentlich von dir?" Und legte ihren Kopf schief. Ich blickte sie von der Seite an und antwortete :"Eh..um ehrlich zu sein: Ich weiß es selber nicht" und zog meine Augenbrauen kurz entschuldigend nach oben, bis ich meinen Blick wieder auf den Parkplatz vor mir richtete. Während der Autofahrt blieb es nicht still, da ich meine beste Freundin wieder auf den neusten Stand bringen musste. Ich erzählte ihr von Olivia, der Band und den vielen neuen Schülern. Ju ließ ich vorsichtshalber noch raus und würde sie ein anderes Mal über ihren Aufenthalt im Krankenhaus fragen. Anschließend hatte ich vor, ihr den Dachboden und den Zeitungsartikel zu zeigen. Möglicherweise wusste sie noch irgendwas.
Als ich gerade in unsere Einfahrt fahren wollte um zu parken, erkannte ich das dunkelblaue Auto meines Dads. Ich schaute verwundert zu Victoria, welche aber nur mit ihren Schultern zuckte. Nach fünf Minuten Parkplatzsuche konnte ich drei Häuser weiter eine Parklücke, die für mein Auto breit genug war, finden.
Warum wird dieses ernste Gesellschaftsproblem denn nie angesprochen? Einen Parkplatz zu finden, kann wirklich eine Qual und Zeitverschwendung sein. Als ich gerade den Schlüssel in dem Türschloss umdrehen wollte, wurde die Eingangstür von innen aufgerissen und ich erschrak. ,,Opa?" Kam aus meinem Mund geschossen.
Ohhh dammit! Ich hatte das total vergessen...
Mit der Situation überfordert, blickte ich von Victoria zu meinem Opa und wieder zu Victoria bis ich Worte fand, welche keine allzu schräge Erklärung finden konnten. ,,Ich habe Victoria abgeholt und es dauerte etwas im Krankenhaus..Aber jetzt bin ich hier. Schön dich zu sehen. Wo ist Dad?"
Ich grinste und lief nach einer leichten Umarmung direkt in Richtung Dachboden aka den Proberaum. Auf dem Weg konnte ich meinen Vater im Augenwinkel erkennen und rief ihm folgendes hinterher: ,,Nächstes Mal brauche ich ein bisschen mehr Platz um zu parken. Danke. Und am besten vor dem Haus."
Als Victoria den Raum betrat, konnte ich einen Funken Stolz in ihren Augen aufblitzen sehen. Man sollte meine Einrichgungsskills eben nicht unterschätzen, dachte ich innerlich grinsend und drehte mich mit ausgebreiteten Armen im Kreis und zeigte auf die einzelnen Bestandteile des Raumes. ,,Wow. Das ..das sieht ja einfach perfekt aus! Ich muss sagen, das hast du ohne mich sehr gut hinbekommen" sagte sie lachend und zwinkerte mir zu.
,,Wir...wir brauchen eindeutig eine Couch" fügte sie noch schnell hinzu, als sie sich hektisch umsah.
Ich lief zu meiner Pinnwand, welche derzeit noch auf meinem Schreibtisch lag, da ich noch keinen schlauen Weg gefunden hatte diese auf eine schräge Wand aufzuhängen, und sortierte den Zeitungsartikel auf die rechte Seite. Bis ich stockte. Irgendwas ist anders. Doch ich hatte alles so zurückgelassen... und Dad würde hier nicht freiwillig reinkommen. Diese Mengen an Staub wären ihm dann doch zu dicht für seine Allergiker-Schleimhäute. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen alles 100% sauber zu bekommen.
Da ich trotzdem nochmal Sicher gehen wollte, ob Dad nicht wirklich meine Sachen, aus welchem Grund auch immmer, verschoben hatte, ging ich in die Küche um uns beiden was zu trinken zu holen.
Als ich von der Küche ins Wohnzimmer blickte konnte ich meinen Großvater vor dem Fehrnseher sitzen sehen. Neben ihm lag seine Tasche welche er immer mitnahm um mir seine Jagd-Waffen vorzustellen. Doch die Tasche lag auf einem dünnen Buch welches meine Aufmerksamkeit auf sich zog, da ich es kannte. Und gerade suchte.
Was hat das Jahrbuch, welches oben sein sollte, unter der Tasche meines Großvaters zu suchen?

DIVINE DESTINYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt