1.Kapitel-Raus aus der Hölle

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1.Kapitel. Raus aus der Hölle

Gelangweilt schaute ich aus dem Fenster und beobachtete die Tropfen wie sie gegen die Fensterscheibe meines Zimmers klopften. Ein unerlässliches Tock, tock, tock. Wie immer in solchen Momenten unterdrückte ich den Drang aufzustehen und nach draußen zu starren, immer in der Hoffnung in der Ferne den wilden dunkelhaarigen Haarschopf meiner Tante zu entdecken.

Krampfhaft versuchte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Zeilen vor mir zu richten. Es war eine Abhandlung über irgendeinen dämlichen Zaubertrank, den ich ja sowieso nicht ausprobieren konnte. Wozu also das ganze Gelerne? Tag für Tag, Woche für Woche, Jahr für Jahr prägte ich mir Geschichten, Zaubersprüche, Angriffszauber, Beschwörungen und Zaubertränke ein, obwohl ich selten die Gelegenheit hatte Sprüche in der Praxis zu üben und bei Zaubertränken schon gleich gar nicht.

Seufzend versuchte ich mich wieder zu konzentrieren. All dieses Warten. Ich hatte den Überblick über die Jahre, welche ich hier schon verbracht längst verloren. Jeder Tag in diesem Waisenhaus ein Kampf, ein Kampf nicht aufzugeben sondern weiterhin Bellas Anweisungen zu befolgen und auf sie zu warten. Ich war mit Sicherheit schon zu alt, um noch hier zu sein, in meinen Büchern vergraben. Doch äußerlich könnte ich wohl noch ein paar Jährchen jünger durchgehen und wer wusste schon das sichere Alter eines Kindes, wenn es in so einer Einrichtung eintraf. Niemand hier hatte jemals Fragen gestellt. Wieso auch, es gab dutzende Kinder wie mich, alleine, auf sich gestellt, von den Familien verstoßen.

Ein heftiges Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken: „Riddle, es gibt Abendessen, versuch wenigstens einmal pünktlich zu sein!" Die strenge Stimme meiner Heimleiterin knallte wie ein Peitschenhieb durch den Raum und Ruckartig verfrachtete ich mein Buch in den doppelten Boden meiner Schreibtischschublade.

„Ich komme Miss Meyer.", ich straffte die Schultern und verließ hoch erhobenen Hauptes mein Zimmer.

Die heruntergekommenen Gänge meines sogenannten „Zu Hauses" waren schon bis auf einige wenige Jugendliche verlassen. Die Farbe blätterte von den Wänden und die Petroleum Lichter tauchten alles in ein weißes steriles Licht.

Das Abendessen ließ ich wie jeden Abend vollkommen emotionslos über mich ergehen. Das tägliche Gebet von Miss Meyer, das ungenießbare was auch immer es war und das Geschnatter meiner Mitinsassinen. Ich rührte durch die graue Masse hindurch und ließ schlussendlich den Löffel sinken, ich hatte wirklich keine Lust mehr auf dieses Zeug.

Wortlos wollte ich meinen Teller wegstellen und in mein Zimmer verschwinden, aber ich hatte meinen Plan wohl ohne Miss Meyer gemacht: „Riddle wo gehen sie hin?"

Emotionslos drehte ich ihr den Kopf zu: „In mein Zimmer, oder ist das jetzt verboten?"

Miss Meyers Lippen bildeten einen dünnen Strich und der Ärger schien ihr förmlich aus dem Gesicht zu springen. „Das denke ich nicht Riddle. Sie bleiben nach dem Essen noch zurück."

Verkniffen nickte ich und ließ mich zurück auf eine der Bänke sinken. Wie ich diese Frau hasste, sie hatte mir mein Leben hier zur Hölle gemacht. Ich spürte bei ihrem bloßen Anblick schon die Hitze durch meine Adern fließen. Alle Schmerzen die sie mir zugefügt hatte als ich ein Kind war und wehrlos. Nicht weil ich sonderlich mehr falsch gemacht hätte, als die anderen Kinder des Heims. Nein, eher weil ich anders war, ich machte ihr Angst. Die Dinge die geschahen wenn ich meine Magie nicht unter Kontrolle hatte, mein Verhalten das nie dem eines Kindes geglichen hatte und meine Augen, die sie ohne Angst ihren Blicken stellten.

Starr saß ich da und wartete ab bis alle Kinder den Speisesaal verlassen hatten. Keiner meiner Muskel bewegte sich, ich zuckte nicht, zitterte nicht und gab keinen Laut von mir bis ich mit Miss Meyer alleine war.

Mit hoch erhobenem Kopf baute sich die hagere Frau vor mir auf, ihre Augen blitzten und sie versprühte eine Autorität die mich auch jetzt, als Erwachsene Frau aus irgendwelchen Gründen noch einschüchtern konnte.

„So miss Riddle, sie sind sich ihres Fehlverhaltens bewusst denke ich!", ihre kalten braunen Augen schienen mich an meinem Platz zu fixieren.

„Natürlich!", meine Stimme war nur ein leises Zischen.

„Dann los!", ihr knochiger Finger deutete auf die große Küche und mit den Händen zu Fäusten geballt macht ich mich an die Arbeit den riesigen Raum von unten bis oben zu schrubben. Das würde eine Lange Nacht werden.

...

Ich war erst vor wenigen Stunden in den Schlaf gesunken, als ich auch schon wieder aufschreckte. Ich hatte etwas gehört, ein Knarzen, direkt vor meiner Tür, welches ich nicht zu zuordnen vermochte. Die Sperrstunde hatte schon vor Stunden angefangen und kein Bewohner des Waisenhauses würde es auch nur ansatzweise wagen Miss Meyers Regeln zu brechen.

Leise wie eine Schlange schwang ich meine Beine aus dem Bett und stellte meine nackten Füße auf den kalten Boden. Den Zauberstab in der Hand stand ich da, jeder Muskel meines Körpers war bis zum Zerreißen angespannt, mein Blick direkt auf die Tür gerichtet.

Das Knarzen kam näher und näher und mit jedem Geräusch umklammerte meine Hand den Zauberstab noch fester.

Langsam, wie in Zeitlupe drehte sich der Schlüssel im Schloss und im nächsten Moment sah ich nur noch in grelles Licht. Ich kniff die Augen zusammen, um zumindest ein wenig zu sehen, aber erst nach einigen Augenblicken erkannte ich die Gesichter hinter dem leuchtenden Zauberstab.

Ich konnte es nicht glauben. Spielte mir meine Wahrnehmung hier etwa einen Streich? Oder war das ganze wirklich kein Traum? Feurige schwarze Augen und ein Haarschopf von wilden schwarzen Locken starrten mir entgegen.

„Bella?", mit zusammengekniffenen Augen starrte ich sie an, „wie kann ich sicher sein das du es wirklich bist?"

Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem schrägen grinsen, während hinter ihr eine weitere zischende Stimmer ertönte: „Sie ist ein kluges Kind!" Ich konnte die Stimme nicht zuordnen, noch konnte ich die Person in der Dunkelheit erkennen... „Ich bin kein Kind und ich will jetzt meine Antwort!!", zischte ich zurück, die Lippen zu einer schmalen Linie verzogen.

„Als du 4 Jahre alt warst musstest du unbedingt einen Unverzeihlichen Fluch ausprobieren, also habe ich dir ein Spinne gebracht, du hasst spinnen und du hast sie gequält bis sie nicht mehr gezuckt hat!", mein Tante grinste mich an und ich nickte... sie war es also. Endlich erlaubte ich auch mir ein Lächeln und ging langsam auf sie zu, „Du bist gekommen..."

„Ich hatte es doch versprochen!"

In diesem Moment wusste ich wirklich nicht ob ich weinen oder schreien sollte. Ich hatte solange auf diesen Moment gewartet, Jahre, Jahre des Leids und der Langweile. „Ich hatte fast aufgehört daran zu glauben.", stellte ich nüchtern fest, bevor ich anfing meine Sachen zu packen. Ich würde keine Zeit mehr an diesem Ort verschwenden. Meine wenigen Besitztümer, hauptsächlich Bücher, sowie ein Bild von Bella und meiner Mutter wanderten in eine kleine Umhängetasche. Bereit zu gehen warf ich mir einen schwarzen Mantel um und sah Bella entschlossen an:"Bereit?"

„Eine Sache ist da noch. Ich bin nicht alleine gekommen..", Bella trat beiseite und gab den Türrahmen für eine weitere Person frei, welche...deutlich größer als ich und meine Tante zwängte sich in mein kleines Zimmer hinein.

Das erste was ich erblickte war bleiche Haut und ein langer schwarzer Umhang. Ein Gesicht glatt und schmal wie das einer Schlange. Zum Schluss zwei stechende rote Augen, welche mich auf eine intensive Weise direkt fixierten.

Es war kein weiteres Wort nötig, ich wusste genau wer hier vor mir stand.

„Vater?"

„Meine Tochter!"

Seine Tochter Where stories live. Discover now