Verloren

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Einige Minuten mussten wohl Vergangenheit. Oder war es etwa eine Stunde?
In jedem Fall redete Orga ununterbrochen davon was er so erlebt hatte und man hatte Mühe ihm zu Folgen, denn Müdigkeit schien sich auf meine Augen zu legen. Ich wagte innerlich zu bezweifeln, ihn jemals so gesprächig erlebt zu haben. Mein Innerstes wollte gar nicht wissen, wie die anderen nun unter dem neuen Gildemeister waren. Gut, das war wohl etwas verwirrend formuliert. Ich meinte, wie sie unter der Führung von Sting Eucliffe ihren Charakter ändern würden. Hoffentlich nicht in das Negative. Doch wenn man es genau betrachtete, konnte man es doch nicht glauben. Bis jetzt lief alles gut.
Orga war halt Orga. Er sang gerne und schief. So schnell würde sich das nicht sofort ändern. Vielleicht sogar eher verschlimmern. Tief atmete ich durch und zuckte zusammen als er noch lauter von deinem Abentuer erzählte.
„Einer hat sich wohl eingefunden. Jetzt fehlen nur noch drei.", rechnete ich leise im Anschluss nach und aus Gewohnheit verstellte ich meine Stimme. Der Riese schien nicht wirklich mitbekommen zu haben, dass man kurz sein Selbst preis gab. Vielleicht lag es aber auch daran, dass er nicht so clever war, wie die anderen der Truppe. Zumindest machte er für mich einen solchen Eindruck. Aber unterschätzen sollte man ihn vielleicht aber nicht.
Wiederum wurde wieder tief durchgeatmet und zu Sting geschaut. Jener grinste einfach weiter, als ob nichts vorgefallen war und klopfte mir stark auf die Schulter, was mich aufstöhnen lies. Wohl oder übel dachte ich darüber nach, seinen Ratschlag bezüglich meiner Essgewohnheiten vielleicht doch anzunehmen. Durch meine Dürre tat seine Gestik gegenüber mir schon etwas weh.
Orga sah zu mir runter und grinste. Durch seine fehlenden Augenbrauen war es beinahe schon gruselig. Selbst Laxus hatte er diesbezüglich übertrumpft. Unsicher hob ich eine Augenbraue und verlangte innerlich zu wissen, was er denn von mir wollte. Es war mir sichtlich unangenehm vor so einer großen Person zu stehen, wo man doch selbst ein Häufchen von Elend war. Klein, gebrechlich, fahl und zerzaust. Würde Sting sein Vorhaben wahr machen, hatte er mit hoher Wahrscheinlichkeit viel zu tun. Ohne weitere Wörter gingen wir weiter durch den Weg, entlang an einer Art Pfad.
Doch nun hörte ich etwas Zwitschern. Da ich inzwischen hinter der kleinen Gruppe von zwei Männern und einem Exceed lief, ging ich wie von einer fremden Macht gesteuert in eine völlig andere Richtung. Zwar war ich im Besitz meiner geistigen Kräfte, doch mein Körper wollte mit einfach nicht mehr gehorchen. Wer oder was besaß nur eine solche Kraft?
Das Singen des Vogels war so lieblich, man musste ihm einfach folgen. Ich sah mich dann auch neugierig um, die Umgebung wurde mir der Zeit immer karger. In mir kam die Frage auf, wie lange ich so gedankenlos herlief. Ich hatte völlig die Zeit aus dem Sinn verloren. Nach einiger Zeit konnte ich mich wieder etwas freier bewegen. Ein Nebelschwaden zog auf der in verschiedenen Farben schimmerte. In jenem Moment fragte ich mich, wie Edolas ohne Magie wohl aussehen mochte. Hier strotzte die Magie nur ungemein.
Langsam schritt ich weiter und betrachtete die Umgebung weiter. Die Felsen wiesen merkwürdige Zeichen auf, welche bläulich glühten. Dann blieb ich stehen. Vor mir tat sich ein scheinbar von Menschenhand erschaffene Steinstatue welcher weder einem humanoidem Wesen, noch einem Tier glich. Ein Flüstern machte sich in meinem Ohr laut und meine Gedanken rotierten.
Ich fragte mich wie es dazu kam, dass so etwas von magischer Herkunft hier aufzufinden war. Versteckte die Welt etwas? Gab es vielleicht eine Zeit in der Magie hier allgegenwärtig war und versiegte? Ob das Eclipse-Tor mit den Jahren soviel Macht ansammelte, das dieses Schauspiel erwachte?
Ich schüttelte meinen Kopf, denn man wagte zu bezweifeln, dass solche Fantasien wahr seien. Doch war es einfach zu kurios. Es waren zu viele Mysterien offen.
Meine Neugier war geweckt und ich streckte ich meine Hand nach diesen Stein aus, um mit dem Zeigefinger die Zeichen nachzuführen. Doch als ich er schließlich von mir berührt wurde, drang ein ohrenbetäubender schriller Krach an meine Ohren, welche ich dann schnell zuhielt. Der Stein zerbrach in viele Teile.
Ich wollte schreien und um Hilfe flehen. Es brachte jedoch nichts sich die Ohren zuzuhalten, denn der Schrei durchdrang wohl nicht mein Gehör, sondern meinen Kopf. Ein Gefühl der Kraftlosigkeit machte sich breit und es dauerte sicher lang, bis ich wieder zu Kräften kam. Ich war wie gelähmt.
Man fluchte im Inneren, weil man es gewagt hatte sich von der Gruppe zu entfernen. Doch war es letztendlich meine Schuld? Ich hütete mich mit diesem Gedanken. Meine Neugier war schuld. Ich war schuld.
Tief atmete man ein und schloss demnach auch einmal fest die Augen.
„Ramia!", schrie jemand durch den Wald. Es klang beinahe verzweifelt oder gar besorgt. Mein Gehirn konnte die Stimme nicht einmal zuordnen. Die Lähmung war noch nicht völlig entschwunden. Ich wollte „Hier!" schreien, doch mein Mund öffnete sich nicht. Obwohl mich auch eine Panik überkam, pochte mein Herz nicht schnell. Was war da nur passiert? Warum war ich unfähig mich zu bewegen?
Mit letzter Kraft schaffte ich es, wenn auch stark verlangsamt meinen Zeigefinger in die Richtung des Steines zu bewegen. Wenn man mich jemals finden sollte, so sollte mein Tun einen Hinweis geben.


* * * * *

Stings Sicht:


Nichts ahnend schritten wir gemeinsam in eine für uns unbekannte Richtung. Ein wenig dachte ich nach, ob ich zu der kleinen Braunhaarigen nicht gemein war. Ich hatte nicht wirklich Ahnung von Frauen, die sich als Männer ausgaben. Aber wenn man es so recht bedachte, sah ich darin eine Mission. Eher eine Nebenmission, denn zu aller erst stand dieser Mystogan im Vordergrund.
„Sting-kun? Wo ist Ramia?", fragte mich Lector, nachdem er zu mir flog und es sich in meine Arme setzte. Etwas verwirrt schaute ich mich um und tatsächlich. Sie war weg! Meine Kinnlade stürzte zu Boden. Sie war gut mit Natsu-san befreundet und dieser würde mir mit Sicherheit den Arsch aufreißen!
Ich raufte mir die Haare. Nicht nur das. Auch noch war sie keine schlechte Heilerin, auch wenn sie es sich immer einredete nicht zu sein. Ansonsten hätte ihr Vater mit Sicherheit nicht länger gelebt mit ihrer Hilfe. ihrer Magie. Mein Herz rutschte in die Hose und ich schaute hilfesuchend zu Orga hinauf. Dieser sah mich vollkommen haltlos an. Noch nie hatte er mich so verzweifelt gesehen. Zu meinem Pech traten dann auch noch unsere drei anderen Gruppenmitglieder hinzu und das Chaos war perfekt. Doch bevor es noch dazu kommen sollte setzte ich schnell mein Pokerface auf. Man musste doch als Master der Gilde sein Gesicht wahren!
Kurz warf ich einen mahnenden Blick zum God Slayer und dieser verstand auf wundersamer Weise, was ich damit erreichen wollte.
„Ich erinnere mich, das hier noch jemand war...", murmelte Rufus vor sich hin.
„Das Brathähnchen fehlt!", warf ich schnell und lautstark ein. Kurz hatte ich also doch die Fassung verloren, denn jeder sah mich jetzt verwirrt an. Ich sagte erst einmal gar nichts mehr, bis Yukino mich rettete.
„Wo habt ihr drei sie eigentlich zuletzt gesehen?", fragte sie herum, doch keiner von uns konnte es so genau sagen. Etwas geistesabwesend sah ich auf meinen Partner, welche noch seine Flügel ausgebreitet hatte. Dann kam mir die Idee!
„Lector, halt Ausschau von oben. Flieg den Weg so gut es geht ab.", bat ich ihn und schaute auch ernst drein. Der Kleine nickte entschlossen und flog gleich darauf los. Man konnte nur hoffen, dass dem Mädchen nichts passiert war. Ich fühlte mich schuldig, nachdem was vor ein paar Jahren zwischen uns vorgefallen war und mit Sicherheit würde sie nicht einfach so einwilligen, wieder in unsere Gilde zu kommen. Ich erwartete es auch nicht, aber nun war sie Teil meines Teams und ich der Anführer. Ich hatte die Pflicht das Team zu beschützen.
Einen Moment schaute ich dem kleinen nach. Dann richtete ich meinen Blick auf die kleine Truppe vor mir.
„Wir können nichts Anderes tun als warten, oder?", entgegnete mir Rouge, der wohl wusste wie mein improvisierter Plan war. Ich nickte stumm. Mein Partner war im Moment der Einzige, auf dem alle Hoffnung lag. Frosch war zu seiner eigenen Sicherheit in unserer Welt geblieben. Jetzt hieß es wirklich nur noch warten und es kam mir vor als würde es eine Ewigkeit dauern.

„Sting-kuuun!", rief es dann endlich aus heiterem Himmel und meine Augen richteten sich zum Himmel. Etwas kam auf uns zu und hatte einen Affenzahn drauf. Der kleine Exceed flog wie von Hornissen gestochen und konnte gar nicht schnell genug abbremsen, so dass ich seinen Flug stoppen musste. Natürlich fiel ich durch die Geschwindigkeit unsanft zu Boden und musste dabei schmerzlich ächzen. Nach einigen Sekunden rappelte ich mich mit Lector auf und saß nun auf dem Boden. Dabei nahm ich ich sanft in meine Arme, so dass es für uns beide nicht unangenehm war.
„Was ist passiert? Hast du sie gefunden? Geht es dir gut?", stellte ich Fragen, die der Exceed erst einmal verarbeiten musste. In diesem Moment waren es eventuell für ihn zu viele auf einem Schlag. Gezwungen geduldig wartete ich während er sich sich beruhigte. Meine Vorahnung lies nichts Gutes zu und innerlich war ich schon bei der Szene wie mir Fairy Tail den Marsch blasen würde.
„Schlimmes...! Ja.... Mir geht es gut!", kam es etwas kraftlos aus dem Mund des kleinen Roten. Mit scheinbar letzter Kraft raffte er sich auf. Ich aber bestand ohne Worte darauf, dass er sich jetzt ausruhen sollte.
„Wo ist sie?", erfragte ich ruhig und versuchte dabei die Spur der Sorge zu unterdrücken. Ob es mir gelang war eine unwichtige Frage. In diesem Augenblick zählte nur eines: Die Sicherheit von Ramia.

Nach einer kurzen Weile, flog Lector auch ohne Worte zu gebrauchen los. Ich wies meine Gildenmitglieder an mir zu folgen. Was sie natürlich auch taten. Während ich hinter dem Kleinen, welcher in der Luft eiligst umherflog, rennend folgte und nach Ramias Namen schreiend mahlte ich mir aus, wie es um sie stand. War sie vielleicht verletzt oder schlimmeres? Gar nicht mehr am Leben? Letzteres hoffte ich, sollte einfach nicht wahr sein. In dieser Welt hatte ich nicht erwartet auf soviel Magie zu stoßen. Wo doch das Gerücht umging, es sei eine ursprünglich magielose Welt. Meines Instinkts nach machte gerade Diese etwas gefährliches mit Edolas. Hier stimmte etwas ganz gewaltig nicht. Ich wusste nicht wie dieses Universum vor der jetzigen arkanen Macht war, doch hier spielte alles völlig aus dem Ruder und schien geradezu ein Eigenleben zu entwickeln.

Wir rannten weiter bis meine Füße beinahe ermüdeten. Ihr Name drang durch die Baumkronen und lies des öfteren Vögel aufscheuchen. Waren wir etwa so weit gekommen? Oder war Ramia so weit vom Pfad weitergewandert von unserem Eigentlichen? Warum konnte ich ihren Geruch nicht wahrnehmen? Hier war eindeutig etwas faul!
Durch das dicht bewaldete Gebiet kamen wir an einer kargen Lichtung an welche mit einem glitzerndem Nebenschwaden durchzogen war. Dort lag sie. Das braunhaarige magere Ding inmitten von Geröllhaufen und zitterte, was in mir den beschützenden Drachen aufkommen lies. Mit einigen Sätzen hastete ich schnell zu ihr und nahm sie in den Arm. In ihren weit aufgerissenen Augen stand die Angst und scheinbar war sie nicht in der Verfassung mich ansehen zu können. Sie zeigte auf etwas, doch das war mir im Moment unwichtig.
„Ramia!", sagte ich laut und endlich rührte sich der Blick leicht zu mir. Ihr Atem war unkontrolliert, aber das Zittern lies mit jeder Sekunde mehr und mehr nach. Was war nur passiert? Endlich traten sie anderen auch dazu und ein weiterer Schatten tauchte nun neben uns auf. Als ich aufsah schaute ich in das etwas wütende Gesicht eines Rosahaarigen. Wobei „etwas" nicht das richtige Wort war. Er sah zu Riam und dann wieder zu mir. Zu meinem Erstaunen blieb er gezwungenermaßen ruhig, währen eine weitere Person neben ihn trat. Edo-Lucy. Nun waren die Braunhaarige und ich im Schatten. Ein unheimliches Bild.
„Was ist hier passiert?", wollte der Dragon Slayer wissen und ich meinte in seiner Stimme ein animalischen Graulen gehört zu haben. Riam rührte sich ein wenig in meinen Armen und schien zu Kräften zu kommen. Dennoch machte ich mir weiterhin erhebliche Sorgen. Ich fühlte mich für sie verantwortlich. Das Mädchen in meinen Armen gewann immer mehr an Kraft, dennoch griff sie schwächlich in meinen Fellkragen. Sanft nahm ich sie auf meine Arme und stand auf. Mit einem ehrlichen Blick schaute ich Natsu an.
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie so aufgefunden.", entgegnete ich ihm ebenso ehrlich. Ein schnauben ertönte von seiner Seite. Man musste nicht raten, um zu wissen dass er ganz und gar nicht begeistert war.
„St...ein... Schrei... es schmerzt...", kam es schwach aus Riams Mund und ich schaute sie besorgt an.
„Bringen wir sie in die Stadt... meine Nackenhaare stehen mir zu Berge.", murrte die Blonde und winkte die anderen, sowie mich zu sich.

Während wir ihr folgten , scheute ich hin und wieder zur mageren Gestalt in meinen Armen. In diesem falle war es angenehm sie zu tragen. Der Singvogel war federleicht, aber garantiert war das auf Dauer nicht gesund. Wie ich sie so genauer betrachtete, war sie vor wohl vor Erschöpfung eingeschlafen. Ihr Gesicht war recht hübsch, wenn man von den eingefallenen Wangen und gewaltigen Augenringen absah. Auch ihre Narbe machte da keinen Strich durch. Allerdings hatte ich nicht in Erinnerung, dass sie jemals eine hatte, welche sichtbar war.
Im Allgemeinen war ich sehr darauf aus zu wissen, was in den letzten zwei Jahren mit ihr passierte und warum sie so geworden war. Doch zuerst war es an mir, sie in Sicherheit zu bringen.

Flügelschlag des PhönixWhere stories live. Discover now