Kapitel 12

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Ich beschloss einfach, so zu tun, als hätte ich nichts gehört und versuchte dem Lehrer vorne zuzuhören. Leichter gesagt als getan. Seine Worte schwirrten immernoch in meinem Kopf herum. Ich wusste nicht auf was er hinaus wollte. Ich wusste es beim besten Willen nicht. Was meinte er nur damit? Ok, eigentlich war es nicht schwer es zu verstehen., aber ich wollte einfach meinen Ohren nicht trauen. Plötzlich fühlte ich einen Schmerz an meinem linken Schienbein.
"Au", flüsterte ich leise und rieb mir reflexartig die schmerzende Stelle. Dabei funkelte ich Leon böse an, doch dieser deutete mir mit seinem Augenkontakt an, dass der Lehrer was von mir wollte.
"Ms. Adams. Können sie meine Frage beantworten?"
Verdammt. Natürlich konnte ich das nicht. Ich hatte noch nicht einmal zugehört. Innerlich beschimpfte ich mich selber. Leon schrieb schnell unauffällig etwas auf seinen Block.
Die Antwort: zuerst Nullstellen erraten, dann Polynomdivision und dann umformen.
Der Lehrer hob seine Augenbrauen und schaute mich abwartend an.
"E..Ehm... Ja. Zuerst erratet man die Nullstellen. In diesem Fall..."
Ich schaute mir die Aufgabe an.
"...5 und dann führt man die Polynomdivision durch und am Ende formt man das dann noch in die richtige Form um."
Ich atmete auf, als der Lehrer nickte und sich dann wieder der Tafel zuwendete und irgendetwas erklärte. Ich drehte mich währenddessen zu Leon um.
"Danke", flüsterte ich ihm zu.
"Gerne", entgegnete er genaus so leise.
"Du schuldest mir aber etwas."
Diesmal grinsete er bei seiner Antwort. Ich riss meine Augen auf. Ich habe mich doch schon bedankt. Als hätte er meine Gedanken gelesen, antwortete er: "Ein Danke zählt bei mir nicht." und zwinkerte mir zu.
Ich verdrehte meine Augen, denn verneinen konnte ich jetzt nicht. Immerhin hat er mich gerade vor einer Strafaufgabe gerettet. Zur Antwort gab ich ein kleines 'Ok' von mir und wandte mich wieder dem Unterricht zu. Ich wollte Leon nicht noch ein zweites Mal etwas schulden. Auch wenn ich es nicht zugeben will, aber ich musste dabei lächeln. Ich fragte mich, was Leon sich ausgedacht hat.
Nach 6 Stunden Stunden Unterricht war Mittagspause. Ich setzte mich wie immer auf die Bank im Pausenhof. Auf dieselbe wie vor 3 Wochen, wo ich Skylar und ihre Freundin beobachtet habe.
Ich war in Gedanken immernoch bei heute Vormittag, bis sich jemand neben mich hinsetzte. Ich schaute verwundert neben mich und sah Leon. Eigentlich hätte ich es wissen müssen. "Die Freude ist ganz meinerseits", erwiderte er ironisch und lachte über seinen eigenen Witz. Als er sah, dass ich nicht reagierte, hörte er augenblicklich auf und wurde ernst.
"Scar. Was ist los?"
"Nichts." Bei mir ist alles ok. Ehrlich.
"Ehrlich", fügte ich noch hinzu und sah in seine Augen. Ich staunte immer wieder. Wie konnte man nur solche Augen haben? Eisblau. Früher hätte ich anders von solchen Menschen gedacht. Das müssen ja total kalte Menschen sein. Keine Emotionen. Keine Reaktionen. Sie waren eiskalt. Wie ihre Augen. So hätte ich gedacht. Doch jetzt wurde mir erst bewusst, wie falsch ich doch lag.
Leon war genau das Gegenteil, wie ihr sicher schon bemerkt habt. Sie waren zwar so kalt wie Eis, aber sie strahlten so viel Wärme aus. Man konnte sie stundenlang anschauen, ohne dass einem langweilig wird. Also ich könnte das. Sie waren geheimnisvoll und beim genaueren Hinschauen sah man, dass er auch verwirrt war. Wie viele sagen: Ein Blick in die Augen einer Person ist gleichzeitig ein Blick wie in deren Seele.
Ich verstand nicht, wieso er verwirrt war, aber im Moment konzentrierte ich mich nur auf die Schönheit seiner wunderschönen Augen. Außen waren sie hellblau, doch langsam in Richtung Pupille wird es zu einem dunkleren hellblau...man kann es nicht wirklich beschreiben. Seine Augen waren einzigartig. Ich hatte schon viele mit blauen Augen gesehen. Auch Mädchen, aber solche wie Leon hatte noch niemand. Nicht so blau wie bei ihm. Auch er schaute mir in meine Augen, doch sein Gesichtsausdruck war nachdenklich. Als die Schulglocke klingelte, erschrak ich. War es schon so spät? Ich sprang auf, wurde aber von Leon aufgehalten, der nun grinste. "Beruhige dich Scarlett. Das war nicht die Glocke für unsere Mittagspause."
Ach ja. Bei uns ist es so, dass es einmal um 13.15 Uhr klingelt und danach noch einmal um 14 Uhr. Dies war wohl die erste.
Oh gott habe ich mich erschreckt. Ich war wirklich eine Streberin. Will niemals zu spät sein und habe (fast) immer meine Hausaufgaben. Ich setzte mich mit klopfenden Herzen wieder auf die Bank. Puh.
"So, wir müssen reden."
Ich schaute ihn verwirrt und fragend an. Häh?
"Du schuldest mir etwas. Schon vergessen?"
Er grinste. Ich grunzte.
"Nein. Ich wollte es nur vergessen."
"Tja, dann kam aber ich und habe deinen Plan vernichtet."
"Ok, was soll ich tun?"
"Hmm...lass mich mal überlegen."
Dabei tippte er sich auf sein Kinn und überlegte. Diese schlaue Pose nahm er nur aus Spaß ein, denn ich wusste, dass er schon längst wusste, was ich machen sollte. Er hat nur auf eine gute Gelegenheit gewartet.
"Dieses Wochenende ist die Hochzeit meiner Schweser. Und ich will, dass du dorthin gehst. Und zwar mit mir."
Wo bleibt der schüchterne Leon? Letztes Mal, als er gefragt hat, ob ich mit zu ihm komme, um zu essen, war er noch so schüchtern. Und jetzt? Fragt er einfach drauf los.
"Wo ist der schüchterne Leon hin?"
Leon lachte und zeigte auf sich selbst.
"Hier. Aber da du mir ja noch was schuldest und du mir nicht absagen kannst, habe ich den mal kurz weggepackt."
"Wer sagt dir, dass ich das nicht kann?", fragte ich.
"Ich sag das."
Ich seufzte.
"Wieso ich?"
"Also erstens, weil ich dich mag."
Er sah nicht so aus, als hätte er vor, noch den zweiten Punkt zu sagen.
"Und zweitens?"
"Es gibt kein "Als Zweitens". Ich wollte nur wichtig klingen."
Ich lachte. "Du bist unmöglich."
"Ich weiß."
Seine Augen glänzten so wunderschön in der Sonne während seine kleinen Grübchen hervorstachen. Sie waren zwar nicht ausgeprägt, aber sie waren da.
"Ok, ich gebs zu. Es gibt einen zweiten punkt. Und zwar: Alsoooo...ehmm... Ich will dich einmal im Kleid sehen."
WAS? Das meint er doch nicht ernst? Mein Herz schlug nur bei dem Gedanken ein Kleid anzuziehen schneller.
"Was soll das heißen?"
"Das soll heißen, dass du ein Kleid anziehen musst. Dieses Wochenende."
"Kann ich nicht einfach eine weiße Jeans anziehen und dann irgendeine Bluse dazu?"
"Nope."
"Bitte?"
Leon lachte. Heute lachte er wirklich viel fiel mir so nebenbei auf.
"Nope. Ein Bitte hilft dir nicht."
Ich gab es auf. Mit ihm zu diskutieren bringt auch nichts.
"Ok ok. A..aber ich habe kein Kleid."
Ich senkte meinen Kopf. Irgendwie war es mir unangenehm. Aber genau wusste ich es nicht.
"Ist doch nicht so schlimm. Diesen Freitag, nach der Schule, gehen wir ein Kleid für dich und einen Anzug für mich kaufen, einverstanden?"
Ich riss meine Augen auf. Leon will mit mir einkaufen gehen?
"O...Ok."
Und da ertönte auch schon die Schulglocke. Diesmal dir Richtige.

Wir beide standen auf und gingen in die Klassen. Dabei gingen mir mehrere Gedanken durch den Kopf. Ich kann es einfach nicht glauben, dass wir diesen Freitag ein Kleid kaufen gehen. Leon hat mich gefragt, ob ich mit ihm auf die Hochzeit seiner Schwester gehe. Aber ein Gedanke lies mich nicht los und mein Bauchgefühl verriet mir, dass nichts Gutes auf mich zukommen wird.

-WO BLEIBT ASHLEY?-

Ich hatte furchtbare Angst. Und diese sollte sich auch bald bestätigen.

Die Hoffnung Stirbt zuletzt *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt