Kapitel 20

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Innerhalb weniger Sekunden setzte mein Herz aus und schlug danach doppelt so schnell wieder weiter. Diese Stimme. Diese Schuhe. Langsam sah ich nach oben und sah in ein hasserfülltes Gesicht. Ihre Augen waren zu gefährlichen Schlitzen verengt und sie zeigte mit ihrem manikürten Finger auf mich.
"Ich habe dich gewarnt, du Miststück", wiederholte sie und zischte anschließend ein "Leon gehört MIR!"
Das ganze Sicherheitsgefühl war weg. Alles was ich fühlte war nackte Angst. Sie erhob ihre Hand und in Sekundenschnelle näherte sich ihre Hand meinem Kopf, doch bevor sie meine Haare fassen konnte, wurde sie an ihrem Handgelenk festgehalten. Überrascht schaute ich nach links und sah einen emotionslosen Leon vor mir. Woher ich weiß, dass er emotionslos ist? SeinGesicht zeigte keinerlei Gefühle. Er nahm nur ihre Hand und zerrte sie mit sich. Zögernd sah ich mich um und meine Vermutung bestätigte sich. Eine große Menschentraube hatten sich um uns versammelt und sahen das Ereignis mit großen Augen an. Ist denn nicht schon längst Unterricht? Ihr Blick lag nicht auf mir, sondern in dem Moment etwas links von mir. Leon stand da, Ashleys Handgelenk immer noch fest umschlossen und finsterte sie böse an.
"Leon! Leon! Bitte! Du tust mir weh", weinte sie, doch er lies nicht los. Seine Knöchel traten leicht weiß hervor und wenn ich mich nicht täuschte, drückte er noch fester zu. Ashleys Make-Up war schon verwischt und dicke schwarze Linien überzogen ihr Gesicht von ihren Augen nach unten.
"Du brichst mir das Handgelenk", schrie sie ihn an, doch er hörte einfach nicht auf. Stattdessen zischte er nur: "Erinnerst du dich an letzte Woche? Was habe ich da gesagt?"
"I...ich weiß es nicht mehr", stotterte sie vor sich hin, doch ein leiser Knacks lies sie aufkreischen und letztendlich antwortete sie doch.
"Ich soll meine Finger von Scarlett lassen! LASS LOS!", weinte und schrie sie. Ich stand wie immer reglos da und beobachtete die Situation. Plötzlich ging ein Ruck durch mich und ich eilte schnell zu den beiden, bevor Leon ihr wirklich das Handgelenk brach. Langsam legte ich meine Hand auf seine. Er schaute mich an und was ich da sah, war nicht das schöne helle blau, sondern ein dunkles, fast schwarzes Blau. Seine Augen wirkten bedrohlich. Sehr bedrohlich. Zum ersten Mal zuckte ich in seiner Anwesenheit zusammen und hatte wirklich Angst. Und zwar vor ihm. Anscheinend bemerkte er dies und er lies augenblicklich von Ashleys Handgelenk ab.
"Wag dich noch einmal so etwas abzuziehen, dann breche ich dir nicht nur dein Handgelenk", knurrte er in Ashleys Richtung, die ihn angsterfüllend beobachtete und brav nickte. Als sie mich sah, nickte sie mir unmerklich zu und etwas blitzte in ihren Augen auf. Dankbarkeit? Doch im nächsten Moment verschwand dieser Ausdruck auch schon wieder und sie rannte, quer durch die Masse und über den Schulhof auf den Parkplatz zu. Ich schaute wieder in Leons Augen, die wieder ganz langsam ihre ursprüngliche Farbe annahmen und wieder heller wurden. Er blickte mich entschuldigend an und deutete mit seinem Kopf auf sein Auto und ich schüttelte den Kopf. Nein. Nach Hause wollte ich jetzt nicht, auch wenn es dort um Einiges schöner wäre. "Wir schreiben morgen Englisch und da wäre es keine gute Idee", flüsterte er mir zu und er nickte.
"Gehts in den Unterricht", schrie er die Menschenmasse an, die sich langsam auflöste. Schnell zogen sie ab und wir machten uns auf den Weg in den Unterricht. Mathe.

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Nach 6 Stunden Unterricht konnten wir endlich wieder nach Hause. Komischerweise schienen mich alle heute zu beobachten und vereinzelt starrten auch welche an und das nicht gerade sehr unauffällig. In diesem Moment schauten mich 2 Jungs an, die mich mit großen Augen anstarrten.
"Weißt du was die alle haben? Starren sie dich oder mich an?", flüsterte ich Leon zu, der neben mir herging und etwas auf seinem Handy rumtippte.
Er lachte leise und schaute mich amüsiert an.
"Wieso wohl?"
"Keine Ahnung" ich haute ihn leicht auf den Oberarm "Deshalb frage ich dich ja!"
"Hey hey, nicht so aggressiv Madame.", lachte er und pikste mich in die Wange, was mich auch zum Lachen brachte.
"Ich meine es ernst, beantworte meine Frage!"
"Schau dich mal an!", sagte er nur und erschrocken fasste ich an mein Gesicht.
"Habe ich etwas im Gesicht?", fragte ich peinlich berührt.
Daraufhin lachte Leon nur noch mehr weshalb mir die Röte ins Gesicht stieg.
"Nein. Sie sie es einfach nicht gewohnt dich mal so zu sehen. Schau dich an" er zeigte auf mein Spiegelbild, als wir an einer Tür vorbeikamen. "Du hast eine wunderschöne Figur, die du in den letzten Wochen unter deinen Kapuzenpullis versteckt hast, verstehst du?"
Er grinste und schaute mich dabei von oben bis unten an. Peinlich berührt sah ich weg. Ich hasste es, wenn mich jemand anstarrte und musterte. Da fühle ich mich immer so unwohl.
"Und warum flüstern die immer, wenn sie mich sehen?", fragte ich weiter doch dieses Mal wusste Leon keine Antwort.
Als wir an Leons Auto ankamen, stiegen wir schnell ein und fuhren direkt nach Hause. Daheim angekommen schob Leon einePizza in den Ofen, da Lea arbeiten war, während ich meine Sachen in meinem Zimmer ablegte. Plötzlich hörte ich die Türklingel und rannte nach unten, um der Person die Tür zu öffnen.
Als ich sie aufmachte, sah ich zu allererst ein dickes Grinsen und Augen, die mich anfunkelten und betrachteten.
"Hallo Alex", sagte ich und bat ihn herein. "Hey Scarlett", begrüßte auch er mich und umarmte mich.
"Was machst du hier?"
"Hat die Lea schon gesagt, dass ich ab nächster Woche gegenüber wohnen werde?"
Ich nickte. "Leon hat mir das gesagt."
"Ab nächster Woche wirst du mich nicht mehr los", grinste er mich und und ich grinste zurück.
"Na das will ich doch hoffen", gab ich zurück woraufhin er lachte. Er hatte ein schönes Lachen.
"Hast du Hunger?"
"Ein wenig."
"Komm, wir haben Pizza." Ich zog ihn in die Küche wo Leon gerade dabei war eine Zweite Pizza in den Ofen zu schieben.
"Alex ist hier und er wird mit uns essen. Ist das ok?", fragte ich Leon, der alles Andere als glücklich aussah, als er Alex bemerkte.
"Klar", gab er kühl zurück. Verwirrt schaute ich ihn an. Was hatte er denn gegen Alex? Schon von Anfang an schien es so, dass er Alex nicht leiden konnte. Was war der Grund dafür?

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Nach einigen Stunden mit Essen und Reden verschwand Alex und zurück blieben nur noch Leon und ich. Schnell räumte ich alles auf und ging in mein Zimmer. Dort packte ich meine Sachen aus und fing an für die morgige Englischarbeit zu lernen. Nach 3 Stunden, es ist mittlerweile 19 Uhr, war ich völlig erschöpft und wollte am liebsten nur noch schlafen. Deshalb ging ich ins Bad, duschte mich ausgiebig, schlüpfte in meine gemütlichen Sachen hinein und putzte meine Zähne.
Als ich anschließend wieder in meinem Zimmer war, schaltete ich das Licht aus, dafür aber eine Lampe auf meinem Nachttisch an und kuschelte mich in die Decke. Ich dachte über alles nach. Über den heutigen Tag. Über Ashley. Über Leon und über Alex. Ich lies noch einmal alles in Revue passieren und meine Gedanken blieben bei heute Morgen stehen. Mein Herz schlug immer schneller und schneller, als mir eines bewusst wurde:
Leon hat zwei verschiedene Seiten, von der ich bis jetzt nur eine kannte.

Die Hoffnung Stirbt zuletzt *pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt