Kapitel 10

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Am nächsten Morgen erwachte ich untypisch für mich in aller Früh und fühlte mich erschöpfter denn je, obwohl ich über zwölf Stunden geschlafen haben musste. Ich starrte hinauf zur weißen Decke meines Zimmers und ließ den gestrigen Tag Revue passieren. Alles erschien mir mit allem Mal so unwirklich. So ob meine vage Erinnerung an den gestrigen Tag irgendwo zwischen Traum, Albtraum und Wirklichkeit lag.

Viele Fragen, aber nur wenige Antworten hatte ich. Nachdenklich schloss ich meine Augen und schlagartig kehrten Bilder in meinem Kopf von höchst anregender Natur in meinen Kopf ein, sodass sich beschämt meine Ohren rötlich erhitzten. Jasper Damian Black hatte mich höchstpersönlich auf Händen getragen. Wohlbehalten nach Hause in meine Wohnung gebracht, daran konnte ich mich noch dunkel erinnern. Wie wohl hatte Ella auf seinen plötzlichen Auftritt reagiert? Ich wusste mit tödlicher Sicherheit, dass ich mich einer Vernehmung ihrerseits würde unterziehen müssen.

Auf leisen Sohlen verließ ich mein Bett, putzte mich im Bad heraus und nahm ein karges Frühstück aus trockenem Toast und schwarzem Kaffee ein. Ein Blick auf die Uhr und polternde Geräusche aus Ellas Zimmer verrieten mir, dass es bald an der Zeit sein würde, die Wohnung zu verlassen.

„Guten Morgen, Sonnenschein."

Mit freudestrahlendem Lächeln sah Ella um die Ecke des Türrahmens und begrüßte mich mit wackelnden Augenbrauen, die mir eine vielsagende Botschaft zu vermitteln versuchten.

„Ich verschwinde für nur ein paar Augenblicke im Bad und dann wirst du mir Rede und Antwort stehen müssen.", eröffnete sie das Verhör und stolperte lautstark ins Bad.

„Ella, ich..."

Bevor ich jedoch meinen Satz beenden konnte, war Ella bereits verschwunden. Resigniert ließ ich die Schultern sinken und wappnete mich innerlich auf den bevorstehenden Fragenhagel. Dabei wusste ich selbst nicht einmal, was die Ereignisse des gestrigen Tages in ihrer Gesamtschau zu bedeuten hatten.

„Also was ist zwischen dir und Mr Black gestern geschehen? Ich habe eine Nachricht von ihm erhalten, dass der Kurs für den restlichen Tag ausgesetzt wird. Daraufhin bin ich nach Hause gegangen, da ich nicht mehr länger auf dich warten wollte, als ich sah, dass du in ein Gespräch mit Mr Black vertieft warst."

Aufmerksam betrachtete Ella mich aus dem Augenwinkel, während sie in die Küche zurückkehrend zu mir sprach und sich an der Kaffeekanne bediente. Mit einer Tasse heißen Kaffees setzte sie sich zu mir an den Tisch und mein Fluchtinstinkt setzte augenblicklich ein, als ich ihr vielsagendes Lächeln bemerkte.

„Und dann am frühen Abend plötzlich steht Mr Black leibhaftig und zum Anfassen zu schön vor der Tür mit dir im Schlepptau. Ich konnte nur sprach- sowie fassungslos dabei zusehen, wie er dich in dein Bett verfrachtete und sich von mir mit einem göttergleichen Grinsen verabschiedete."

Vage entsann ich mich der heiklen Bilder des gestrigen Tages, die dumpf an die Oberfläche meines Bewusstseins pochten. Erwartungsvoll beobachtete mich Ella dabei, wie ich mir aufgrund eines sich anbahnenden Kopfschmerzes die Schläfen rieb und mir zugleich überlegte, inwieweit ich sie in die Vorkommnisse zwischen mir und Jasper einweihen konnte. Letztlich entschied ich mich dazu, ihr die halbe Wahrheit, den Teil, den sie würde verkraften können, mitzuteilen. Die ganze, nackte Wahrheit war selbst mir so unbegreiflich sowie das Ausmaß dieser kaum zu fassen war.

„... und auf diese Weise eröffnete er mir, dass er Hilfe bei seinem Forschungsprojekt benötige und mir aufgrund meiner Fähigkeiten beim Lesen von Quellen eine Hilfskraftstelle anbiete. Ich verstehe zwar nicht ganz, weshalb ich dieses Angebot erhalten habe, aber ich denke darüber nach, es anzunehmen."

Das Herz des Diebes *Abgeschlossen*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt