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„Bist du soweit?", rief Paddy, der ungeduldig an der Treppe stand und auf Hannah wartete. Er und Hannah sind für ihre Verhältnisse relativ früh aufgestanden, um die Insel zu Fuß zu erkunden. Sie wanderten den ganzen Tag, machten nette Bekanntschaften mit Einheimischen und auch mit Hannahs geliebten Schafen, machten Rast und veranstalteten ein Picknick. Einer der Einheimischen gab ihnen den Tipp einen Pub in der Ortsmitte zu besuchen. Dort sollte es das beste Irish Stew geben, was sich Paddy und Hannah nicht entgehen lassen wollten. „Jaha, ich bin gleich soweit", rief Hannah hinunter, während sie vor dem Spiegel im Badezimmer stand. Ausgerechnet heute wollten ihre Haare nicht so wie sie wollte und war alles andere als zufrieden mit ihrem Aussehen. Mit Mühe und Not konnte sie sich auf eine enge Jeans festlegen, die sie mit einem ihrer weiten Shirts kombinierte, das sie am Saum zusammen knotete, so dass ihre schlanke Taille zum Vorschein kam. Nach weiteren Versuchen ihre Haare zu stylen, gab sie es schlussendlich auf und trug ihre Haare zu einem seitlich geflochtenen Zopf. Anschließend schminkte sie sich dezent, ehe sie die Treppen herunter hüpfte. „Na, endlich. Was hat denn so lange gedauert?", fragte Paddy. „Meine Haare wollten nicht so, wie ich wollte. Das müsstest du doch am besten wissen." Hannah streckte ihm die Zunge raus und zog leicht an seinen Haaren. „Ich weiß gar nicht was du hast. Du siehst super aus. Wie immer." Er reichte ihr seine Hand, nachdem Hannah sich ihre Sneaker angezogen hatte. „Du Schleimer.", erwiderte sie und nahm seine Hand dankend entgegen.

Hand in Hand schlenderten sie die Dorfstraße entlang, bis sie die Ortsmitte erreichten. Die Straßen an sich waren sehr ruhig. Hin und wieder hörten sie einige Schafe blöken und Kinder, die noch im Garten spielten. Als sie sich jedoch den Pub näherten, hörten sie laute Gespräche und eine Band, die sämtliche Coversongs zum Besten gab. Der Pub war gut besucht, doch Hannah und Paddy fanden mitten im Getümmel einen freien Tisch, an denen sie sich setzten und gleich ihre Bestellung aufgaben. Sie mussten nicht lange warten, als eine junge, gutaussehende Frau mit zwei Tellern auf sie zukam und ihnen einen guten Appetit wünschte. Hannah nahm einen Löffel und machte große Augen. Der Einheimische mit dem Geheimtipp hatte nicht zu viel versprochen. Der irische Eintopf schmeckte hervorragend: „Lass das aber nicht Maite hören.", warnte Paddy Hannah, als sie das Essen in den Himmel lobte. „Nachher kocht sie nie wieder für uns." „Ihr Irish Stew ist genauso gut", erwiderte Hannah und nahm den letzten Happen von ihren Teller." Sie bestellten sich etwas zu trinken und lauschten der Band. Einige Besucher waren bester Laune und drängten sich an den Tischen vorbei, um zu tanzen. Die Musiker nahmen mittlerweile Musikwünsche entgegen und so wurde mehr und mehr irische Volksmusik gespielt. Hannah war erstaunt, wie viele Lieder Paddy kannte und ohne Probleme mitsingen konnte. „Entschuldige mich kurz, ich bin gleich wieder da", sagte Hannah zu Paddy, gab ihn einen flüchtigen Kuss und verschwand in Richtung Toilette.

Als sie versuchte sich wieder zu Paddy an den Tisch durchzuschlagen, blieb sie wie angewurzelt stehen. An ihrem Tisch, saßen zwei junge Frauen, die sich mit Paddy unterhielten. Ohne sich weiter Gedanken darüber zu machen, schlenderte sie gelassen zum Tisch hinüber und setzte sich wieder zu Paddy: „Da bin ich wieder." Verlegen lächelte sie Paddy zu und schaute zu den jungen Frauen. Als diese jedoch nichts erwiderten, kam eine peinliche Stille auf, die Hannah durchbrach. „I'm sorry. I didn't want to interrupt you. My name is Hannah. Nice to meet you." Eine der jungen Frauen musterte Hannah abwertend. „Ja, ich bin Chayenne und das ist Kylie. Ich dachte, du bist alleine hier, Paddy?" Verwirrt schaute Hannah zwischen Paddy und den jungen Damen hin und her und war erstaunt darüber, dass sie deutsch redeten. „Das habe ich nie gesagt", sagte Paddy verlegen und lächelte. „Also seid ihr zusammen hier?", fragte nun Kylie. „Ehm.." Hilfe suchend suchte Paddy Hannahs Blick, die die Frage schnell beantwortete. „Ja, wir sind sozusagen zusammen hier." „Du kommst mir so bekannt vor. Bist du auch ein Fan?" „Oh nein, ich bin ganz sicher kein Fan.", lachte Hannah. Ihr war mulmig zumute. Kylie und Chayenne waren ihr zu neugierig und alleine ihre Blicke, schüchterten Hannah ein. Die Insel war so klein, fern ab von sämtlichen Touristenattraktionen. Wussten sie etwa, dass sich Paddy hier aufhielt? Das konnte doch kein Zufall sein. „Ich...ich...", stotterte Hannah. „Mädels, wollt ihr etwas trinken?" Paddy trank sein Glas in einem Zug leer. Kylie und Chayenne schmachteten ihn förmlich an. „Oh ja, sehr gerne. Wir würden das nehmen, was du nimmst, Paddy.", antwortete Chayenne. Hannah hätte kotzen können. Wie sie Paddy auf eine besonders schleimige und unsympathische Art anhimmelten, passte ihr ganz und gar nicht. „Dann hole ich schnell etwas an der Bar." Paddy stand auf und ließ Hannah alleine, was ihr missfiel. ‚Wie kann er mich nur mit diesen Irren alleine lassen?', dachte sie sich und durchbohrte Paddys Rücken mit ihren Blicken. „Ok, jetzt reden wir mal Klartext." Hannah wandte ihren Blick von Paddy ab. Kylies Gesicht war nur Zentimeter von ihren entfernt. „Bist du seine Freundin oder nicht?" Kylies Stimme hatte etwas Bedrohliches an sich, was Hannah das Blut in den Adern gefrieren ließ. Wie sollte sie aus dieser Situation heraus kommen? „Nein, wie kommst du denn da drauf?", wich Hannah Kylie aus. Sie versuchte gelassen zu wirken und das Thema in eine andere Richtung zu lenken. „Und ihr seid Kellyfans?" Chayenne nickte. „Oh ja! Wir sind schon Fans, seitdem wir die Kellys auf der Straße gehört haben. Wir lassen uns kein Konzert entgehen." „Ach echt? Ist denn hier demnächst ein Konzert?", fragte Hannah gespielt ahnungslis. Kylie lachte: „Oh nein, wir haben...." Doch weiter kam sie nicht, da Paddy mit einem vollen Tablett zurückkam. „So, ich hab für jeden ein Ginger Ale bestellt." „Oh vielen Dank, Paddy.", sagte Kylie zuckersüß. Hannah musterte sie von der Seite. ‚So ein falsches Biest.', dachte sich Hannah. Am liebsten hätte sie ihr die Meinung gesagt, dass sie Paddys Freundin ist und ihre und vor allem Paddys Privatsphäre respektieren sollten, doch sie wusste nicht, wie sich diese Situation weiter entwickeln würde.

„Mrs Hayes?" Die junge Kellnerin stand plötzlich an ihrem Tisch. „Hannah, ich glaube sie meint dich.", sagte Paddy, der inständig hoffte, dass Hannah kapierte. Verwirrt drehte sie sich zur Kellnerin hin. „There is a phone call for you." „Ehm...ok." Sie folgte ihr hinter den Tresen, wo sich die Kellnerin erklärte. „Herr Kelly hat mich gebeten einen Anruf vorzutäuschen. Ich habe ihnen ein Taxi gerufen, das sie nach Hause bringen soll. Herrn Kelly tut das alles sehr leid und er würde nachkommen, sobald sich die Möglichkeit ergibt." Hannah kam sich vor wie in einem falschen Film. Sie nickte der Kellnerin dankend zu und ging zurück an den Tisch, um sich zu verabschieden. „Tut mir leid, ich muss leider los. Ich warte draußen auf mein Taxi. Hat mich sehr gefreut euch kennen zu lernen." Hannah gab Chayenne und Kylie, die hinterhältig grinste, die Hand. „Das ist wirklich sehr schade. Soll ich dich raus begleiten?", fragte Paddy, doch Hannah winkte ab. „Nein, ich finde den Weg alleine raus. Man sieht sich." Sie nahm ihre Tasche und ging ohne weitere Verabschiedung hinaus. Paddy schaute ihr hinterher und hatte ein schlechtes Gewissen. „Paddy das neue Album ist sooo cool", fing Chayenne an zu schwärmen und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.

Hannah stand draußen und schaute in den Pub zurück. Paddy unterhielt sich angeregt mit den beiden jungen Frauen und schenkte ihnen sein strahlendes Lächeln. In ihr tobte es. Es war so ein wundervoller Tag gewesen. Dass Paddy sich jetzt alleine amüsierte, versetzte Hannah einen Stich in die Magengrube. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass er es nur gut mit ihr meinte und sie schützen wollte. Trotzdem platzte sie vor Wut. Sie projezierte ihre Wut auf Paddy, wobei Chayenne und Kylie diejenigen waren, die ihr den Abend versauten.

Nachdem sie mit dem Taxi zum Cottage fuhr, versuchte sich Hannah abzulenken und schaltete den Fernseher ein. Dennoch konnte sie es nicht lassen und schaute ständig auf die Uhr. Selbst nach Mittagnacht war Paddy immer noch nicht da, was Hannah noch wütender machte. Energisch schaltete sie den Fernseher aus, zog ihren Pyjama an, putzte sich die Zähne und ging wutentbrannt zu Bett. So hatte sich Hannah den Abend ganz und gar nicht vorgestellt.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now