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„Ich kann leider nur Porridge mit Banane anbieten." Mit zerzausten Haaren und immer noch im Pyjama hockte Hannah vor dem Kühlschrank, den sie inspizierte. Sie und Paddy schliefen erstmal genüsslich aus und genossen die Zweisamkeit, ehe Paddys alltäglicher Wahnsinn rief. „Haferflocken sind perfekt." Nachdem Hannah das Porridge zubereitet hatte, saßen sie sich gegenüber und frühstückten. „Sieht dein Tag eigentlich auch so aus, wenn ich nicht da wäre?" Hannah zuckte mit den Schultern und grinste in ihre Müslischale. „Ja, so mehr oder weniger. Viele Vorlesungen sind erst am Nachmittag, also kann ich sehr oft ausschlafen und mittags ein bisschen Haushalt und so etwas machen, bevor ich zur Uni muss." Paddy hörte aufmerksam zu, als Hannah von ihrem Studium erzählte. Er klebte förmlich an ihren Lippen und nickte begeistert. „Wenn dich das so interessiert solltest du auch Psychologie studieren", neckte ihn Hannah. „Nein, ich bin und bleibe Musiker. Die Musik ist meine Psychologie." Hannah lachte: „Weise Worte." Als sie im Flur etwas Poltern hörten, sahen sich die beiden fragend an und mussten sich das Lachen verkneifen, als eine verkaterte Sandra in der Küche auftauchte: „Morgen", brummte sie und ging geradewegs zur Kaffeemaschine, um diese zu betätigen. „Na wo hast du dich gestern noch rumgetrieben?", fragte Hannah und ging Sandra beim Kaffee machen zur Hand, da Sandra selbst nicht in der Lage war. „Chemikerparty." „Wie bist du denn da gelandet?" „Boah Hannah schreib bitte nicht so. Ich war mit ein paar Leuten aus meinen Rhetorikkurs unterwegs und der eine Mitbewohner von Anna studiert Chemie und ehe ich mich versah war ich auf der Chemikerparty. Und was machst du eigentlich hier? Ich habe dich erst heute Abend erwartet." „Naja...", Hannah schaute fragend zu Paddy, der das Wort übernahm. „Kleine Planänderung. Hannah wollte mal wieder in ihrem eigenen Bett schlafen." Sandra nickte schläfrig und goss sich Kaffee ein. Als sie sich auf den Weg zurück in ihr Zimmer machte, drehte sie sich um und versuchte zu lächeln: „Vielleicht schreibst du mir das nächste Mal, wenn du Paddy mitbringst, Hannah. Nicht, dass ich euch wieder in eurer Zweisamkeit störe." Hannah wurde leicht rot und schaute unschuldig: „Ich weiß nicht was du meinst." „Ja, nee. Ist klar. Ich bin zwar verkatert, aber ich weiß, dass ich euch gestern beim rummachen im Wohnzimmer erwischt habe." Hannah versteckte ihr Gesicht zwischen ihren Händen. Paddy lachte nur: „Geht klar. Nächstes Mal sagen wir dir Bescheid." Entsetzt schaute Hannah abwechselnd zu ihrem Freund und Sandra, die ebenfalls anfing zu lachen. „Ich sehe, wir verstehen uns, Paddy. Ich leg mich nochmal aufs Ohr. Gute Nacht."

Mit ein wenig Verspätung erreichten Hannah und Paddy das Stadion, in dem das vorerst letzte Konzert in Deutschland stattfinden sollte. Tom hat einen guten Job gemacht und die beiden ohne Komplikationen begleitet. In der Halle, begrüßte Hannah zuerst Kira und Maite, die sich vor dem Buffet unterhielten. „Hey, ihr zwei. Habe ich etwas verpasst?" „Hey. Nein, eigentlich hast du so weiter nichts verpasst. Vielleicht war es ganz gut, dass ihr nicht da wart", erwiderte Maite und fuhr fort, als sie Hannahs fragendes Gesicht sah. „Jimmy und Kathy haben sich wohl noch richtig gezofft. Kira und ich haben davon auch nichts mitbekommen, aber Patricia hat uns das heute Morgen beim Frühstück erzählt." „Die Wogen sind aber auch schon wieder geglättet. John und Patricia konnten das ganze regeln", sagte nun Kira. Schuldbewusst senkte Hannah den Kopf: „Oh man, und das nur wegen mir?" Maite machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, quatsch. Du hast damit gar nichts zutun. Das Thema ist schon längst wieder aus der Welt geschafft. Aber jetzt erzähl, hattest du denn noch einen schönen Abend mit Paddy?" Hannah grinste verschwörerisch: „Ja, der Abend war noch echt schön." Kira nahm Hannahs Antwort zur Kenntnis und fragte nicht weiter nach. Sie war das komplette Gegenteil von Maite, die die Neugier in Person war: „Und was habt ihr gemacht? Will ich das eigentlich wissen, was du mit meinem Bruder treibst? Eigentlich schon, also los. Erzähl!" Hannah schüttelte lachend den Kopf: „Du bist echt unmöglich. Wir haben, als wir zu Hause angekommen sind, Tee getrunken und es uns auf dem Sofa bequem gemacht." Maite hob ihre Augenbraunen und knuffte Hannah in die Seite: „Ihr habt es euch bequem gemacht oder „bequem" gemacht?" Dabei betonte Maite das bequem vieldeutig. Doch aus Hannah waren keinen weiteren Details herauszubekommen. „Ok, ok. Ich will ja schon gar nichts mehr wissen. Ist vielleicht auch besser so." Maite grinste und zwinkerte Hannah zu, die nur noch die Augen verdrehte. „Wisst ihr, dass es irgendwie fies ist, wenn ihr meine Brüder als Freunde habt? Da kann man gar nicht mehr so schön über den ganzen Mädchenkram reden." „Tja, wo die Liebe hinfällt", entgegnete Hannah. „Kira, was ist denn da jetzt zwischen dir und Angelo? Jetzt wo Maite das Thema angeschnitten hat..." Kira knetete verlegen ihre Hände, sagte jedoch nichts. Hannah schaute zu Maite, die ihren Blick erwiderte und kaum merklich nickte: „Stille Wässer sind tief. Du erzählst uns aber schon, wenn was zwischen euch läuft, oder?" Kira nickte und grinste. „Solange du mich nicht weiter verkuppeln willst." Maite machte einen empörten Eindruck, während Hannah und Kira lachten. „Kira scheint ja alles ganz gut im Griff zu haben, Maite. Bei denen musst du dich nicht einmischen." „So lange es nicht Jahrzehnte dauert, wie bei dir und Paddy, kann ich mich auch zurückhalten." Nun waren es Maite und Kira, die lachten.

Geduldig warteten Kira und Hannah im Backstagebereich. „Wann fährst du wieder nach Kiel?", fragte Hannah und schaute ungeduldig auf ihre Uhr. „Morgen früh. Ich fahre heute Nacht noch mit nach Hannover und fahre von dort aus dann mit dem Zug weiter." Hannah biss sich auf die Unterlippe. „Sag mal, wie hälst du das alles aus?" Fragend blickte Kira zu ihrer Freundin. „Was genau meinst du?" „Naja, jetzt wo so viele Konzerte im Ausland anstehen und kaum Zeit sein wird für ein Treffen. Vermisst du Angelo da nicht?" Kira überlegte eine Weile. „Doch, ich vermisse ihn schon irgendwie und Maite ja auch. Ich glaube bei mir ist es aber anders als bei dir. Im Gegensatz zu dir, bin ich nicht mit Angelo zusammen und wir haben keine Verpflichtungen, aber wenn du schon so direkt fragst. Natürlich werde ich ihn vermissen, aber auf der anderen Seite kenne ich das auch nicht anders. Dafür ist dann das Wiedersehen umso schöner." Hannah nickte nachdenklich. „Ich hoffe, ich halte das aus. Die letzten gemeinsamen Tage, waren echt schön, auch wenn es stressig war. Trotzdem haben wir irgendwie Zeit für einander gehabt." „Paddy ist ja nicht aus der Welt", versuchte Kira ihre Freundin zu trösten. „Ja, ja ich weiß. Und wir können auch Telefonieren, aber es ist trotzdem etwas anderes, wenn man neben einen aufwachen kann." Kira stimmte still zu und stand auf, als die ersten Kellys den Backstagebereich betraten: „Das war vielleicht ein Konzert. Es ist immer wieder schön in Köln zu spielen", sagte Joey und ließ sich in einen Sessel fallen. John, Jimmy und Kathy taten es ihm gleich. Patricia und Barby kamen als nächstes und schnappten sich jeder eine Flasche Wasser. Die Halle tobte weiterhin, bevor es ruhiger wurde und die drei Jüngsten voller Adrenalin in die Kabine kamen. Alle quatschten wild drauf los, so dass Hannah kaum mitbekam, über was gesprochen wurde. Doch das war ihr auch egal, als Paddy auf sie zutrat und überschwänglich in den Arm nahm. Nach und nach machten sich die Kellys frisch und zogen sich um. Paddy wich Hannah bis zum Schluss nicht von der Seite. Sie alberten rum und bespaßten gemeinsam Sean, bis Maite komplett umgezogen vor ihnen stand. „Paddy, du sollest auch so langsam mal duschen gehen. Wir wollen bald los." Mit traurigem Blick begutachtete er seine Hände. Hannah stieß ihn an. „Na los, geh schon. Ich warte noch auf dich und außerdem...nimm es mir nicht übel, aber du stinkst." Paddy mühte sich ein Lächeln ab und stand auf. Bevor er sich jedoch auf den Weg zur Dusche machte, konnte er es sich nicht verkneifen und nahm, nass geschwitzt wie er war, Hannah in die Arme, die versuchte sich aus der Umarmung zu befreien. Hannah schaute ihm hinterher und ließ sich wieder in den Sessel plumpsen. Maite bemerkte das traurige Gesicht ihrer Freundin, das sie nur zu gut kannte. „Hey, es sind nur ein paar Monate, dann sind wir wieder in Deutschland." Hannah seufzte: „Ja so wie immer."

Die Zeit der Verabschiedung war gekommen. Wie immer fiel es Hannah schwer sich von allen zu verabschieden. Dieses Mal war der Abschied von Paddy jedoch schwerer als erwartet. Eng umschlungen standen sie in einem dunklen Schatten einer Wand und wiegten sich im Wind hin und her. Sie sagten nicht viel und genossen einfach die Zweisamkeit, die sie jetzt noch hatten. Hin und wieder gab Paddy Hannah einen Kuss auf die Wange, während sie sich weiter an ihn heran schmiegte: „Ich glaube, wir müssen so langsam zu den anderen." „Nein, ich will aber nicht." Wie ein kleines Kind bockte Hannah herum, was Paddy schmunzeln ließ. „Wir haben leider keine andere Wahl." Er nahm ihre Hand und gemeinsam liefen sie zum Nightliner, vor dem Maite und Patricia standen. „Da seid ihr ja endlich." Maite drückte ihre Freundin an sich. „Bis bald Hannah. Ich melde mich bei dir." Auch Patricia nahm Hannah nochmals in den Arm und sie und ihre Schwester verschwanden in der Wärme des Busses. „Also, dann...", sagte Hannah. Verlegen und traurig ließ sie ihren Kopf hängen. Paddy hob ihr Kinn, so dass sie ihn in die Augen schauen musste. In Paddys Augen lag ebenfalls eine Traurigkeit. Hannah umarmte Paddy fest und drückte ihre Lippen auf seine. Sie vergaßen alles um sich herum und lösten sich erst voneinander als Jimmy in der Tür des Busses erschienen: „Ihr seid wirklich zuckersüß, aber wir müssen jetzt wirklich los." Nochmals umarmten sich die beiden, ehe Paddy in den Bus stieg. Hannah winkte allen zu und sah dem Bus hinterher. Eine einzelne Träne lief ihr die Wange herunter, die sie schnell wegwischte, um sich anschließend, in ihren Gedanken vertieft, auf den Weg nach Hause zu machen.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now