Kapitel 5

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Ich saß mir Luc auf der Couch und überlegte. Die Situation erinnerte mich lustigerweise an das letzte mal als wir hier saßen und er diese irre Glas-Schwebe-Nummer abgezogen hatte.

War das real gewesen? Es erschien mir jetzt, wenige Stunden später so unfassbar nichtig, dass ich mir ein Lachen verkneifen musste.

„Kannst du noch einmal etwas schweben lassen?"

Er nickte bloß und streckte wie beim letzten mal seine rechte Hand aus. Er fixierte eins der Kissen welche in einer Ecke lagen und die goldenen Schlingen breiteten sich erneut auf seiner Hand aus. Sie waren so wunderschön und filigran, dass sich in mir der Wunsch regte darüber zu streichen.

Er drehte sein Handgelenk leicht und das Kissen flog in die Luft. Wie von selbst. Ich spürte eine leichte Elektrische Spannung in der Luft, doch ansonsten war alles normal. Als wäre es alltäglich, dass er Gegenstände durch die Luft schweben ließ.

Da dramatische Musik, Weltuntergangsszenarien oder ein Moderator der den Witz auflöst gänzlich fehlten wirkte es noch bizarrer als alles andere was ich in meinem Leben je gesehen hatte. Die Situation wäre sicher unfassbar unterhaltsam wenn ich nicht irgendwie darein verwickelt gewesen wäre. Schließlich war Luc nicht zum Spaß hier.

Sicher hatte er wichtigeres zu tun als kleine Kunststücke zu vollführen, wie zum Beispiel die Welt vor Bösewichten zu retten oder andere unfassbar wichtige Aufgaben die ich mir nicht im entferntesten ausmalen mochte.

Und so fragte ich ihn weiter wie es seien konnte das er hier, bei mir ist. Was hier los ist, wie ich darin verwickelt bin.

Eine geschlagene Stunde später wusste ich, dass die Schwesternfeier eine Jahrtausend alte Tradition ist.

Einst regierte eine alte weise Königin ein großes herrschaftliches Reich, doch als sie almälig immer kränker wurde musste sie ihre Herrschaft an ihre Töchter übergeben. Sie liebte alle, hatte ihr Land aber in fünf Teile geteilt. Deshalb entschied sie sich ihre 21 Töchter über drei Runden gegeneinander antreten zu lassen.

Die stärksten, klügsten und wagemutigsten fünf Siegerinnen würden je ein Teil des Reiches bekommen. Die anderen 16 würden zum einfachen Volk gehören, damit es den Prinzessinnen immer eine Aufgabe war, stets acht zu geben, dass es den Bürgern gut ging.

Und so kam es. Den fünf Reichen ging es immer gut und es herrschte Frieden im ganzen Land.

Es entstand eine Tradition laut der alle 100 Jahre 21 junge Mädchen im Alter von 16-20 Jahren in drei Runden gegen einander antreten müssen.

Um zu gewährleisten, dass alle ausgewählten Mädchen bis zur Feier am leben bleiben bekommt jedes ein Tattoo in Form eines Tieres, welche mit einem Schutzzauber belegt ist und dazu noch erste Hinweise auf die Talente geben soll.

Da die königliche Familie bis zum heutigen Tag die wahre, alte und unerschöpfliche Magie im Blut hat, wird durch einen starken Zauber jeder sogenannten „Kämpferin" eine Kraft zugeteilt. Jedes Mädchen ist unterschiedlich und so passt sich die Magie dem Charakter an. Es ist bekannt, dass vereinzelt Kämpferinnen sogar zwei Kräfte aufwiesen. Diese Kräfte reichen vom Talent zu malen über das Atmen unter Wasser bis hin zu Gestalt Wandlung.

Jede Kämpferin bekommt einen Meister zur Seite gestellt, welcher sie trainiert und so gut er kann auf die drei bevorstehenden Runden vorbereitet.

Die Aufgaben sind zuvor unbekannt. Nach jeder Runde gibt es eine Pause von maximal einem Monat. So kann sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer für die jeweils nächste Runde in angemessener Verfassung sind.

Die Kämpferinnen die Gewinnen werden von dem Tag an nie mehr Sorgen haben brauchen, da sie automatisch zur königlichen Familie gehören.

„Nicht zu fassen", murmelte ich immer und immer wieder.

„Willst du mir etwa weiß machen das ich eine Kämpferin bin?"

Ich schaute auf meinen Unterarm wo ich das Tattoo hatte. Ja, sieht so aus, als wäre ich auserwählt.

Unmöglich, dachte ich mir immer wieder. Wieso ausgerechnet jetzt? Wieso ich? Warum nur?

Ich schaute verloren zu Luc. Wie es aussieht war er mein Meister. Ihm wurde die Aufgabe zuteil mir

alles zu erklären und mich auszubilden.

Um die Schwesternfeier möglichst unterhaltsam zu gestalten boten sich ihm dazu genau 3 Monaten von dem Tag an, wo ich das Tattoo erhalten hatte. Das ist jetzt drei Tage her, also noch genug Zeit alles zu lernen was ich wissen mochte.

Noch immer konnte ich nicht glauben das ich jetzt alles was ich dachte zu wissen über Bord schmeißen musste um mich dieser neuen Welt hinzugeben.

Mir dröhnte wieder der Kopf und ich wünschte mir zum tausendsten Mal es hätte jemand anderen getroffen. Jemanden der nicht ich war. Jemand der es sich wünschte zu kämpfen. Jemand der sich wünschte zur königlichen Familie zu gehören.

Ich hatte hier in der „Menschenwelt" , ein mehr als gutes Leben gehabt. Ich hatte Freunde, Schule, einen Plan. Aber nein! Jetzt wird mein Leben erst einmal aus komischen Kräften und einer Menge Training bestehen.

Ich hatte noch lange nicht akzeptiert, dass ich jetzt die Rolle als Kämpferin übernehmen musste, als mich Luc an sich zog und mich feste drückte.

„Ist schon okay Jo-Jo. Mir ist bewusst, dass ich dich hier total Überfallen habe, nur um dir solche Nachrichten zu überbringen. Wir werden das schon schaukel. Heute gebe ich dir den Rest des Tages frei, Morgen wirst du ein paar Sachen packen müssen und dann brechen wir auf. Wir müssen nach Core, das Land der fünf Tore. Von dort werden wir direkt zum Palast gebracht wo du dann drei Monate leben wirst."

Ich klammerte mich an ihm fest und versuchte tief durch zu atmen.

„Ich kann nicht. Was ist meinen Freunden, mit meinem Leben?", fragte ich schon leicht hysterisch.

„Sie werden dich vergessen"

Ich wollte ihm erklären, dass wenn ich plötzlich verschwunden wäre sie zur Polizei gehen würden. Sie würden mich suchen, etwas unternehmen.

Doch ehe ich meine Stimmer erheben konnte fuhr er fort: „Natürlich würden sie nicht von alleine vergessen. Es wurde ein wenig nachgeholfen. Es ist schon zu spät Josie. Sobald das Tattoo aufgetaucht ist wurden die Erinnerungen an dich gelöscht. Bei jedem menschlichen Wesen, dem du jemals begegnet bist. Es tut mir so leid."

Sie wurden gelöscht. Bei allen. Einfach so. Von der einen auf die andere Sekunde.

Niemand wusste mehr wer ich war.

Als hätten die vielen Jahre zu Layla, meiner besten Freundin keine Bedeutung. Bedeutungslos. Alles was ich je mit ihr erlebt habe, weg. Einfach fort.

Und das war einfach zu viel für mich. Ich konnte einfach nicht fassen, dass ich sie nie mehr in meine Arme schließen konnte, keine doofen Witze über ihre Frisuren machen konnte. Keine Mädelsabende oder Kinobesuche mehr. Kein joggen mehr am frühen Morgen. Kein gemeinsames lernen für Klausuren mehr. Meine Zukunft mit ihr an meiner Seite, als meine beste Freundin hatte sich einfach in Luft aufgelöst. Wir wollten doch zusammen noch so viel erleben.

Es war als wäre meine kleine Schwester gestorben. Meine Verbündete.

Eine einsame Träne löste sich aus meinem Augenwinkel. Es folgte eine weitere. Der Tränenschleier verdeckte meine Sicht und nun wurde ich von tiefer Trauer übermannt.

Ich wollte gar nicht tapfer sein. Wofür auch? Ich hatte meine beste Freundin verloren!

Die Tränen flossen unaufhaltsam und Luc zog mich näher zu sich, sodass ich halb auf seinem Schoß

saß. Seine starken Arme hielten mich und ich fühlte mich nicht mehr ganz so alleine.

„Ist schon gute Josie, es wird alle wieder gut"., murmelte er mir beruhigend zu. Natürlich wussten wir beide das dem nicht so war, doch seine warme dunkle Stimme wirkte unfassbar beruhigend.

Er zeichnete große und kleine Kreise auf meinem Rücken und ich krallte mich weiter an seinem Pulli fest, so saßen wir eine ganze Weile da bis meine Tränen endgültig versiegten.

Our fight.Where stories live. Discover now