Two

175 20 0
                                    

Am nächsten Tag hetze ich durch das Schulhaus, aus einem mir unerklärlichen Grund habe ich verschlafen. Meine Eltern konnten mich auch nicht wecken, da sie im Krankenhaus geschlafen haben. Ich kann nur hoffen, dass mich mein Mathelehrer nicht nachsitzen lässt, das wäre das erste Mal in meinem ganzen Leben. 

Aber wie sagt man so schön, einmal ist immer das erste Mal. Auf halbem Weg stolpere ich über meine eigenen Füsse und lande unsanft auf dem Boden. Stöhnend rapple ich mich auf und versuche meine Bücher einzusammeln. Ich will gerade das letzte Buch aufheben, als ein Fuss darauf tritt und es mir unmöglich macht es zu hoch zu heben. Ich schaue auf und sehe Dean vor mir dessen Augen verdächtig glitzern.

„Ich bin spät dran. Könntest du deinen Fuss von meinem Buch nehmen?", frage ich genervt. Der Tag wird immer schlimmer, schiesst es mir durch den Kopf.

„Ich könnte schon, aber ich will nicht." Ein verschlagenes Grinsen schleicht sich auf sein Gesicht und macht mich noch wütender.

„Wieso machst du das immer? Ich weiss echt nicht was ich dir angetan haben könnte, dass du mich so hasst." Meine Stimme klingt resigniert und das bin ich auch. Ich habe es so satt immer das Opfer zu sein, irgendwann muss Schluss damit sein.

„Es gibt keinen Grund." Er kommt auf mich zu und baut sich vor mir auf, komischerweise habe ich dieses Mal keine Angst vor ihm. Im Gegenteil.

„Es gibt immer einen Grund. Und ich möchte ihn wissen. Jetzt auf der Stelle." Meine Stimme wird lauter und mein Entschluss, mich endlich zu wehren, immer stärker. Dean fängt an zu lachen, laut und dröhnend.

„Was du willst interessiert mich nicht. Und dich mit mir anzulegen ist der falsche Weg. Ich bin stärker als du und ausserdem bin ich unbesiegbar." Sein Blick ist stechend, er scheint mich durchbohren zu wollen. Obwohl leise Zweifel in mir aufkommen, lasse ich nicht zu das er wieder gewinnt.

„Zeig es mir. Zeig mir wie stark du wirklich bist, oder ob da nur heisse Luft ist." Ich tippe gegen seinen kräftigen Oberarmmuskel, der unter meiner Fingerspitze pulsiert. Wieder lacht Dean mich aus und sein Blick wird immer kälter.

„Du würdest es nicht überleben. Lass es also gut sein, Emily." Es ist das erste Mal, dass er mich so nennt. Sonst hat er immer irgendwelche abschätzige Namen für mich. Dean dreht sich um und geht weg, doch die Wut in mir will nicht, dass er schon wieder gewinnt. Also stürme ich auf ihn los und stürze mich auf ihn. Er weicht blitzschnell aus und ich stolpere durch den Gang, kann mich aber noch rechtzeitig auffangen.

„Das hättest du nicht tun sollen", knurrt er. Seine Augen funkeln auf und die Ader an seinem Hals beginnt zu pulsieren. Ich kann gar nicht reagieren, es geht alles so schnell. Er rennt auf mich zu und packt mich am Arm, noch während ich von ihm gestossen werde, weiss ich, dass ich besser den Mund gehalten hätte.

 Ich werde durch die Luft geschleudert und pralle mit dem Kopf gegen die Wand. Benommen falle ich auf den Boden und bleibe stöhnend liegen. Alles dreht sich und ein stechender Schmerz peitscht durch meinen Körper. Verschwommen nehme ich wahr wie Dean sich von mir entfernt, die Augen fallen mir zu doch ich zwinge mich sie wieder zu öffnen. 

Aber Dean ist weg. 

Stöhnend versuche ich mich aufzusetzen, was beim dritten Versuch dann endlich klappt. Ich atme tief ein und fasse mir an den Kopf, als ich etwas Warmes an meinen Fingern spüre erstarre ich. Das ist Blut, mein Blut. Ich hab mir beim Aufprall eine kleine Platzwunde zugezogen, die aber nicht all zu stark blutet. Eine Weile bleibe ich so sitzen, danach stehe ich auf und suche die Krankenstation auf. 

Die Krankenschwester sieht mich erschrocken an und fragt was passiert ist. Ich erkläre ihr, dass ich gestolpert und die Treppe runter gefallen bin, als ich zum Schulzimmer gerannt bin. Sie nickt und untersucht die Wunde, es ist nicht so schlimm wie es ausgesehen hat. Mit zwei Stichen ist die Wunde genäht und ich werde nach Hause geschickt. Normalerweise informiert die Krankenstation die Eltern wenn etwas vorgefallen ist, aber ich habe der Krankenschwester gesagt, dass ich meine Eltern bereits angerufen habe. 

Sie hat mich zwar argwöhnisch angesehen, hat aber nichts gesagt. Mrs Meyer ist und bleibt eben eine treue Seele. Vor allem wenn es um mich geht hat sie schon einige Male ein Auge zugedrückt. Denn es ist nicht das erste Mal, dass ich mich durch Deans Aggressionen blaue Flecken oder Schürfwunden zugezogen habe. Manchmal frage ich mich, ob sie etwas über ihn weiss, weil sie nie etwas dem Direktor oder meinen Eltern gesagt hat. 

Denn eigentlich wäre sie ja dazu verpflichtet. Das fällt mir aber erst heute so richtig auf und lässt mich auch auf dem Weg nach Hause nicht los. Dort angekommen lege ich mich ins Bett, denn meine Kopfschmerzen lassen nichts anderes ausser Schlafen zu. Doch auch dort träume ich von Dean und das erschreckende daran ist doch, dass er mir keine Angst macht. Nicht mehr jedenfalls. Ich schrecke hoch, als ich mich jemand an der Schulter rüttelt.

„Emily, wach auf. Ich bin es, Mom", höre ich die Stimme meiner Mutter.

„Mom?", frage ich verschlafen. Sie streichelt mir über den Rücken und setzt sich neben mich.

„Eine Krankenschwester von deiner Schule hat mich angerufen und gesagt, dass du gestürzt bist. Wieso hast du uns nicht angerufen?" Ich kaue auf meiner Lippe und kämpfe gegen den leichten Schwindel an. Hat sie also doch angerufen. Zum ersten Mal. Aber wieso? Wieso gerade heute?

„Ich wollte euch nicht stören", lüge ich. Meine Mutter sieht mich ernst an und erklärt mir, dass ich sie immer anrufen könnte. Ich nicke und sage ihr, dass ich das nächste Mal bestimmt anrufen werde.

„Ich hol' dir eine Tablette gegen die Schmerzen", flüstert sie und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich nicke und lege mich wieder hin, als meine Mutter wieder kommt nehme ich die Tablette und spüle sie mit einem Schluck Wasser runter. „Und jetzt ruh dich aus." Sie streichelt mir über den Kopf und haucht mir einen Kuss auf die Stirn.

„Danke Mom", flüstere ich bevor ich auch schon wieder eingeschlafen bin. Dieses Mal suchen mich keine Alpträume ein und ich schlafe seit Tagen wieder einmal durch. 

--------------------------

Ein kürzeres Kapitel, aber es geht gleich weiter!

Eure Amanda 

bernsteinfarbenWhere stories live. Discover now