Mein Therapeut und ich - Part VI

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Amanda! Verdammt! Wie konnte ich das nur vergessen?!

Jaden Fox machte auf dem Parkplatz der Klinik kehrt und betrat zum zweiten Mal das Gebäude. Wieder stieg er die Stufen im Treppenhaus hinauf, bis zu der Etage, in der sich Amandas Klinikzimmer befand.

Zimmer 114.

Er suchte zuerst das Schwesternzimmer auf und informierte Schwester Maria, dass Amanda Feeney bereits entlassen wurde und das Zimmer wieder zur Verfügung stünde. Schwester Maria nickte ihm bestätigend zu, dass sie verstanden habe.

Kurz darauf betrat Jaden Amanda's kleines Patienten-Einzelzimmer, welches jeder Patient dieser Klinik für eine bestimmte Zeit bewohnen durfte. Er sah den weißen Kleiderschrank an einem der 4 Wände stehen gegenüber des vergitterten Fensters. Abermals schüttelte er den Kopf, als er diese vergitterten Fenster sah. Er konnte nachvollziehen, dass man sich hinter so einem Fenster wie in einem Gefängnis vorkam, obwohl dies hier nur eine Klinik war. Wieso also dann diese Gitter?

Jaden zog Amandas Reisetasche aus dem Kleiderschrank hervor, stellte sie auf ihrem gemachten Bett ab und begann ihre ordentlich zusammengelegten Kleider, Handtücher und andere Utensilien in der schwarz-blauen Reisetasche zu verstauen. Im oberen Regalbereich des Kleiderschrankes entdeckte er noch ihren Rucksack, den er ebenfalls mit Amandas Sachen befüllte. Ihren kleinen anthrazitfarbenen kleinen Bettgesellen, ein Tier mit Hörnern und Flügeln mit riesigen Augen und einem frechen Grinsen, setzte er als letztes in den Rucksack ehe Jaden Fox Rucksack und Reisetasche verschloss.

Der Doc warf einein letzter Blick mit prüfenden Augen durch das kleine Klinikzimmer, auf der Suche nach Gegenständen oder Sachen, die er eventuell vergessen hatte, einzupacken. Doch alles war leer geräumt und sah verlassen aus. Zufrieden wandte Jaden sich zur Tür und verließ mit geschultertem Rucksack und Reisetasche in der linken Hand das Zimmer. Er schloss die Zimmertür und bahnte sich seinen Weg zurück über den Klinikflur, das Treppenhaus hinunter bis zum Parkplatz, auf dem sein Wagen parkte.

Jaden stellte die Reisetasche und den Rucksack neben seinem Auto ab, ehe er mit seinem Schlüssel die Heckklappe des Wagens öffnete, in welches er die beiden Gepäckstücke verstauen wollte.

“Ah, hier bist du! Willst du verreisen?” hörte er den Klang einer ihm sehr vertrauten Stimme.

“Hallo Elisa! Nein, ich hole nur für jemanden die Sachen ab. Was machst du hier?”

“Ich habe bei dir zu Hause angerufen, aber du bist nicht rangegangen. Da es außer der Klinik keinen weiteren Ort gibt, an den man dich finden kann, bin ich hergekommen. Tada!”

Elisa streckte die Arme in die Luft und grinste ihren Bruder Jaden verschmitzt an.

“Wolltest du etwas bestimmtes?”

“Oh ja, aber erst mal, komm her und lass dich umarmen!”

Elisa schlang ihre schlanken Arme um Jadens Körper und drückte ihn ganz fest. Er mochte das gar nicht und war froh, als sie ihre Umarmung von ihm löste.

“Also?” hakte Jaden nach.

“Ach, mir war langweilig und ich wollte ein wenig mit dir reden. Du hast doch heute frei und ich dachte, wir unternehmen etwas zusammen.”

“Das geht leider nicht. Ich habe schon etwas vor.”

“Ach komm schon, Jaden! Ein bisschen Zeit für deine große Schwester wirst du doch wohl übrig haben.”

Elisa wusste genau, wie sie Jaden anpacken konnte, um zu kriegen, was sie wollte. Sie erkannte es in seiner Mimik, wenn sie ihn wieder überredet hatte und lächelte zufrieden.

“Also gut. Auf einen kurzen Kaffee. Aber wie gesagt, nur kurz.”

“Oh, wieso hast du es denn so eilig? Wartet eine Frau auf dich?”

“Ähm... Ich möchte die Sachen schnellstmöglich abliefern, da sie bereits erwartet werden. Ich hatte es versprochen.”

Jaden war verlegen und seine Schwester entging das absolut nicht.

“Okay, dann bringen wir die Taschen sofort zu seinem Eigentümer oder seiner Eigentümerin und dann können wir doch einen kleinen Kaffee trinken gehen.”

“Elisa, nein. So geht das nicht.”

“Wie denn dann, Bruderherz?”

Oh man, wie sollte Jaden seiner Schwester das mit Amanda erklären? Und vor allem, dass sie bei ihm übernachtet hatte?

“Du verheimlichst doch etwas, Jaden.”

“Nein, mache ich nicht. Bist du hergelaufen oder mit deinem Auto?”

“Ich bin zu Fuß. Du weißt doch, dass ich gern laufe. Wie du.”

“Okay, dann steig ein. Wir fahren zum Cafè Diem wie üblich.”

Jaden schloss den Kofferraum, umrundete sein Auto, stieg ein und startete den Motor. Genervt wartete er hinter seinem Lenkrad auf seine ältere Schwester, die wie üblich trödelte.

Ich saß auf der Couch von Jaden vertieft in die Geschichte “Moby Dick” als ein schriller Klingelton mich aus der Geschichte riss und ich beinahe das Buch fallen ließ. Meine Augen suchten im Wohnzimmer umher, auf der Suche nach dem schrillen Klingeln. Als ich es im Wohnzimmer nicht entdecken konnte, erhob ich mich und schritt durch die Wohnung bis ich in der Küche das klingelnde Telefon ansteuerte, davor stehenblieb und überlegte, ob ich den Hörer abnehmen sollte oder nicht. Ich war nur Gast in diesem Heim.

Was, wenn es jemand aus der Klinik war und sie anhand ihrer Stimme wieder erkennen würde? Dadurch würde Jaden erst recht in Verdacht geraten.

Ich ließ das Wandtelefon klingeln bis es endlich aufhörte und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Auf das Buch hatte ich keine Lust mehr, so dass ich mich der kleinen Musikanlage widmete, die auf einem Regalbrett neben einer ganzen CD-Sammlung stand. Ich drückte den Power-Knopf und hörte, wie das CD-Fach zu arbeiten begann. Die CD surrte darin im Kreis und aus den Lautsprechern drangen leise die Klänge von “Possibility” von Lykke Li und “Flightless bird” von American Mouth. Beides Songs, die ich sehr gern mochte.

Jaden hatte Geschmack. Und das gefällt mir.

Über der kleinen Anlage hing ein Foto von einer Palme, die über dem azurblauen Meereswasser hing, an der eine Art Schaukel provisorisch befestigt war. Ich erkannte dieses Bild sofort wieder, denn in Jadens Arztzimmer in der Klinik hing es ebenfalls. Ich mochte diese Aufnahme sehr, denn sie entspannte mich sofort bei ihrer Betrachtung, rief eine Ruhe in mir herauf sowie eine unendliche Sehnsucht nach diesem fremden wunderschönen friedlichen Ort.

Ich ringelte mich wieder auf die Couch, nahm das Buch “Moby Dick” aber nicht wieder auf, sondern schloss meine Augen, lehnte meinen Kopf zurück an die Rückenlehne des Sofas, ließ die Musik laufen und mich von ihr berauschen. Es war herrlich, so entspannt auf der Couch zu sitzen, sich von wunderschöner Musik mit seinen schönen Texten berieseln zu lassen und seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

Mein Therapeut und ichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt