Kapitel 15 - Gitarre

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"Scheiße, Annabell. Was ist denn los?", verschlafen rieb Luke sich die Augen. Ich schlug mir beide Hände vor den Mund, um mich dazu zu bringen, mit dem Schreien aufzuhören. Dabei fiel mir jedoch mein Handy runter und landete so auf dem Polster des Sofas, dass es wieder stockdunkel wurde. Sofort wallte in mir Panik auf und ich gab ein Wimmern von mir. Das Licht ging erneut an, diesmal war es Lukes Handy. Es beleuchtete das schreckliche Szenario und er keuchte erschrocken auf: "Wieso ist mein Shirt voller Blut? Hast du dir was getan?" Ich schüttelte den Kopf, ging dann in Gedanken meinen ganzen Körper durch - nichts, keine Schmerzen - und schüttelte wieder den Kopf. Ich ließ meine Hände sinken, um etwas zu sagen, als ich bemerkte, dass sie ebenfalls blutverschmiert waren. Luke sah mir ins Gesicht und sein Mund klappte auf: „Ohje, dein ganzes Gesicht ist voller Blut. Ich glaube, du hattest Nasenbluten. “ „Ich hatte Nasenbluten?!“, das war eher eine Frage als eine Feststellung. „Ziemlich heftiges Nasenbluten“, bemerkte er.Im nächsten Moment fingen wir beide an, zu lachen wie die Irren.

„Aber was machen wir jetzt mit meinem Oberteil und mit deinem? Blut geht doch schlecht raus.“, stoppte Luke unser Lachen irgendwann. „Stimmt. Los, zieh dich aus.“ Über die Zeiwdeutigkeit dieses Satzes machte ich mir keine Gedanken. Er zog sich das Shirt über den Kopf und saß nun oberkörperfrei vor mir. Ich schnappte mir den Stoff aus seiner Hand und machte mich auf den Weg, es einzuweichen, während ich ging zog ich mir selbst mein Top aus. Im Bad warf ich beide Teile ins Waschbecken und wusch mit eiskaltem Wasser den Großteil des Bluts heraus. Nach ein paar Minuten kam Luke herein: „Und, klappt’s?“ Ich nickte und stellte das Wasser aus, da ich soweit fertig war: „Jetzt liegt es an der Waschmaschine, unsere Oberteile zu retten.“ Ich drehte mich um und stutzte, der Australier war immer noch halbnackt und jetzt fiel mir auf, dass ich auch nur in BH vor ihm stand. Ich wollte gerade in mein Zimmer entschwinden, das zwang mich ein plötzlicher Schmerz in die Knie, meine Hände ‘tauten‘ wieder auf. Mit schmerzverzehrtem Gesicht klemmte ich sie in meine Kniekehlen und versuchte sie so zu wärmen. Doch das machte es nur schlimmer und ich schrie ein paar Mal leise auf, als meine Haut von tausenden unsichtbaren Nadeln zerfetzt wurde. Luke kauerte sich neben mich, zog meine Hände zu sich und pustete sie vorsichtig an, als würde er Suppe kalt pusten und - oh Wunder - es half. Während wir dort so auf dem Boden saßen, nahm ich Lukes Blick auf mir war, wie er meinen kaum bedeckte Oberkörper betrachtet. Ich schaute ihn nicht an, sonder starrte auf meine Hände, die in seinen lagen. Langsam konnte ich meine Finger wieder fühlen und Luke ging wohl auch die Luft aus. Ich lächelte ihn dankbar an und floh dann endlich vom Badezimmerboden.

In der Nacht schlief Luke neben mir im Bett, wie immer. Ich fühlte mich auch nicht mehr unwohl, sondern sicher, wenn der blonde Idiot neben mir lag. Am nächsten Tag, Sonntag, wachte ich auf und fühlte mich direkt beobachtet. Von links blitzten mir zwei leuchtend blaue Augen entgegen und als sich unsere Blicke trafen, fing er an zu grinsen. Ich drehte mich murrend auf die andere Seite, so früh am Morgen konnte ich noch nicht lächeln. Eine halbe Ewigkeit wartete ich darauf, dass er etwas sagte oder aufstand, aber nichts passierte. Irgendwann wurde es mir dann zu blöd, ich schwang meine Beine aus dem Bett und richtete mich schwankend auf. Genauso wie meine Emotionen war auch mein Gleichgewichtssinn am Morgen nicht der Beste. „Okay, aufstehen Roberto, ich muss mein Bett neu beziehen.“ „Das is jetzt nen Scherz.“, entsetzt sah Luke mich an. Ich tippte abwartend mit dem Fuß auf den Boden, doch er zog sich die Decke bis zur Nase hoch und machte große Augen. „Versuchst du gerade niedlich zu wirken?“, schnaubte ich, er sah nämlich eher wie eine Eule aus. Ich begann an der Decke zu ziehen, aber Luke hielt sie fest und schrie: „Ich kann das Bett nicht verlassen. Diese Decken haben mich als einen der ihren akzeptiert und wenn ich jetzt aufstehe, verliere ich ihr Vertrauen.“ Augenrollend ging ich aus dem Raum und ins Badezimmer. Bei meiner Rückkehr war der nervige Australier verschwunden und ich hörte irgendwo im Haus Geräusche.

Schulterzuckend zog ich das Bett ab und erschrak fast zu Tode, als ich mich umdrehte und Luke plötzlich hinter mir stand. In der einen Hand hielt er ein Kissen, in der anderen Dad’s alte Gitarre und auf dem Kopf trug er einen Zylinder. „Guck mal, was ich in dieser komischen Rumpelkammer den Flur runter gefunden hab.“, stolz wedelte er mit der Gitarre vor meinem Gesicht herum. „Cool“, gab ich teilnahmslos zurück und machte mein Bett weiter fertig. „Ich dachte, wir probieren die Sachen mal aus“, teilte er mir mit und dann klatschte ein Kissen seitlich gegen meinen Kopf. Unvorbereitet wie ich war, taumelte ich leicht zur Seite, griff aber auch zu einem Kissen und fegte Luke den Zylinder vom Kopf. Es begann eine Kissenschlacht der Superlative, bei der etliche Dinge in meinem Zimmer kaputt gingen. Total geplättet und außer Atem ließen wir uns schließlich nebeneinander auf die Matratze fallen. Unser kleiner Krieg hatte meine Laune erheblich verbessert und als Luke jetzt schmollend am Kissen zupfte, weil da ja keine Federn rausgekommen wären, wie in den Filmen, musste ich mir ein Lachen verkneifen.

„Was genau hast du mit Dad‘s alter Gitarre vor?“, fragte ich. „Darauf spielen. Was denn sonst?“ „Du kannst Gitarre spielen?“, erstaunt musterte ich den Blonden und auf einmal kam mir der Gedanke eines musikalischen Lukes gar nicht mehr so abwegig vor, immerhin konnte er gut singen. „Mit verbundenen Augen im Schlaf, während ich mit den Füßen eingeschaltet Mixer jongliere.“ Selbstbewusst nahm er sich das Instrument und begann zu spielen. Es war eine schöne, traurige und unbekannte Melodie. Danach folgten Lieder, die ich kannte, Fireflies, Wonderwall und Wake Me Up When September Ends. „Ich will auch mal“, fordernd streckte ich die Hände aus. Luke übergab mir die Gitarre und ich entlockte ihr ein paar Töne, die wie Boulevard of Broken Dreams klingen sollten. „Was war denn das?“, machte er sich über mich lustig. „Ach, halt die Klappe…das sollte Boulevard of Broken Dreams sein.“, murrte ich. Kichernd zog der Australier mich auf seinen Schoß, was meinen Körper dazu brachte, sich zu verkrampfen. Mir war es schon immer unangenehm gewesen, bei jemandem auf dem Schoß zu sitzen, selbst bei meinem Ex. „Also, du legst am Anfang die linke Hand so hin“, wies er mich an und rückte meine Hand mit seiner in die richtige Position „und dann ziehst du deine rechte Hand einmal über die Saiten. Danach legst du die Hand so hin, wieder über die Saiten und als nächstes so, über die Saiten und dann-“ „Ach du heilige Wunderlampe, da muss man ja ewig oft wechseln.“, missmutig runzelte ich die Stirn, da ich jetzt schon einen Krampf in der linken Hand bekam.

Lukes Lachen erklang direkt an meinem Ohr: „So ist Gitarre spielen nun mal.“ „Wie lange spielst du schon?“, ich wandte den Kopf nach links, um ihn besser ansehen zu können und blickte direkt in sein Gesicht. Zwischen unseren Nasenspitzen war vielleicht noch eine Handbreit Platz. Stille. Wir saßen von Angesicht zu Angesicht da und sein Blick wanderte immer wieder zu meinem Mund. Langsam kam er noch näher und wisperte dann direkt vor meinen Lippen: „Lange.“ Sein warmer Atem strich über meine Lippen. In meinem Bauch bildete sich ein Knoten, der mir einerseits zurief, einfach die Lücke zwischen uns schließen und andererseits, dass ich doch vollkommen verrückt sein müsse, diesen Jungen küssen zu wollen. Ich kannte ihn eine Woche, bei meinem Ex hatte ich es erst Monate, nachdem wir uns kennengelernt hatten zu gelassen. Nun berührten sich unsere Nasenspitzen und ich hätte statt diesem hässlichen Knoten, lieber ein Engelchen und ein Teufelchen, welche sich gegenseitig abstechen, auf jeder Schulter gehabt. Bevor unsere Lippen sich schließlich treffen konnten lehnte ich mich leicht zur Seite und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann stand ich schnell auf, legte sie Gitarre aufs Bett und ließ einen baffen Luke auf dem Bett zurück.

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So, mein erstes Update aus dem Urlaub. Hier ist es so herrlich warm :3

Und da war er, ihr erster Fast-Kuss. Shippt ihr Lubell auch so hardcore? xD

Und danke für die vielen lieben Kommis (ich freu mich immer, wie ne Doofe und lauf den ganzen Tag mit ‘nem Dauergrinsen durche Gegend) und die ganzen Votes *0* 

Widmung geht an @elea_lovee <3

~Myrilja ^^

Homeless Boy - Luke HemmingsWhere stories live. Discover now