Kapitel 12 - Der Maulwurf und die Erde

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Ich konnte nur einen schwarzen Haarschopf ausmachen und wusste schon, wer mich da zu Tode erschreckt hatte. „Aaron?", entgeistert schaute ich von meinem Platz auf dem Boden zu ihm auf. „Hey Tinkerbell", aus der Dunkelheit funkelten mich zwei Augen an. „Oh mein Gott, Aaron. Was machst du denn schon hier?", ich sprang auf und fiel ihm um den Hals. Vermutlich hätte ich mich wundern sollen, wie er ins Haus gekommen war. Aber er besaß schon seit Jahren einen Schlüssel, denn er war mein bester Freund seit ich denken konnte und wohnte fast hier. Samira und er zickten sich durchgehend an und es war richtig anstrengend mit den beiden im selben Raum zu sein, ohne auszuflippen. Aaron war halb Japaner, halb Engländer und sah seinem japanischen Vater ähnlicher, als seiner Mutter. Früher war er im Kindergarten wegen seinem Aussehen gehänselt worden, einmal war ich mit ihm sogar deswegen weggelaufen. Wir hatten es bis zum Spielplatz drei Straßen weiter geschafft, wo wir unter der Burg eine ganze Nacht durchgehalten hatten, bis unsere Eltern uns fanden. Da er gerade auf meinem Bett hockte, konnte er den Schwung nicht abfangen und wir kippten zur Seite um. „Eigentlich müsstest du doch morgen nochmal durch die Straßen von Paris laufen und erst morgen Abend in den Flieger steigen." Aaron löste sich von mir und grinste, seinen weißen Zähne leuchteten in der Dunkelheit: „Schon, aber dort war so blödes Wetter, da kann ich die letzten zwei Ferientage besser hier verbringen." „Aber hier ist auch schlechtes Wetter", stellte ich frustriert fest. „Das stimmt, an beiden Orten ist schlechtes Wetter, aber du bist hier. Erzähl mal, was hier in den Ferien so los war." Ich dachte nach und da war er wieder, Luke. Kurz hatte ich nicht an ihn denken müssen, doch jetzt war er in meine Gedanken zurückgekehrt. Ich vergrub ich mein Gesicht in den Händen und begann unvermittelt zu weinen.

„Oh man, was ist passiert?", Aaron legte die Arme um mich und klopfte mir beschwichtigend auf den Rücken. Dadurch wurde ich etwas ruhiger, bis er mich leicht schüttelte: „Bell, erzähls mir." Ich riss mich zusammen und begann zu berichten, nach den ersten Sätzen fing ich wieder an, zu weinen, setzte meine Geschichte aber tapfer fort. Bis ich zum heutigen Tag kam und meine Hände unkontrolliert begannen zu zittern. Noch nie hatte nur der Gedanke an einen Menschen mich so emotional werden lassen. Ich brauchte eine ganze Weile, bis ich es schaffte, mich verständlich auszudrücken und Aaron die Katastrophe zu schildern. Als ich endete war es kurz still, dann schnalzte mein bester Freund abschätzig mit der Zunge: „Um sicher zu gehen, dass ich dich richtig verstanden hab: Du hast einen Wildfremden hier schlafen lassen, der auch ein Vergewaltiger oder sonst was hätte sein können, er hat dich wie ein Pädophiler beim umziehen beobachtet, hat das Bad unter Wasser gesetzt, dein Essen weggefuttert, hat einfach so in deinem Bett geschlafen und ist heute dann dreist abgehauen?" Ich schlug ihn unter Tränen auf den Arm: „D-du hast ja n-nur die n-negativen Sachen a-aufgezählt."

In den darauffolgenden Stunden erzählte ich ihm, wie toll Luke war und was genau noch passiert war. Ich merkte selbst, wie ich ins Schwärmen geriet, als ich von Lukes lieber Art erzählte. Aaron hörte mir brav zu und machte keinen Mucks. Irgendwann blieb mein Blick an meinem Wecker hängen und ich stockte, es war fast 3 Uhr morgens. Nun bemerkte ich auch, dass mein Kumpel neben mir auf dem Weg ins Traumland war Seine Augenlieder sanken immer tiefer, bis er schließlich leise anfing zu schnarchen. Grummelnd legte ich mich gemütlich hin und schlief ein.

Am nächsten Morgen ließ ich meine Augen erst noch geschlossen, weil es so verdammt gemütlich war. Richtig wach wurde ich erst, als jemand die Vorhänge beiseite zog und die Sonne mir direkt ins Gesicht schien. Empört schrie ich auf und zog mir die Decke über den Kopf. Kurz darauf zerrte jemand am anderen Ecke, sie rutschte mir aus den Fingern und ich blinzelte: „Man Luke, lass mich schlafen." „Ähm, hier ist Aaron und du kriechst jetzt aus deinem Bett, entfernst deinen Panda-Look unter der Dusche, ich mach dir solange Frühstück, dann gehen wir in die Stadt und kaufen dir ein paar hübsche Klamotten, für Montag.", er klatschte in die Hände, was mich unangenehm an einen Designer 'vom anderen Ufer' erinnerte. Es hätte mich in diesem Augenblick nicht gewundert, wenn er seine schwarzen Haare mit 3 Tonnen Haarspray zurückgekämmte und sich mit irgendeinem Stinkeparfum eingesprüht hätte. Die Tatsache, dass ich gestern erst in London war, erwähnte ich nicht, dann wäre er nur enttäuscht gewesen. Aaron liebte shoppen, noch mehr als ich. „Gott A, weißt du eigentlich, wie das wirkt in Kombination mit dem Hände klatschen?", lachte ich. Er zeigte auf mich: „Da, du lachst, das ist gut.", dann überdachte er meine Worte und verzog sein Gesicht „Du hast echt zu viele Vorurteile." Mein bester Freund drehte sich um und ging. Eigentlich hatte ich nicht das Bedürfnis aufzustehen, aber der Gedanke an eine Dusch war so verlockend, dass ich mich doch aus dem Bett hievte.

Homeless Boy - Luke HemmingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt