Tattoos, Tunnelblick, Tod

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Als ich endlich entlassen wurde, stürmten Brosnan, Tom und Johannes gleich auf mich zu. "Alles gut?", fragte Johannes. "Bist du verletzt?, fügte Tom hinzu. "Was ist passiert?", erkundigte sich Brosnan. "Ja, nein und ziemlich viel. Wir werden heute Nacht wahrscheinlich angegriffen. Von meinem Vater. Ich habe ein Gespräch zwischen einer Patrouille mit angehört." Kurz war Stille, dann sagte Tom: "Lol." Ich zog die Augenbrauen zusammen. "Du lachst gar nicht lait", klagte Brosnan ihn an. Tom stieß ihm den Ellbogen in die Seite und rief: "HA. HA. HA." Ich betrachtete das Geschehen belustigt. Da sah ich aus dem Augenwinkel, dass der Käpt'n in unser gemeinsames Zelt ging. Ich ließ die anderen bei ihrem Gespräch und folgte ihr. Als ich das stickige Zelt betrat, bot sich mir ein einmaliger Anblick: der Käpt'n hatte ihr Hemd ausgezogen und mir den Rücken zugedreht. Auf ihrer Haut kringelte sich ein tättoowierter schwarzer Drache. Seine nach links gedrehte Schnauze endete an ihrem Hals, sein Schwanz an ihrem linken Oberschenkel, die Flügel waren bis zu den Ellbögen ausgebreitet. Ich wunderte mich, dass ich das Tattoo nie zuvor bemerkt hatte. Sie zog sich gerade einen BH an. Ich tat einen weiteren Schritt nach vorne und stieß mit dem Fuß gegen eine Tasche. Der Käpt'n drehte sich so schnell um, dass sie kurz vor meinen Augen verschwamm. Ihr Fäuste waren kampfbereit erhoben. Ich hob abwehrend die Hände. "Ich bins nur", sagte ich verlegen. Sie ließ ihre Arme wieder fallen und schnaubte. "Es ist selten, dass jemand es schafft, mich zu erschrecken." Ich grinste und deutete einen Knicks an. "Cooles Tattoo übrigens", sagte ich. Sie nickte knapp. Da sah ich die vielen Narben an ihrem Oberkörper, ein paar natürlich verheilt und ein paar von der seltsamen Creme behandelt. An einer Narbe an ihrem rechten Oberarm blieb ich hängen. Ich betrachtete meinen eigenen Oberarm. Sie sahen identisch aus. Von verschiedenen Waffen, Waffenarten und Personen, aber exakt an derselben Stelle und exakt von derselben Größe. Das ist doch physikalisch nicht möglich? Auch dem Käpt'n schien das aufzufallen, denn sie runzelte verwirrt die Stirn. "Das ist mir ja noch nie untergekommen." Ich zuckte mit den Schultern und grinste sie an. "Wir sind einfach verbunden." Das letzte Wort sang ich mit der Melodie dieses Wortes aus einem berühmten Lied. Der Käpt'n verzog das Gesicht. "Ich hasse dieses Lied." "Hab ich mir schon gedacht."

Nervös kaute ich an meiner Unterlippe. Bei jedem Geräusch rauschte erneut Adrenalin in meinen Körper. Ich war bis zum Zerreißen angespannt, meine Muskeln taten aber langsam weh. Ich kauerte mit dem Rücken an einem Baum, nicht weit von dem Zelt entfernt, in dem ich schlief. Ich sah keinen von den anderen, was zwar gut war, mich aber auch beunruhigte. Seit drei Stunden kauerte ich schon hier. Ab und zu drang ein Husten oder ein Niesen aus dem Dickicht, ansonsten war es still. Ich hatte Mitleid mit den Demirobots. Die eine Hälfte war krank, die andere hatte extreme Stimmungsschwankungen. Das Toxicum Ferrum machte ihnen mehr zu schaffen, als sie es zugeben wollten. Ich hatte Angst um sie. Plötzlich kam mir in den Sinn, dass meine Mutter immer krank war. Jeder aus dem Schloss hatte mir gesagt, dass es gut war, dass sie gegangen war, weil es wohl kurierend auf sie wirken würde, am Meer zu leben. Dabei reagierte sie nur auf das Toxicum Ferrum. Außerdem lebteb wir ja selbst am Meer. Alles Lügner, schoss es mir durch den Kopf. Aber was hätten sie sagen sollen? Dein Vater ist ein Lügner und hat deine Mutter ermorden lassen? Sie wären selbst am Henker gelandet und ich hätte ihnen trotzdem nicht geglaubt.

Da knackste ein Zweig. Instinktiv hielt ich die Luft an. Blätter raschelten und gedämpfte Fußstapfen erklangen. Sie kamen von links. Ich blieb reglos in meiner Position. Langsam ging mir die Luft aus. Plötzlich war alles still. Die Vögel hatten aufgehört zu zwitschern. Der Wind hatte aufgehört zu blasen. Nichts regte sich. Totenstille. Da zerriss ein Brüllen die Nacht. Man sah, wie Männer auf die Zelte zu rannten, Fackeln in der einen Hand und Schwerter oder Pistolen in der anderen. Sie wollen die Zelte in Brand stecken, schoss es mir durch den Kopf. Da ertönte hinter mir ein leises Pfeifen. Das Signal. Ich wartete noch eine Sekunde. Plötzlich stürmten dutzende von Männern aus den Gestrüpp, unsere Männer. Sie stürzten sich, die Waffen vorgestreckt, auf die Soldaten des Königs. Ein Gemetzel spielte sich vor meinen Augen ab. Die Soldaten waren von dem Hinterhalt überrumpelt, weshalb wir ihnen von Anfang an überlegen waren. Endlich verließ auch ich meinen Posten und stürzte mich ins Getümmel. Ich beschloss, dass ich meine Kräfte nicht einsetzen würde. Wenn die Soldaten und vor allem mein Vater nicht wussten, dass ich erweckt wurde, sollte das auch so bleiben. Meine Schwertkünste reichten auch aus, um uns einen Vorteil zu verschaffen. Mitten im Kampf wurde meine Aufmerksamkeit plötzlich nach oben geleitet. Durch das fahle Mondlicht konnte eine Gestalt auf den Mauern ausmachen. Wie gebannt starrte ich sie an. Ich wusste, dass ich diese Person kannte. Plötzlich gesellte sich eine zweite Gestalt zu ihm und sein Gesicht wurde erhellt. Ich erkannte, dass es mein Vater war. Und ich wusste auch, dass er mich sah. Beim Kämpfen. Gegen ihn. Sein Blick war wie immer unergründlich für mich. Wir starrten uns einfach gegenseitig an, selbst, wenn ich mir der dauernden Gefahr bewusst war, verletzt oder getötet zu werden. Ich konnte mich einfach nicht abwenden. Da bewegte der König seinen Mund und formte lautlos das Wort "Warum".

Plötzlich wurde ich zur Seite gestoßen. Für eine Sekunde geriet meine Welt aus den Fugen. Mein Körper fiel zu Boden. Ich stieß mir den Kopf an irgendeinem Stiefel. Ich keuchte auf. Dann blinzelte ich und erkannte, dass ein Soldat über mir stand. Er hatte die Schwertspitze auf meine Kehle, sein Gesicht aber zum König gerichtet. Ich konnte förmlich die Frage hören, obwohl er nichts sagte und mir den Rücken zugewandt hatte: Darf ich sie töten? Schnell rappelte ich mich auf. Von einer plötzlichen Wut gepackt hieb ich ihm den Kopf ab. Zumindest versuchte ich es, mein Schwert blieb aber auf halbem Wege in seinem Hals stecken. Der Mann drehte seinen Kopf ungläubig zu mir um, unsere Blicke trafen sich, pures Entsetzen lag in seinem Blick, dann rollten seine Augen nach hinten und er fiel auf den Rücken. Mein Schwert steckte noch in ihm, ich hatte es vor Schreck losgelassen. Es war gewiss nicht das erste Mal, dass ich jemanden getötet hatte. Es war aber das erste Mal, dass ich es mit voller Absicht tat. Angewidert stolperte ich zurück. Das Blut strömte wie ein Bach aus der Wunde. Der Kopf hing halb an seinem Körper und ich konnte das Fleisch sehen. Ich fiel auf die Knie und gab mein Abendessen preis. Niemals wieder...

Hallo Menschen,
kurze Frage(n) nebenbei: Wer ist euer Lieblingscharakter? Wen mögt ihr am wenigsten? Und mit wem könnt ihr euch am meisten identifizieren? Würde mich interessieren!
Peace,
Eure Vidka😁❤

She saved me from the storm | ✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt