Sommer unter Segeln 20

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Nicole schläft die ganze Nacht durch und wacht wie immer durch die Sonne auf. Heute kann sie der Wärme und dem Licht nichts abgewinnen und sie weiß einfach nicht, was sie tun soll.
Fabian hat ihr seine Liebe gestanden, aber Nici ist sich so unsicher, was sie glauben soll. Davor kam das nie zur Sprache und es schien, als wäre er nicht der Typ Junge, der mit den drei Worten schnell mal um sich schmeißt.
Nici weiß selber, dass sie einfach nur nach einem Hoffnungsschimmer sucht, irgendetwas, damit es so wird, wie es war. Es ist Schwachsinn und auch das weiß sie bestens. Aber wieso sollte Fabi ihr nachrennen und sie anbetteln, wenn Nici ihm nichts bedeuten würde und ihre Wege sich eh heute trennen werden? Bei dem Gedanken könnte Nicole wieder anfangen zu weinen. Wenn sie das nicht bald klären, werden sie sich nie wieder sehen. Weil es nie nötig war, haben sie noch nicht mal Nummern ausgetauscht.
Nici zieht sich an, immer noch unentschlossen, ob sie ihm eine Chance geben will, oder ihn einfach ganz vergessen soll. Sie sucht sich eine Hotpants und ein weißes Shirt und vertieft sich weiter in ihre Gedanken. Sie könnte jetzt mit ihm abschließen, ihm bis sie ablegen aus dem Weg gehen. Die Zeit heilt alle Wunden und sie müsste sich nicht mit einer Fernbeziehung rumschlagen. Sicher wäre es schön gewesen, aber trotzdem nicht unbedingt leicht. Zum anderen könnte sie mit ihm reden, vielleicht hat er noch etwas, das er ihr dazu sagen will, oder Nici könnte ihm verzeihen, wenn er sich richtig entschuldigt. Zugeben kann Nici es nicht, aber sie weiß, dass sie so verliebt ist, dass sie ihm sofort in die Arme fallen würde, selbst wenn er nur ganz leise "sorry" murmeln würde. Das muss verhindert werden, denkt Nici. Sie beschließt, ihm aus dem weg zu gehen. Wenn sie ihn nicht mehr sieht, muss sie nichts mit ihm klären und irgendwann wird sie ihn vergessen können. Also zieht sie ihre Hose wieder aus. Je länger sie in ihrer Koje bleibt, desto besser. Aber nach zehn Minuten hält sie es nicht mehr aus und steht schließlich doch auf. Anna ist auch schon wach und Nicole überlegt, wie sie sich am besten für den vergangen Abend entschuldigen kann. Anna scheint ihr schon fast verziehen zu haben, also geht Nici auf sie zu.
"Hey Anna. Also wegen gestern... Es tut mir echt leid, dass ich dich so angebrüllt habe. Ich bin ja eigentlich gar nicht auf dich wütend. Also... Sorry."
Anna lächelt sie schon wieder an und Nici ist froh, dass manches so einfach sein kann.
"Ist schon ok. Aber können wir jetzt echt mal über Fabi reden?"
Sobald sie wieder an ihn denkt, fährt Nici der Schmerz durch den Körper und sie möchte sich verkriechen und weinen. Trotzdem nickt sie vorsichtig, klammert sich an den kleinen Hoffnungsschimmer, dass Anna doch noch etwas retten kann, was verloren scheint.
"Okay Nicole."
Anna hält inne, als ihre Mutter dazu kommt. Diese sieht den Blick der beiden Mädchen und fragt: "Oh störe ich?"
"Joa..." Die Schwestern schauen sich an und nicken vorsichtig. Ihre Mutter lacht nur.
"Ihr könnt später weiter reden! Nicole du deckst den Tisch und Anna du gehst Brötchen holen. Wir brechen heute schon ziemlich früh auf."
Jetzt kommt auch noch ihr Vater dazu und ergänzt die Erklärungen seiner Frau.
"Genau! Heute morgen haben wir die perfekten Wind-Verhältnisse. Es ist jetzt kurz nach acht und spätestens halb zehn will ich auf dem offenen Meer sein."
Anna will das Gespräch nicht noch länger verschieben, aber der mahnende Blick ihrer Eltern lässt sie schnell zum Bäcker rennen. Nicole deckt brav den Tisch. Dabei wagt sie ab und zu einen vereinzelten Blick auf die "Maranta". Es scheint, als wäre noch niemand wach. Vermutlich legen die Taskers später ab. Nicole wünscht sich so sehr, Fabian nochmal zu sehen, obwohl sie weiß, dass es ihr nicht gut tun würde. Als Anna zurück ist, frühstücken sie gemeinsam und von ihrem Platz aus, sieht Nici nach kurzer Zeit, wie Fabi an Deck kommt. Er wirft ihr einen Blick zu, den sie nicht deuten kann. Aber es fühlt sich an, als reiße er ihr ein weiteres Mal ihr Herz heraus, mit seinen perfekten Haaren, Augen, der Ausstrahlung und dem Lächeln. Schnell wendet Nici den Blick ab.
Nach dem Frühstück räumen ihre Eltern ab, damit sich Anna und Nicole von den Taskers verabschieden können. Anscheinend haben sie nichts von der Katastrophe mitbekommen. Mal wieder typisch, denkt Nici. Die Welt bricht zusammen, aber mitbekommen tun sie es nicht. Ist ja schließlich nicht ihr Thema. Dafür schafft Anna es immer wieder, mit Fabi zu nerven. Immer noch will sie über ihn reden und zerrt Nici unter Deck. Dann fängt sie an zu reden.
"Es tut mir so leid! Ich bin an allem schuld." Nicole versteht nicht was los ist. Anna hat Tränen in den Augen und als sie weiter redet, fängt sie an zu weinen.
"Ich wollte dich nie verletzen. Ich war einfach wütend und dann hab ich diesen Brief genommen.... Ich wollts dir ja sagen, aber es ging nie. Und dann... Es tut mir so leid."
Nicole schließt ihre kleine Schwester in die Arme. Sie so aufgelöst zu sehen, bricht ihr das Herz, fast noch mehr, als Fabi es je könnte. Anna stammelt weiter und langsam setzt Nicole zusammen was passiert ist.
"Ich geb dir den Brief! Du musst ihm verzeihen, es ist meine Schuld." Sie kann kaum mehr sprechen, vor lauter Tränen. Nicole fühlt gar nichts mehr. Wäre ihre Schwester nicht gerade das Elend in Person, wäre sie unglaublich wütend. Eigentlich ist sie diejenige, die Mitleid braucht, und nicht Anna. Sie lockert ihre Umarmung ein wenig.
"Das heißt, du hast einen Brief geklaut, gelesen, die ganze Zeit gewusst was da lief und sagst mir das erst jetzt?"
Anna nickt und holt einen gefalteten Zettel aus einem Buch.
"Hier... Ich hätts dir ja gesagt, aber du warst zu beschäftigt mit ihm und ich... Ich wollte auch, dass mir jemand so einen Brief schreibt. Woher soll ich denn wissen, dass ihr es nicht auch so geklärt habt?" Sie schluchzt immer noch.
Von oben hören sie ihre Eltern etwas unbestimmbares rufen, aber Nici will sie nicht mit in diese Angelegenheit ziehen und erwidert ein lautes "Ja ja, alles gut!". Dann schnappt sie sich den Brief und liest ihn.

Nicole,
Ich bin kein guter Redner, wenn es um so was geht, also schreibe ich dir und ich hoffe du verzeihst mir, dass ich es nur schriftlich kann. Aber das ist nicht die eigentliche Sache, die du mir verzeihen musst. Ich muss dir etwas beichten. Ich bin in einer Beziehung. Sie heißt Clara und wir sind seit etwa 4 Monaten zusammen. Die letzten Wochen lief es einfach überhaupt nicht gut und ich habe auch das Gefühl, dass sie mich betrügt. Ich wollte den Urlaub nutzen, um mir darüber klar zu werden, ob ich diese Beziehung wirklich weiter führen möchte. Als ich dich getroffen haben, wusste ich, dass Clara und ich keine Zukunft mehr miteinander haben. Meine Gefühle für dich sind viel zu stark, als das ich sie unterdrücken kann. Ich will dich und nicht Clara, das ist mir jetzt klar, trotzdem mache ich nicht mit ihr schluss. Ich kann das nicht per Telefon oder über WhatsApp aber ich werde es meiner Familie schon mal erzählen.
Wir können diesen Urlaub gemeinsam genießen und wenn es dir gefällt, will ich den Kontakt zu dir auf keinen Fall verlieren.
Ich kann verstehen wenn du so eine Beziehung nicht eingehen willst, aber bitte gib mir eine Chance, dir zu zeigen, wie schön es werden könnte.
Fabian

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