Sommer unter Segeln 19

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Der Nachhall der Worte schallt Nicole durch den Kopf. So gut es geht, steht sie auf und schnappt sich ihr Top. Sie versieht Fabi mit einem bösen Blick und weiß nicht, ob ihr nach weinen oder schreien zu Mute ist. David redet weiter, irgendwelches Zeug, aber Nici hört nicht zu und Fabi starrt auch eher sie an. Seinen Blick kann Nici nicht deuten. Liegt Reue darin oder ist er geschockt, dass sein Betrug ans Licht kommt?
"Deine Freundin also...", zischt Nicole. Sie spuckt die Wörter nahe zu aus. "Sie betrügt dich, du betrügst sie und weil es so schön ist, betrügst du auch noch mich, oder was?"
Fabi murmelt etwas in sein Handy und legt auf. Dann kommt er auf Nici zu.
"Nici, aber ich hab doch..."
"Interessiert mich nicht. Ich hätte mich nie auf dich einlassen sollen."
Endlich hat sie ihr Top richtig an und schon stürmt sie aus der Koje heraus. Sie schlägt die Tür hinter sich zu. Fabi ist ihr dicht auf den Fersen und ruft ihr hinterher, sie solle warten. Nicole denkt nicht mal im Traum daran. Sie will keine Erklärung von ihm. Also eigentlich schon, aber sie hat Angst davor, noch mehr verletzt zu werden. Außerdem würde die Erklärung an der Situation auch nichts ändern.
Die Erwachsenen sitzen nicht mehr im Boot. Vielleicht sind sie noch spazieren gegangen oder sonst wo. Ist sowieso egal, denkt Nicole. Alles egal! Sie rennt an Anna und Lia vorbei und merkt, dass ihr die Tränen übers Gesicht laufen. Wann hat sie angefangen zu weinen? Hat Fabi das gesehen? Ist doch egal was Fabian denkt, mahnt Nicole sich. Sie hastet in ihre Kajüte und schließt die Tür. Zwar kann man sie nicht absperren, aber Nici lehnt sich von innen dagegen und sackt dann in sich zusammen. Mit dem Rücken an dem warmen Holz, lässt sie ihren Tränen freien Lauf und ignoriert das Klopfen an der Tür.
"Bitte Nici. Komm wieder raus. Können wir bitte reden?"
"Ich will nicht mit dir reden, okay? Lass mich in Ruhe."
Sie spürt wie auch Fabi an der Tür nach unten rutscht und jetzt Rücken an Rücken mit ihr sitzen würde, wäre da nicht diese dünne Schicht Holz.
"Nicole. Ich liebe dich."
Es ist das erste mal, dass er das zu ihr sagt. Nicole saugt diese Worte in sich auf, sie spürt, wie viel Gefühl darin liegt, aber sie hat keine Ahnung, wie sie reagieren soll. Woher soll sie wissen, wie ernst er es meint, zu wie vielen Mädchen er das noch sagt und außerdem, kann er nicht jetzt einfach diese schweren Worte sagen, als wäre das eine Entschuldigung für den Betrug. Als sie nicht antwortet setzt er wieder an, wird aber unterbrochen. Nicole hört ihre kleinen Schwestern. Anna bestimmt, dass Fabian gehen sollte und Nici ist ihr dafür sehr dankbar. Sie hört noch leise, wie Lia auf Fabian einredet, während sie die "Pharos" verlassen. Nici steht auf und legt sich auf ihr Bett. Sie fühlt sich ausgelaugt, möchte einfach aufwachen, aus diesem Albtraum. Aber als sie sich, aus der Not heraus, wirklich in den Arm zwickt, wacht sie nirgends auf, liegt immer noch allein auf ihrer Decke mit ihrem schmerzenden Herz.
Langsam öffnet sich die Tür und Anna steckt den Kopf rein.
"Hey.", sagt sie schüchtern.
"Danke, dass du ihn weggeschickt hast.", sagt Nicole monoton. Zu mehr ist sie nicht im Stande.
Nici hofft, dass Anna einfach geht, sie in Ruhe leiden lässt. Selbstmitleid ist nicht gut und der verlorenen "wahren Liebe" nach weinen auch nicht. Wenn es die wahre Liebe wäre, würde sie ja nicht verloren gehen. Aber manchmal braucht es das trotzdem. Einfach ein oder zwei Tage schlechte Laune, viel Schokolade und noch mehr schlafen. Danach muss man sich dann zusammen reißen und weiter leben. Man darf natürlich noch ein bisschen traurig sein, aber nicht die wichtigen Dinge aus den Augen verlieren. Aber anscheinend ist Anna der Meinung, dass Nicole die Gesellschaft ihrer Schwester dringend nötig hat, denn sie bleibt in der Tür stehen. Nici verdreht die Augen.
"Nicole, wegen Fabian... Hm, ich glaube er ist gar kein so schlechter Kerl... Also er hat ja.. Ähm Nici... ? Also ich..."
"ANNA! Komm zur Sache oder lass mich. Mir geht's grad scheiße, falls du's nicht gemerkt hast und wenn du ihn unbedingt verteidigen willst, dann denk erstmal drüber nach, wie genau."
Nicole schreit mehr, als sie es beabsichtigt hatte und funkelt Anna böse an.
Als ihre Schwester dann ganz schnell das Zimmer verlässt, bekommt Nicole auch noch Schuldgefühle. Sie hat einen Fehler gemacht, das weiß sie und sie weiß auch, wieso und dass sie sich entschuldigen muss. Sie ist wütend auf Fabi und nicht auf Anna und es tut ihr auch wirklich leid. Wenn sie sich wieder beruhigt hat, wird sie zu Anna gehen und nochmal mit ihr reden. Und es war ja auch wirklich lieb gemeint, dass sie ihre Beziehung retten wollte, aber damit kann Nicole gerade gar nicht umgehen. Vielleicht würde sie irgendwann mit Fabian darüber sprechen, aber erst wenn sie aus der schmerzhaften Phase raus ist. Sie will nicht anfangen zu heulen, wenn sie ihn wiedersieht, nimmt Nici sich vor. Aber das kann sie noch lange nicht, denn schon wieder laufen ihr die Tränen über die Wangen.
Schokolade wäre jetzt wirklich gut, aber natürlich gibt es sowas nicht. Bei der Hitze, die ständig vorherrscht, gäbe es nur schokocreme, wenn man sie nicht direkt im Kühlschrank essen würde.
Normalerweise würde sie über Liebeskummer mit Tamara reden. Die beiden sprechen dann meist ewig. Zu erst darüber, wie schlecht es ihnen geht, dann, dass der junge sie eh nicht verdient und wie schlecht er eigentlich ist und am Ende läuft das ganze darauf heraus, dass sie über andere süße jungs reden.
Eigentlich ziemlich dumm, denkt Nici. Aber geklappt hats immer. Auch wenn es sonst nie so sehr weh getan hat. Jetzt wünscht sie sich ein Gespräch mit Tamara sehr und vielleicht einen Actionfilm ohne Romantik. Sie greift schon nach ihrem Handy, aber immer mehr bemerkt sie, dass es keine gute Idee ist. Sie hat Tamara fast nichts über Fabian erzählt und müsste jetzt viel zu viel über die schönen Erinnerungen mit ihm reden, damit ihre beste Freundin sie versteht. Außerdem will sie grad überhaupt nicht über andere Jungs reden. Fabian war nicht eine von diesen Schwärmereien. Nicole glaubt fest daran, dass eine Fernbeziehung funktioniert hätte, weil sie so gut zusammen passen. Sie will ihn auch nicht schlecht reden oder vergessen. Eigentlich will sie nur vergessen, was sie heute Abend erfahren hat. Wieso hat er eine Freundin? War es ihm nicht ernst? Immer wieder gehen ihr neue Fragen durch den Kopf und die Gedanken vermischen sich mit den Tränen und dem Geruch von Fabian, der noch in ihrem Kleidern und Haaren hängt. Langsam gleitet sie in den Schlaf, lässt die Erschöpfung und Enttäuschung hinter sich und ihre Tränen versiegen.

Sommer unter Segeln Where stories live. Discover now