Sommer Unter Segeln 14

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Nicole war der Tagesablauf immer eintönig und langweilig vorgekommen. Jeden Tag das gleiche erleben, immer schwimmen, immer Häfen, Schiffe, Anna und ihre Eltern.
Aber jetzt hat sie Fabian. Fabian, mit dem alles mehr Spaß macht und mit dem sie gerne die restlichen Ferien verbringen würde. Und danach auch noch Zeit. Wenn es nicht so kindisch und kitschig klingen würde, würde sie sogar an ein Leben mit ihm denken. Oder zumindest eine lange Fernbeziehung, kein kurzer Sommerflirt. Aber den Gedanken, wie es mit ihnen weiter gehen soll, schiebt Nicole weit weg von sich. Lieber konzentriert sie sich auf die Tatsachen. Er ist da, sie kann Zeit mit ihm verbringen, sie ist glücklich.
Für den heutigen Tag ist ein Ausflug in eine wenig entfernte Bucht geplant. Mit den Taskers zusammen wollen sie schwimmen und Spaß haben. Die beiden Schiffe legen schon gegen zehn Uhr ab. Heute wird auf offenem Meer gefrühstückt. Selbst Nicole muss gestehen, dass es sich gelohnt hat, den Hunger zu unterdrücken und länger zu warten. Ein Frühstück mit Nutella unter Segeln mit Wind in den Haaren und Salz auf der Haut. Der perfekte Urlaub, denkt sie und fragt sich, wie sie sich bloß über die salzige Luft aufregen konnte. Naja, auf die nass-salzigen Handtücher freut Nici sich zwar immer noch nicht, aber sie kann vollkommen nachvollziehen, was ihre Eltern so sehr für diese Reise begeistert hat.
Nicole liegt auf dem Bauch und liest. Sie hat so viele Bücher dabei, dass sie gar nicht weiß, welches sie lesen soll. Manchmal fängt sie zwei Bücher gleichzeitig an und entscheidet dann je nach Stimmung, welches sie liest. Jetzt ist sie schon nach wenigen Seiten in ihrem neuen Roman versunken und schaut nur ab und zu auf, wenn ihre Mutter ruft oder sie ihre Augen ausruht. Das helle Licht, das sich auf den weißen Seiten noch greller anfühlt, stört Nicole beim Lesen und macht es anstrengender als sonst. Ihre Sonnenbrille liegt in der Kajüte und sie ist wie immer viel zu faul aufzustehen. Vielleicht später, denkt sie und konzentriert sich wieder auf die Seiten.
"Delphine!"
Anna's plötzlicher, lauter Schrei lässt Nicole hochfahren. Ihr Buch rutscht ihr aus den Fingern und sie stößt sich am Mast, was Nici aber gar nicht mitbekommt. Aufgeregt schaut sie in die Richtung in die Anna zeigt und hält Ausschau. Sie hatten diesen Sommer schon einmal Delphine gesehen, aber weit entfernt und Nicole konnte sich nicht dafür begeistern. Jetzt ist es etwas anderes.
"Wo denn, Anna? Ich seh nichts."
Anna fängt an zu kichern, dann laut zu lachen.
"Du hättest dich sehen müssen! Wieso hab ich es nicht gefilmt? Zu lustig!" Anna bekommt sich gar nicht mehr ein vor Lachen und Nicole blickt sie wütend an.
"Das war wirklich mies! Mach sowas nicht noch mal du... Du..."
Als ihre große Schwester noch nicht einmal Worte findet, um sie zu beleidigen, prustet Anna aufs neue los. Nicole ist beschämt, dass sie darauf reingefallen ist und wütend. Sie fasst sich an den Kopf, als sie nach dem Schreck jetzt doch noch bemerkt, dass sie sich gestoßen hat.
"Na toll..." , murmelt sie. "Ich dachte der Tag wird gut"
"Hab dich nicht so! War doch nur ein kleiner Scherz..."
Anna merkt, dass sie Nicole jetzt nicht weiter nerven sollte, wenn sie diesen Tag ohne große Zwischenfälle überstehen will. Manchmal erkennt sie gut die Grenze, die man nicht überschreiten sollte. Anna geht vorsichtig an Nici vorbei ins Cockpit der "Pharos".
Nicole legt sich wieder auf den Bauch und blättert die Seiten durch. Natürlich hat sie keine Ahnung, wo sie aufgehört hat und als sie die Stelle nicht auf Anhieb findet, dreht sie sich auf den Rücken. Nicole ist die Lust am Lesen vergangen, stattdessen rechnet sie im Kopf aus, wie lange sie noch bis zur Bucht brauchen würden, welche sie schon gestern Abend rausgesucht hatten. Ihr Vater hatte etwas von zwei Stunden gesagt, aber auf dem Meer, die durchgehend am Lesen, verliert man schnell das Gefühl für die Zeit. Grob geschätzt waren sie vor eineinhalb Stunden losgesegelt. Natürlich müsste sie noch einberechnen, dass sie während des Frühstücks nicht besonders schnell waren, aber sie hat absolut keine Lust auf Mathe, weder während der Schulzeit noch jetzt. Also steht sie auf und geht ebenfalls ins Cockpit. Nicole setzt sich auf die Bank und legt ihre Füße auf den Tisch. Ihr ist selber klar, dass sie damit nur ihre Eltern provozieren will, aber warum weiß sie auch nicht. Also nimmt sie die Füße doch wieder herunter, außerdem ist es eh eher unbequem. Ein Blick auf ihr Handy zeigt, dass sie sogar schon vor zwei Stunden abgelegt haben. Auf Nachfrage hin erklärt ihr Vater, dass sie durch ihr Frühstück wirklich Zeit und Tempo verloren hatten und sie noch zwanzig Minuten brauchen würden. Nicole legt ihr Handy wieder zurück in die Truhe unter dem Tisch. Sie räumt ihr Buch auf und findet eine Packung Kekse. Nicole geht Anna aus dem weg und Anna geht Nicole aus dem weg. Die Spannung zwischen ihnen ist aber schon fast verschwunden, es geht nur darum, wer zuerst nachgibt und dem anderen die Hand gibt. Früher mussten sie sich wirklich die Hand geben. Ihre Eltern wollten das und es half nur, weil die beiden Mädchen diese Situation so sehr hassten, dass sie sich automatisch gegen ihre Eltern verbündeten und zusammenhielten. Aber vielleicht ist genau das der Trick bei der Sache, denkt Nicole und wünscht sich, ihre Eltern würden jetzt wieder den Streit in die Hand nehmen. Es wäre einfach geregelt und Nici müsste nicht zugeben, dass sie oft überreagiert. Nicole überlegt noch eine Weile und beschließt dann, sich für ihre Reaktion zu entschuldigen. Als sie sie gefunden hat stehen sich die zwei Schwestern gegenüber und beide stammeln gleichzeitig, dass es nicht cool von ihnen war. Keiner findet die richtigen Worte, da sie es nicht so richtig gewohnt sind, einfach so Reue gegenüber ihrer Schwester zu zeigen. Sie tun das einzig nötige und fallen sich in die Arme. Beide denken das Gleiche. Egal wie nervig und schrecklich ihre Schwester auch sein mag, auskommen könnten sie nicht ohne einander!

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