7. Kapitel☆

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Glück gehabt schießt mir augenblicklich durch den Kopf, als Tammi und ich um die Ecke in die Gasse die zur Innenstadt führt einbiegen. Aus dem Augenwinkel, ohne den Kopf zu drehen kann ich noch sehen wie Jake von einem wütenden Radfahrer angeklingelt wird. Er ist auf dem Radweg stehen geblieben. Wo ist er nur mit den Gedanken? Tom zerrt an seinem Ärmel und löst ihn aus seiner momentanen Starre. Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf, eine seiner Angewohnheiten, seiner vielen Angewohnheiten. Schnell richte ich meine Augen wieder nach vorne,doch mein Gewissen meldet sich in meinen Gedanken zu Wort und mein Magen krampft sich zusammen. Er hat mich angesehen und mir zugewunken, dass ich habe es genau gesehen, dennoch bin ich nicht darauf eingegangen. Ich konnte darauf nicht reagieren, ich konnte es einfach nicht. Ich fühle mich schlecht, ich habe ihn wissentlich ignoriert. Aber in diesem Moment kann und will ich ihn nicht sehen, geschweige denn mit ihm reden.
Um mich abzulenken wende ich mich an meine beste Freundin, dessen Augen wie Flummis von einem Schaufenster zum nächsten schnellen „So,was ist es jetzt das du so dringend besorgen musst? Ich meine es muss ja wichtig sein, wenn du dafür sogar schwänzen wolltest." frage ich sie. Ohne den Blick von den Auslagen der Geschäfte abzuwenden zuckt sie mit den Schultern und antwortet lediglich "Weißt du, eigentlich brauche ich nichts. Ich will bloß ein bisschen shoppen und Zeit totschlagen.Du kennst ja meine nervige Mitbewohnerin und ihren mindestens ebenso nervigen Freund, der anscheinend kein eigenes Zimmer geschweige denn ein eigenes Leben hat. Die Zeit, die ich nicht dort verbringe ist effektiv genutzte Zeit." Sie schnippt mit den Fingern „ Ach ja,falls ich schöne finden sollte wollte ich noch Stoffe mitnehmen,aber das eilt nicht wirklich." Ich sehe sie an und ziehe finster die Augenbrauen zusammen „Das ist jetzt nicht dein Ernst oder?"Als könne sie kein Wässerchen trüben legt sie den Kopf schief und entgegnet trocken „Nein, also eigentlich war das nicht mein Ernst sondern mein Dieter, aber darum geht es ja jetzt wohl nicht oder?"Also wirklich, manchmal könnte ich sie einfach gegen die Wand klatschen, aber dennoch zucken meine Mundwinkel verdächtig bei diesem ebenso stumpfen wie unnötigem Kommentar. „Du hast echt nicht nur eine Schraube locker." Sage ich kopfschüttelnd. Kichernd hakt sie sich bei mir unter, „Nein, wahrscheinlich nicht." Sie zerrt unsanft an meinem Arm und dirigiert mich so bestimmt in eine Richtung „Jetzt komm schon, dass wird dir gut tun." Ich seufze übertrieben „Es passiert nie etwas gutes wenn du das sagst"


Wir sind mittlerweile schon im gefühlt hundertsten Bekleidungsgeschäft. Tammi ist Feuer und Flamme, ich hingegen das unmotivierte Gegenteil.Sie huscht von einem Kleiderständer zum nächsten und schlüpft mit Bergen von Kleidung, von denen ich erstaunt bin dass sie diese stemmen kann, immer wieder in die Umkleide. Wenn es um Shoppen geht hat sie die Kondition eines Pferdes. Währenddessen lasse ich träge den Blick durch den Laden wandern und was mein Blick umfasst ist sehr angenehm. Es ist ein ziemlich kleiner Secondhandladen, der nur so vor eigenem Charme tropft. Die verschiedensten Kleidungsstücke aus den letzten Jahrzehnten sind mit viel Liebe zum Detail präsentiert. Ich bevorzuge solche Läden mit Charakter, genauso wie ich Kleidung und Outfits mit Charakter und Individualität bevorzuge. Doch heute bin ich nicht in der Stimmung. Gut, mein in der Stimmung zum Shoppen sein ist gemütliches Stöbern und gelegentliches Anprobieren, also kein Vergleich zu Tammi, aber trotzdem. Meine Augen wandern weiter durch das Geschäft, bis sie finden wonach sie gesucht haben. Zielstrebig winde ich mich durch das Labyrinth der Kleiderständer bis ich mich erleichtert fallen lassen kann.
Glücklich lasse ich mich in der weichen Samtpolsterung des Sofas zurücksinken, welches direkt vor den Umkleidekabinen positioniert wurde. Die Mitarbeiter haben für diese Weitsicht nicht nur ein einziges Fleißsternchen verdient.Ungeduldig strecke ich meine Beine aus, die in schwarzen Overknees stecken und kreuze die Füße, bis mir etwas störendes ins Auge sticht. Schwerfällig beuge ich mich etwas vor um einen Fleck von meinem Schwarzen Dandy Schuh zu wischen. Gedankenverloren zupfe ich an dem Rock meines dunkelblauen Strickkleides, lasse meine meine Fingerspitzen das komplexe Muster der Spitze fühlen, welche auch den Saum der Ärmel und den des Kragens ziert. Dieses Kleid habe ich auch in einem Laden wie diesem gekauft, gemeinsam mit meiner Gran als wir letztes Jahr zusammen ihre alte Freundin besucht hatten. Ich muss unbedingt wieder zu ihr, das letzte mal ist schon viel zu lange her. Augenblicklich liegt mir der Duft des Laveldelparfums meiner Großmutter in der Nase und ruft Kindheitserinnerungen hervor. Erinnerungen an gemeinsame Urlaube, an Übernachtungen mit Kinderfilmen; woraufhin mein Großvater immer nur genervt gegrunzt hatte , an leckere Guburtstagskuchen, an...

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