2. Kapitel ☆

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Es ist mitten in der Nacht, als ich wach werde. Ich bin wieder einmal eingeschlafen, während ich eine Serie am gucken war. Gähnend schließe ich Netflix auf dem Laptop, fahre diesen runder und verstaue ihn anschließend in seiner Box unter meinem Bett. Unter meinem Kopfkissen hole ich eine Short und ein Top hervor. Mit meinem Schlafanzug in der Hand trete ich aus meinem Zimmer und tapse den Flur entlang ins Bad. Als ich die Tür abgeschlossen habe drehe ich mich um und sehe auf der Armatur über dem Waschbecken eine Kulturtasche, die ich nicht kenne. Ist das Mädchen von heute morgen etwa immer noch da?

Ich beginne nervös an meiner Unterlippe zu knabbern, das ist ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich. Normalerweise sucht Jake sich eine Gespielin mit der er dann eine Nacht verbringt und das war es dann. Manchmal trifft er sich mit ihnen erneut, aber erst wenn Wochen vergangen sind. Das er die Selbe zwei Nächte bleiben lässt, ist in der Zeit die ich hier bei ihm wohne noch nie passiert. Ob das mit ihr etwas ernstes ist? Der Gedanke an die Möglichkeit, dass das wirklich sein könnte lässt mich schlucken.Wenn ich es objektiv betrachte, dann ist sie echt hübsch. Ihr langes erdbeerblondes Haar, welches in sanften Wellen fällt, hellbraune runde Augen mit langen Wimpern, ebene Haut und eine schöne Figur. Ja, objektiv betrachtet kann ich verstehen, was Jake an ihr findet.

Langsam trete ich vor den Spiegel. Mit müden Augen betrachte ich meine ebenso müde Reflexion. Hellgraue Augen blicken mir entgegen, die den Rest meines Gesichts und Körpers abscannen. Meine dunkelroten Locken, vom Schlaf ganz wirr, gehen mir runter bis zu den Hüften, ich bringe es nicht übers Herz sie zu schneiden, habe das Gefühl sie sind das einzig Schöne an mir. Mit gekonnten Griffen befestige ich sie im Nacken zu einem Knoten, wende meinen Blick dann wieder dem Spiegel zu. Mit dem Zeigefinger fahre ich über meine Wangenknochen und meinen geraden Nasenrücken, fahre die leichte Spur Sommersprossen nach, welche sich dort abzeichnet. Man sieht sie nicht sehr, aber sie haben mich irgendwie immer gestört. Meine Oma sagte zwar ständig „Ein Mädchen ohne Sommersprossen ist wie der Nachthimmel ohne Sterne," aber diese lieb gemeinten Worte hatten auch nie etwas daran geändert, dass ich lieber so einen Porzellanteint hätte, wie ihn das Mädchen mit den haselnussfarbenen Augen in Jakes Zimmer hat. Mich weiter musternd beginne ich wieder an meiner Unterlippe zu knabbern. Meine Lippen sind zwar sonst auch voll, aber immer wenn ich aufwache sind sie seltsam angeschwollen. Kein schöner Anblick. Seufzend wende ich den Blick von meinem Spiegelbild ab und ziehe mich um. Ich habe nichts gegen meinen Körper, aber hundert Prozent zufrieden bin ich auch nicht. Wenn ich nicht jeden morgen Joggen gehen würde, dann wäre ich nicht nur an den richtigen Stellen, wie ich es jetzt bin, etwas kurvig. Im Schrank kramend hole ich alles für die Abendroutine hervor.

Nachdem ich mich für die Nacht fertiggemacht habe, raffe ich meine Sachen vom Boden und schleiche zurück. Ich komme an Jakes Zimmer vorbei und kann nicht anders als stehen zu bleiben. Mit angehaltenem Atem verweile ich kurz vor seiner Zimmertür. Kein Mucks dringt zu mir nach draußen, ist ja immerhin auch schon zwei Uhr in der Nacht. Leise lasse ich die angehaltene Luft aus meinen Lungen entweichen. Über mein eigenes Verhalten den Kopf schüttelnd öffne ich meine Tür und schließe sie wieder, als mich die Sicherheit meines Zimmers umgibt. Unachtsam schmeiße ich meine getragenen Klamotten auf den waldgrünen Ohrensessel der zwischen dem Fenster mit den gemusterten Gardinen und dem großen Bücherregal steht, in dem ich meine Schätze aufgereiht habe. Ich fische die Fleecedecke vom Hocker des Sessels, lasse in Gedanken meine Hand über den samtenen Stoff des Sessels fahren. Damals hatte Jake seinen Mietvertrag auf gut Glück unterschrieben. Er hatte zu der Zeit gerade seine Abschlussprüfungen hinter sich und noch nichts von der Uni, welche er favorisierte, gehört. Ich fragte ihn damals wie er nur so leichtsinnig sein konnte, aber er sagte dass er nicht leichtsinnig sondern selbstsicher sei. Am nächsten Tag haben wir gemeinsam Möbelläden sowie diverse Trödelmärkte auf der Suche nach Mobiliar und Dekoration abgeklappert. Auf dem letzten Trödelmarkt entdeckte ich dann diesen Sessel. Er schrie förmlich nach mir, bettelte mich an ihn mitzunehmen, als wüsste er, dass er perfekt aussehen würde, inmitten all meiner Bücher. Als Jake meinen Blick sah, schlich er sich ohne dass ich es bemerkte zum Händler und kaufte den Sessel für mich. Wie glücklich ich war, ich weiß es noch ganz genau, aber gleichermaßen hatte ich auch ein schlechtes Gewissen. Ich wollte, dass er mich den Sessel bezahlen lässt, er muss trotz dessen dass er auf dem Trödel angeboten wurde teuer gewesen sein. Jake lachte daraufhin aber nur. Lächelnd meinte er, dass es ein Dankeschön für diesen anstrengenden Tag war, welches ich mir redlich verdient hatte. Dumm wie man mit Sechzehn nun mal ist habe ich in diese Geste so einiges hinein interpretiert, obwohl er ähnliches schon zuvor gemacht hatte. Die Quittung für meine Naivität hatte ich dann auf seinem Abschlussball bekommen.
Bei der darauffolgenden Erinnerung, die sich einschleichen und in meine Gedanken einnisten will schüttle ich heftig den Kopf. Als würde das funktionieren, aber ich will einfach nicht daran denken.
Ich lasse für diese Nacht die Vergangenheit Vergangenheit sein. Mit der Decke krabble ich ins Bett und mache es mit für die restliche Nacht gemütlich. Zum Glück habe ich die erste Vorlesung erst am Mittag.

Neues ist für mich irgendwie unangenehm, aber auf dieses Zweite Semester, welches morgen offiziell beginnt und mich meinem Traum Schriftstellerin zu werden näher bringt, freue ich mich. Mit leiser Musik im Hintergrund lasse ich mich zurücksinken und segle für den Moment in das Land der Träume.

☆☆☆☆☆

So, hiergeht es also weiter mit der Geschichte von Jake und Addy.
Ich freue mich, dass ihr euch wieder hierher verirrt habt und hoffe es gefällt euch.
Bis zum nächsten mal würde ich mal sagen? :)
Tüdelüü ^^

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