E1 - Zero

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13:47. Verschlafen, mal wieder. Als Zero aufsteht und die engen, klapprigen Treppen runter geht um in die Küche zu gehen, hört er seine Mutter telefonieren.
"Nein... Nein... Er- ja ich weiß. Er ist eine Belastung. Er lässt sich nichts sagen. Ja, ja. Ich kann nicht mehr! Er ist ein Bastard, das Schlimmste, was- ja genau- was mir je passiert ist. Dieser Junge soll verschwinden! Ja, wir... wir müssen etwas unternehmen."
Zero weiß, dass über ihn geredet wird. Er geht in die Küche und wartet hinter seiner Mutter, bis diese in bemerkt. Immer noch telefoniert sie. Sie fuchtelt mit ihren Armen hektisch herum, Zero denkt sich, sie würde wieder einmal mit ihrem neuen Verlobten über ihn reden, doch er war sich nicht sicher. "... ja gut, das machen wir so. Ich hole ihn.", sie legt auf und schrie in einem hasserfüllten Ton nach Zero.
"Ich bin hier", antwortet dieser ruhig hinter ihr. Sie erschreckte sich zu Tode, jedenfalls hätte Zero das gerne gehabt.
"Du dummer Junge, was erschreckst du mich so? Geht es dir noch gut? Schande über dich! Wie lange stehst du schon da? Hast du mich belauscht?"
Zero antwortet nicht.
"Herr Gott nochmal! Du sollst antworten, wenn ich dich etwas frage! Du hast zu gehorchen!"
Zero bleibt still, auch wenn sich seine Hände langsam zu Fäusten bildeten.
Langsam hört er ihr nicht mehr zu, er ist damit beschäftigt seine Wut zu unterdrücken. Die einzigen Worte, die er versteht, sind "Bastard", "Schande der Familie", "Nichtsnutz" und eine Todesdrohung, wobei sie ihm sicher viel mehr Worte an den Kopf schlug.
Er unterdrückt dies, unterdrückt alles. Er versucht ruhig zu bleiben, so ruhig, wie er es die letzten 13 Jahre auch schon tat.
Seine Mutter schlägt ihn zu Boden. Die Schläge sind nicht das Schlimme, die Worte treffen ihn viel mehr. Wieso verabscheut sie ihren Sohn so sehr?
Als Zero 3 Jahre alt war, kam sein Bruder zur Welt. "Jaky" wurde er genannt- da hat Zero ja noch Glück mit seinem dummen Namen, denkt er sich oft. Bis zu seiner Geburt liebt Zeros Mutter ihn, zum Mond und zurück. Sie hätte, auch mit wenig Geld, alles für ihn getan. Doch als Jaky geboren wurde, ändert sich Zeros Leben von Grund auf. Zeros Vater verschwand und kam nicht wieder.
Seit diesem Zeitpunkt an, fehlt Zeros Mutter all ihre Lebensfreude. Sie hat je her nie mehr gelacht, geschweige denn geweint. Sie hatte Frust in sich, doch den lud sie nur ab, indem sie ihre Kinder anschrie. Zero weiß, es war nicht ihre Schuld. Auch nicht Zeros. Keiner hatte Schuld. Sein Vater konnte einfach nicht mit noch einem Kind umgehen, darum lief er weg. Auch wenn das feige war, es war nun mal so. Jedes Mal, wenn Zeros Bruder angeschrien wird, geht er dazwischen. Er kassierte alle Schläge, er kassiert alle bösen Worte. Als Jaky 7 Jahre alt wurde, schickten diese Männer, die der Meinung waren, dass Jaky kein gutes Leben bei ihnen führt, ihn zu seinem Vater. Zero und er schreiben sich oft gegenseitig Briefe, um zu sehen, ob es dem anderen gut geht. Doch sie vermissen sich. Sehr.

Als Zeros Mutter den Raum verlässt, liegt Zero zusammen gekauert am Boden

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Als Zeros Mutter den Raum verlässt, liegt Zero zusammen gekauert am Boden. Ihm fehlte jegliche Hoffnung. Ein paar salzige Tränen fließen seine Backe entlang und tropfen auf den Boden. Er bewegt seine Zehen, um zu sehen, ob sie noch nicht abgestorben waren. Er drückt seine Knie mit Stönen gegen seine Brust, legt die Arme darum. Er legt seinen Kopf in diese, er weint.
Diesmal hat es ihn schlimm getroffen.
Diesmal ist er am Ende.
Er liegt dort, für ein paar Stunden. Als er sich aufraft, tut ihm der ganze Körper weh. Auch weitere blaue Flecken haben sich gebildet, seine Tränen sind eingetrocknet. "Sie meint es nicht so..." diesen Satz redet sich Zero jeden Tag ein. Bis jetzt hat es geklappt, im Moment klappts nicht. "Sie meint es so, das weißt du. Sie hasst dich. Das weißt du. Schande über dich, dummer Junge. Bastard." Zeros Gedanken führen Krieg. So könne es nicht weiter gehen, sicher nicht.
Er geht ins Bad und schaut in den kaputten Spiegel. Nicht nur sein linkes Auge war mehr blau, beim rechten sind gerade alle Farben aufzufinden. Er nimmt eine Hand voll Wasser und wirft diese sich ins Gesicht. Er fühlt sich frisch.
Er zieht sich die zerissenen Kleider vom Leib, stellte den zerbrechlichen Plastikstuhl vor den Spiegel, klettert auf diesen hoch und betrachtete seinen bloßen Körper vor dem Spiegel. Dieser war lange nicht mehr nur "hautfarben", wobei Zero einen etwas braunen Teint hatte, da er Lateinamerikaner war.
Sein Körper ist übersäht, von blauen, grünen, sogar gelben Flecken. Auch viele Narben sieht er, die nun heller als seine Hautfarbe waren, durch die Verheilung. Doch nicht alle sind verheilt, manche wurden genäht, manche sind gerade erst entstanden, diese umhült gerade eine Schicht von eingetrocknetem Blut. Er dreht sich um, dreht seinen Kopf zu der linken, dann zu der rechten Schulter. Er will seinen Rücken begutachten. Auch hier sind Flecken und Narben.
Er dreht sich wieder um.
"Ich bin stark", flüstert er.
"Ich bin stark... Ich bin stark", flüstert er wieder.
"Ich bin stark", sagt er.
"ICH BIN STARK!", schreit er.
Er rennt in sein Zimmer, zieht sich an, packt seinen Rucksack mit 2 Shirts, einem paar Unterwäsche, einer Hose, einer Decke, 3 Leiben Brot, einer Wasserflasche, seinem MP3- Player mit den Kopfhörern und einem Bild von seinem Bruder. Er zieht sich die Jacke über, bindet seine Schuhe und will gerade aus der Tür gehen, als seine Mutter hinter ihm steht.
"Wo gehst du hin?", fragt diese.
"Ich, ich gehe fort. Nach, nach Norden. Ich bleibe hier nicht länger.", antwortet dieser zitternd.
Seine Mutter lacht, "Du gehst also fort? Haha, wo gehst du hin? Zu guten Menschen? Haha! Du Bastard, meinst du echt, jemand will dich bei sich haben? Du spinnst!"
Seine Hände formen sich zu Fäusten.
"Du gehst nicht fort, du gehst in dein Zimmer, sofort!" Seine Mutter dreht sich gerade um, als sie das Wort "Nein" hört.
"Was hast du gerade gesagt?", sie dreht ihren Kopf zu Zero.
"Ich gehe."
"Ja, in dein Zimmer du Missgeburt."
"Nein. Ich gehe nach Norden und ich komm' nie- hörst du- nie wieder zurück!", Zero schreit.
"Ich habe gesagt du bleibst hier! Du Idiot, was glaubst du eigentlich wer du bist? Schrei mich noch ein mal an und du bist tot. Ab in dein Zimmer, bis dich jemand holen kommt", schreit seine Mutter zurück.
Sie geht gerade auf ihn zu, um ihm wahrscheinlich eine Ohrfeige zu verpassen. Normalerweise trat er immer einen Schritt zurück, diesmal nicht. Er bleibt stehen. Er hat keine Angst.
Sie holt aus und will ihm mit der flachen Hand auf seine blutige Wange schlagen, doch er weicht aus und schlägt zurück. Seine Mutter fällt zu Boden. Er öffnet die Tür, schlägt diese zu und rennt. Er rennt so schnell er konnte. Doch wo war Norden? In welche Richtung musste er rennen? Egal, er rennt einfach weiter, weiter und weiter.

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