H1 - Malaya und Neila

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Draußen regnet es in Strömen. Pfützen bilden sich, alle Bäume lassen ihre Blätter hängen. Nur wenige Menschen sieht man heute auf der Straße, nur die, die unbedingt raus müssen, um zum Beispiel einkaufen zu gehen, laufen heute schnell mit alten Regenschirmen die Straßen entlang.
Castlake hat nicht viele Einwohner, wenige Hunderte vielleicht und trotzdem ist das kleine Dorf an vielen Orten bekannt, leider mit einem schlechten Ruf.
Auch Malaya und ihre Schwester, Neila, schlendern mit geschlossenen Regenjacken und gelben Gummistiefeln die Straßen entlang. Sie besuchten gerade ihre Großmutter, die am anderen Ende von Castlake wohnt, da ihr 70. Geburtstag war.
Auch wenn Malaya ihre Oma liebt, war sie doch froh als sie endlich nach Hause gehen konnte- sie ist nicht gerne unter Menschen. Außerdem muss sie sich immer unangenehmen Fragen unterziehen wie zum Beispiel "Wie geht es eurem Vater?" oder "Wieso ist er heute eigentlich nicht bei euch?" oder "Kindchen, wieso ziehst du immer solche kaputten Hosen an, es gibt doch viele schöne Kleider die dir sicher gut stehen würden!" Würden sie alle sich nicht nur melden, wenn sie etwas brauchen würden, könnten sie ihren Vater ja selber fragen wie es ihm geht, außerdem hat er anderes zu tun und alsob es irgendjemanden etwas angehen würde, was sie trägt.
"Mali ich mag nicht mehr laufen", sagt Neila und gähnt, "kannst du mich tragen?"
"Ja gut, du hälst aber den Regenschirm", antwortet Malaya.
Sie bleiben unter einem großen Baum stehen und Neila kletterte eher ungeschickt auf Malayas Rücken und hält den Regenschirm in ihrer linken Hand. Nach einer Weile halten sie bei der alten Bushaltestelle und setzen sich unter das zerbrechliche Dach.
"Vater sagte, dass er uns hier abholen wird. Wir warten, er kommt sicher gleich", meint Malaya, doch als sie sich nach rechts dreht, sieht sie, dass ihre kleine Schwester schon in einen tiefen Schlaf fiel. Malaya zieht ihre Jacke aus und deckt Neila zu.
Sie schaut gerade aus. Sie lauscht den dicken Tropfen die nacheinander auf den Asphalt tropfen und fragt sich, ob jemals zwei Regentropfen genau auf dem gleichen Punkt aufkommen würden.
Sie überdenkt die Gespräche von vorhin. Wie oft habe ihre Tante doch dem gleichen Mist geredet- von sich. Wieviel Stücke Kuchen doch Neila gegessen hatte und wie oft sich alle über ihre struppigen Haare beschwerten. Malaya hasst solche Gespräche, sie zeigen nur wie dumm Menschen eigentlich sind.
Aufeinmal sieht sie in der Ferne zwei Scheinwerfer und hofft es sei ihr Vater. Doch das Auto fährr an ihr vorbei. "Er kommt sicher gleich" sagte sie sich immer wieder. Sie sieht noch ein Auto in der Ferne- auch dieses fährt an ihr vorbei. "Er kommt sich gleich... er kommt sicher gleich... gleich kommt er"
Es vergingen nun 40 Minuten. Hatte er die beiden vergessen? Sollten sie laufen? Der Weg nach Hause würde sicher noch 2 Stunden lang sein. Sie entschied sich zu laufen, ihr Vater würde ihr sicher entgegen fahren. Sie weckt Neila kurz auf und sagt ihr sie könne auf ihrem Rücken weiter schlafen, was sie dann auch tut. Sie laufen immer weiter, doch ihr Vater würde nicht kommen.

Nach 2 Stunden und wenigen Minuten sind sie endlich auf der langen Landstraße angekommen, jetzt müssten sie nur noch über das Bahngleiss gehen und wären zu Hause

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Nach 2 Stunden und wenigen Minuten sind sie endlich auf der langen Landstraße angekommen, jetzt müssten sie nur noch über das Bahngleiss gehen und wären zu Hause. Malaya ist sauer, ihr Vater versprach ihr, dass er kommen würde. Als sie in das Haus rein gehen, legt sie Neila in ihr Bett, sie sollte sich ausruhen. Sie jedoch kann nicht schlafen. Sie sucht in ihrem ganzen Haus nach ihrem Vater, doch er ist nicht aufzufinden, nirgends. Sie geht nach draußen und sucht ihn, ruft seinen Namen, doch er ist weg. Als sie wieder ins Haus geht, liegt ein Zettel auf dem Tisch. Für Malaya steht in einer wunderschönen Handschrift geschrieben, wie es nur ihr Vater hätte schreiben können. Sie könnte schwören, dass dieser vorher noch nicht dort lag, sicher nicht. Sie liest ihn.

Mali, renn mit deiner Schwester, so weit und so schnell es geht fort. Die Bahngleise entlang- Richtung Norden. Sie kommen- du schaffst das!
Kind doch, oh'doch, Ewigkeit ist auch jetzt traurig, oh'traurig, heute sowohl auch morgen und vielleicht recht sich gestern an heute.

Malaya versteht gar nichts. Trotzdem hat sie kein gutes Gefühl, wirkt panisch und ängstlich. Sie hat viel zu viele Fragen, doch sie kann nicht nachdenken. Sie packt drei Wasserflaschen, ein paar Äpfel und Brote in einen alten Rucksack, rennt nach oben, weckt Neila, zieht ihr ihre Regenjacke an und rennt mit ihrer Schwester nach draußen. Doch sie hören auf zu rennen, als sie Stimmen hören und Fackeln sehen. Die beiden Mädchen verstecken sich hinter einem Busch.
"Was ist los Mali?", fragte Neila.
"Pssst, sei still!", mit dieser Antwort muss sich Neila wohl zufrieden geben.
Für ein paar Minuten ist das einzige was sie hören können ihre beiden Herzschläge, als sie sehen, dass ein paar Männer ihr Haus, ihr geliebtes, altes Haus, nieder brennen.
Nach einer Weile ruft eine Stimme "Die Mädchen sind nicht hier drinnen!" die andere, tiefere Stimme antwortet "dann müssen wir sie suchen gehen!" Und aufeinmal verteilen sich in der Dunkelheit viele Männer mit großen Fackeln in den Händen. Malaya packt Neila an der Hand und rennt mit ihr in den Wald. Sie rennen so schnell wie ihre Beine sie tragen können, weg von ihrem Zuhause.

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