8. Kapitel

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Das rothaarige Mädchen vor mir stotterte eine Entschuldigung nach der nächsten und ihr Gesicht erinnerte schon nach ein paar Sekunden wie eine Tomate.

Ich konnte sie immer noch nur anstarren, bis ich eine Hand auf meiner Schulter spürte.

"Ist alles okay?"

Hörte ich Alecs tiefe Stimme fragen. Ich konnte nur langsam den Kopf schütteln.
Nein, nichts war okay.

Ich kannte das Mädchen vor mir nicht und ich hatte sie noch nie gesehen. Nichts an ihr kam mir bekannt vor und ich war mir sicher, dass wir uns auch noch nie zufällig über den Weg gelaufen waren.

Dennoch erkannte ich sie.

Von letzter Nacht. Die Bilder prasselten gnadenlos auf mich ein und ich schien mich wieder in diesem grauenhaften Traum zu befinden.

Ich hatte ihre leeren, toten Augen vor mir und erkannte jeden einzelnen Gesichtszug. Das war genau dieses Mädchen.

Aber wie konnte das sein? Das musste Zufall sein.

Ich erwachte aus meiner Schockstarre, als sie mir ihre Hand entgegen streckte.

"Hey, ich bin Clary und tut mir leid wegen..."

Sie deutete auf meinen Kopf und auf die Wand hinter mir, während ich sie noch immer fassungslos musterte.

"...dem."

Dann beäugte ich ihre Hand verwirrt.
Hände schütteln war eigentlich ein Mundie Ding.

"Ich bin Sina."

Antwortete ich zögerlich und als ich keine Anstalten machte ihre Hand zu nehmen, schien ihr wieder etwas einzufallen.
Da zog sie die Hand zurück und verschränkte beide Arme hinter dem Rücken.

"Ja, Sina Eliot. Das ganze Institut spricht von dir."

Ich konnte nur langsam nicken, während ich mein Gehirn nach einer logischen Erklärung durchforstete.

"Du bist Valentines Tochter, oder?"

Fragte ich interessiert, da mir der Name bekannt vorkam.

Auch sie war ein großes Thema gewesen, dennoch hatte ich nie mehr, als ihren Namen gehört.

Sie nickte nur und wandte mit einem gequälten Gesichtsausdruck den Blick ab.
Man erkannte sofort, dass sie darauf nicht besonders stolz war.

Ihr schien wieder etwas einzufallen, als sie aufgeregt den Blick hob.

"Okay, wir sehen uns später."

Sie winkte kurz, lächelte den anderen drei zu und verschwand anschließend.

Jace und Izzy führten ihr Gespräch weiter und gingen an mir vorbei. Doch ich konnte mich kaum auf etwas konzentrieren, was sie sagten.

Da umfasste Alec meinen Arm und zog mich zur Seite, sodass wir direkt neben der Wand standen. Die anderen hatten es nicht mitbekommen und waren, in ihr Gespräch vertieft, weiter gegangen.

"Was ist los? Warum hast du so reagiert?"

Ihm entging auch wirklich garnichts. Aufmerksam musterte er mich, als wollte er die Antwort an meinen Augen ablesen.

Als ich den Blick erwiderte, machte sich Verwirrung in mir breit. War da etwa ein Funken an Sorge in seinem Gesicht? Um mich?

Mir wurde komischerweise kurz warm, doch gleichzeitig begannen meine Hände leicht zu zittern, als ich an den Traum dachte.
Aber wenn ich es erzählen würde, würden sie mich für verrückt erklären oder es gab eine ganz einfache Erklärung dafür.

Ich hatte einfach überreagiert und habe sie einfach schon einmal zufällig gesehen, kann mich aber nicht mehr daran erinnern.
Dann stände ich wie der größte Vollidiot da.

Also schüttelte ich den Kopf.

"Mir geht es gut. Es war nur ein harter Aufprall."

Um meine Worte glaubhaft zu unterstreichen rieb ich mir die Stelle an meinem Hinterkopf.

Er sah mich jetzt tatsächlich mit einem besorgten Blick an.
Sanft legte ich meine Hand an seine Schulter.

"Mir geht es gut!"

Sagte ich mit Nachdruck, damit er nicht weiter nachfragte.

Er sah mich nochmals forschend an, dann gab er aber nach und wir gingen zu den anderen.

Jace grinste mich an und meinte:

"Clary ist noch nicht lange ein Shadowhunter. Ihre Mutter hatte es ihr jahrelang verschwiegen, um sie zu schützen."

Jetzt wurde mir einiges klar.
Deswegen das Mundie Benehmen und die Unsicherheit mir gegenüber. Vermutlich hatte sie noch nicht viele Shadowhunter kennengelernt.

In den nächsten Minuten planten wir unsere Mission.
Wir wollten in dieses Hotel und die Vampire, wenn nötig, töten und die Menschen befreien.
Es war ein einfacher und strukturierter Plan.

Jace tippte mir plötzlich auf die Schulter und ich drehte mich zu ihm um.

"Ich habe da eine Kleinigkeit für dich. Ein Art Willkommensgeschenk. Da deine ja kaputt gegangen ist."

Fragend blickte ich ihn an, als er eine schwarze Jacke von einem der Stühle nahm.
Direkt hoben sich meine Mundwinkel, als er mir die Lederjacke hinhielt. Ich nahm sie mit strahlenden Augen entgegen und strich mit den Fingern sanft darüber.

"Danke Jace! Danke!"

Schnell schlüpfte ich hinein und bemerkte, dass sie perfekt passte. Ohne nachzudenken umarmte ich ihn und grinste breit.
Das war wirklich ein tolles Geschenk.

Da nahm ich den Blick von Alec wahr. Er sah gerade zu uns herüber und presste die Zähne zusammen. Dabei zuckte sein Unterkiefer angespannt.

Man konnte Mal wieder nur erahnen was er dachte, doch sein Blick war geradewegs auf Jace gerichtet.

Aber ich dachte, dass ich vielleicht auch nur für einen Augenblick Eifersucht in seinen Augen aufblitzen sah. Vielleicht war das auch nur Einbildung oder Wunschdenken.

In den nächsten paar Minuten bereiteten wir unsere Waffen vor.

Meinen Bogen und meinen Köcher ließ ich durch eine Rune unsichtbar werden. Alec tat dasselbe.
Dann steckte ich meine Stele in meine Hosentasche und verstaute die neue Seraphklinge an meinem Oberschenkelholster.
Obwohl wir noch nie zusammen gearbeitet hatten, war es bereits wie Routine und wir waren innerhalb von Minuten bereit.
Nachdem wir fertig ausgestattet waren, machten wir uns auf den Weg.

Mein Herz klopfte vor freudiger Erwartung endlich Mal wieder raus zu kommen und den Adrenalinkick einer Mission zu spüren.

Shadow Or Light? Demon Or Angel?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt