Gefühle

9 1 0
                                    

"I'm Prunella the poltergeist, I push things and I pull things, I drop things and then I laugh..."
Mühsam zwinge ich die Beherrschung in meinen Körper zurück.
Dabei flackern jedoch immer wieder Bilder vor meinem inneren Auge auf, die jeglichen Fortschritt wieder zunichte machen.

Ein weißer Raum, eine schwarze Liege, die Haken in der Wand, an denen meine Arme fixiert wurden, der Tisch mit einer Auswahl von verschiedenen Beruhigungsmitteln, von denen jedes einzelne schon einmal in meinen Arm gespritzt wurde, der weiße Schreibtisch hinter dem Frau Peters' immer auf mich wartete, ihr zufriedenes Grinsen, wenn sie wieder einmal über mich triumphierte...
Doch am schlimmsten sind die Geräusche.
Sie klingen in meinen Ohren wie ein nie vergehendes Echo.

Z.'s Stimme, die versucht mich zu beruhigen, während ich, bis zur vollkommenen Bewegungslosigkeit gefesselt, auf der Liege in Peters' Büro liege, das Geräusch der sich öffnenden Tür, Z.'s Schritte, als sie den Raum verlässt, Peters' Stimme, die mir versichert, dass alles gut werden wird, wenn ich nur tue, was sie sagt, meine eigenen nur teilweise unterdrückten Schreie, das Schrillen der Alarmamlage, nach einem meiner unzähligen Fluchtversuche...

Ich habe schon lange keine Tränen mehr. Die habe ich alle verloren, als ich endlich aus dieser Hölle entkommen bin. Dort habe ich nur ein einziges Mal geweint. Als ich verstanden habe, dass das von nun an mein Leben sein wird. Danach nicht mehr. Erst, als ich wieder einen Tag lang ohne Schmerzen gelebt habe.

Geflucht, gestöhnt und geschrien, wenn der Schmerz zu groß wurde, sogar gequietscht wie ein sterbendes Schwein habe ich vorher, aber nie mehr habe ich ihnen die Genugtuung meiner Tränen gegeben.

Auch jetzt weine ich nicht, aber meine Muskeln verkrampfen sich unkontrolliert im gesamten Körper und meine Atmung und mein Puls sind unnatürlich schnell, sodass ich am Ende als ein Bündel aus Verzweiflung am Boden liege. In den Scherben meiner kostbaren Hülle, die mich vom Rest der Welt abgeschirmt und mir so oft das Leben gerettet hat.

Erst nach einer Ewigkeit, die sich anfühlte wie Tage, kommt wieder Gefühl in meine Arme und Beine.
Weil ich nicht will, dass mich jemand so sieht und es sowieso schon an ein Wunder grenzt, dass mich noch keiner gefunden hat, rappele ich mich mühsam auf und lehne schließlich mit wackeligen Beinen wieder an der Mauer.

Und jetzt? Ich fühle mich schwach.
Trotzdem gehe ich langsam zurück in Richtung Schule, schließlich sind alle meine Sachen noch im Saal und ehrlich gesagt macht mich der Gedanke an Z. in einem Raum mit meinen ganzen Mitschülern wütend.

Ich kann nicht zulassen, dass sie meine gesamte Welt zerstört, indem sie meine Vergangenheit ins Spiel bringt.

Nach ein paar Minuten stehe ich also wieder vor dem Raum, von dem ich weiß, dass Z. in ihm nur auf mich wartet, um mich zu zerstören. Wie immer.

"Ich hätte doch zur Polizei gehen sollen." Der Gedanke kommt mir ganz unterbewusst und macht mich wie jede Nacht in den letzten Jahren einfach nur fertig. Ich weiß ganz genau, dass ich tief in mir drin keine andere Wahl hatte, als alles irgendwie von mir fern zu halten, denn sonst wäre ich sofort einfach wahnsinnig geworden aber trotz dieses Wissens, hasse ich mich für diese Schwäche

Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, zwinge ich mich selbst zu klopfen.
Fast sofort wird die Tür geöffnet und Herr Schmitz steht offensichtlich verwirrt vor mir. "Nanu, hast du deine Tasche nicht gefunden."
Ich bin nicht in Stimmung für ein Geplänkel mit meinem verhassten Lehrer, also antworte ich schlicht mit "nein" und gehe an ihm vorbei zu meinem Platz, ohne Z. oder meine Mitschüler auch nur eines Blickes zu würdigen. Nicht einmal Leyla sehe ich ins Gesicht, als ich sie so gelangweilt wie möglich frage, was ich verpasst habe. Allerdings bekomme ich keine Antwort. Hatte ich auch nicht erwartet.

The EndWhere stories live. Discover now