Kapitel 2

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Nein, ich ertrank natürlich nicht. Ich wurde unter Wasser gedrückt. Meine Lungen verlangten nach Luft und ich war drauf und dran mein Bewusstsein zu verlieren, als mein Kopf abermals durch die Wasseroberfläche stieß. Ich schnappte nach Luft und sah mich um, ehe die Wellen mich wieder mit in die Tiefe nahmen. Ich sah andere Köpfe, die verzweifelt Luft holten und panisch mit den Armen schlugen. Es sah irgendwie albern aus, vermutlich sah ich jedoch genauso aus und sollte mich nicht darüber lustig machen, doch es erweckte eine Art Hoffnung. Hoffnung, die mich durchhalten ließ.

Wieder unterwasser sah ich nichts außer Schwärze und Luftblasen, die im schwachen Licht glitzerten. Wieder verlangten meine Lungen nach Luft und bekamen sie nicht. Auch die Wellen drückten mich immer tiefer hinab. Ich glaubte zumindest, dass sie mich tiefer drückten, denn ich wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war.

Und dann wurde ich aus dem Wasser geschleudert. Im Flug schnappte ich nach Luft ehe ich wieder untertauchte. Doch meine Hände packten etwas, dass auf dem Wasser schwamm und so konnten die Wellen mich nicht mehr hinunter reißen. Es war Holz, schwimmendes Holz, das mich rettete. Ich war so unendlich dankbar und erschöpft, dass ich in Ohnmacht fiel, endgültig.

Ich erwachte im heißen Licht eines neuen Tages. Ich war nass, vom Wasser und vom Schweiß, der in Bächen von mir fließen schien. Ich hustete und erbrach Wasser und den restlichen Inhalt meines Magens.

Ich versuchte aufzustehen, doch ich war zu schwach. Ich schaffte es gerade so mich herum zu drehen, um mich nicht in meine eigene Kotze zu legen. Die Sonne stach in meinen Augen und ich merkte, dass Sand an meiner Wange klebte. Sand? Wo war der Sand her? Ich bin doch mitten im Meer!

Ruckartig setzte ich mich auf. Zu schnell. In meinem Kopf drehte sich alles und ich spürte die Übelkeit, die in mir aufstieg. Ich atmete ein und aus und beruhigte mich, dann traute ich mich mich umzusehen.

Eine Insel. Es war eine Insel! Ich lag an einem Strand, einem hellen Sandstrand. Ich hatte überlebt! Diese Erkenntnis traf mich wie ein Blitz und ich fing an zu lachen. Ja ich lachte so laut ich konnte und rappelte mich auf. Ich sprang in die Luft, wie ein kleines Kind und jubelte! "Ich habe überlebt!" schrie ich in den nahen Dschungel und warf die Hände über den Kopf. Ich dreht mich um zum Meer und zeigte ihm meinen Mittelfinger. "Das halte ich von dir!" schrie ich und wandte mich ab. Ein Stöhnen erregte meine Aufmerksamkeit.

Es war die panische Frau und ihr Mann, die nur wenige Meter von mir entfernt im nassen Sand lagen.

Die Frau rührte sich. Sie stützte sich auf ihre Hände und kotzte. So wie ich, dachte ich und nährte mich ihr. "So ne Scheiße", murmelte sie tränenerstickt. Ich kniete mich neben sie.

"Seien sie nicht so pessimistisch, immerhin haben sie gerade ein Schiffsunglück überlebt, Frau ... Wie hießen Sie noch gleich?"

Die Frau dreht mir den Kopf zu. Zunächst schien sie verwirrt.

Vermutlich überlegte sie, wer ich war.

"Barbara, Barbara Michels", antwortete sie. "Und Sie hießen?"

"Justin, Justin Bieber."

Die Frau nickte und setzte sich aufrecht. Sie strich sich eine Strähne ihres braunen Haares zurück, das sie als Bob trug und rückte ihr weißes T-shirt zurecht. Ihr Mann keuchte und sie beugte sie über ihn.

"Theodor, Theodor hörst du mich?" fragte sie.

"Ja", war die Antwort und Theodor erhob sich aus dem Sand. Er hatte kurzes dunkles Haar und einen irgendwie unpassend wirkenden Schnauzer, der beim Reden lustig wippte.

"Wo ... sind wir?" fragte er und ich zuckte mir den Achseln, als mich beide fragend ansahen. Sie schienen geschockt darüber, dass ich es nicht wusste und sahen sich gegenseitig hilfesuchend an.

"Kommt, wir suchen am Strand nach den anderen", befahl ich und war froh, dass sich mein Rucksack noch an Ort und Stelle befand, auf meinem Rücken, wo ich ihn gestern auf dem Deck plaziert hatte. Ich nahm meinen Hut heraus und setzte ihn mir auf den Kopf. Ich durfte mir keinen Sonnenstich leisten!

So folgten mir Barbara und Theodor den Strand entlang, obwohl sie wohl nicht so glücklich waren, dass wir es geschafft hatten.

Wir waren schon einige Minuten gelaufen, als ich in der Ferne ein verdächtiges Objekt sah.

"Da, seht ihr? Da ist noch jemand!" sagte ich meinen beiden Begleitern, die gerade Algen von seinem blau geblümeltem Hemd sammelten.

Sie sahen in die Richtung, in die ich mit dem Finger deutete und wirkten auf einmal erleichtert. Wahrscheinlich hatten sie gehofft, dass sie sich nicht alleine mit mir herumschlagen mussten. Vermutlich lag das an meinem Flachwitz an Deck, oder aber sie konnten mich nicht leiden. Das war mir aber redlich egal.

Ich fing an zu traben um schnell zum Gestrandeten zu gelangen.

Es war das Mädchen. Ihr schokoladenbraunes Haar war vor Nässe schwarz und auch ihre rote Regenjacke war völlig durchnässt.

"Hey", flüsterte ich und kniete mich neben sie. Sie rührte sich nicht. Ich legte eine Hand auf ihren Rücken und spürte, wie dieser sich leicht hebte. Sie atmete. Auch sie hatte es geschafft. Ich drehte sie um und legte ihren Kopf in meinen Schoß, dann klopfte ich ihr kräftig auf den Rücken und sie erwachte zum Leben. Sie spuckte Wasser aus und atmete schnell, als wäre sie aus einem Albtraum erwacht. Sie sah mich an und versuchte sich zu beruhigen. Sie zitterte. Ich half ihr auf und sie wischte sich Sand aus dem Gesicht und von der Zunge.

"Danke, danke für alles", stotterte sie, "Ich heiße übrigens Madison Ray."

"Justin", entgegnete ich und sie grinste.

Doch das Grinsen verschwand schlagartig, als sie sich umsah.

"Wo ist John?" fragte sie. Ich fragte mich, wen sie wohl meinen könnte, doch sie nahm es mir vorweg, indem sie ihn einfach beschrieb.

"Er ist groß, blond und hat grüne Augen."

Ich nickte. Jetzt hatte ich ihn im Kopf. Dieser Spargel, der irgendwie voll dunkel war, was nicht an seinem Aussehen lag. Vermutlich war es sein Auftreten.

"Keine Sorge", versicherte ich ihr. "Er kann nicht weit sein."

Und damit hatte ich recht, er war nur wenige Meter entfernt. Er stand im weichen Sand, ein ganzes Stück vom Wasser entfernt. Er hatte sein Oberteil ausgezogen und frang es aus, als Madison ihm entgegenstürzte. "John!" rief sie und fiel ihm um den Hals. Er lachte und dann küssten sie sich.

Gut, zwei Pärchen abgehakt, dachte ich und zählte im Kopf. Noch sechs weitere Touris und der Käpt'n.

"Aufgehört mit der Knutscherei", sagte ich und winkte sie zu mich. John zog sich sein T-shirt wieder an und folgte Madison, der zu mir ging.

"So uns fehlen noch sieben Personen." Ich wandte mich an John. "Hast du noch jemanden gesehen?"

Er schüttelte den Kopf. "Leider nein."

Gut, dann mussten wir wohl suchen.

"Ok, dann haltet die Augen offen", befahl ich und stapfte weiter durch den Sand, entlang der Küste.

An einer Stelle, wo das Meer in einen Fluss mündete (oder eher anders herum), fanden wir drei Passagiere. Ich glaube es waren drei Freunde, die zusammen ein Abenteuer erleben wollten. Der eine hatte goldbraune Haut und stellte sich als 'Angolo' vor. Seine beiden Freunde schwiegen, der eine hatte langes rotes Haar, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte und die andere war ein relativ großes Mädchen, deren Statur an einen Kasten erinnerte und dennoch wirkte ihre Brille viel zu groß.

"Wir habe von da hinten Stimmen gehort", erklärte Angolo mit seinem komischen Akzent und deutete auf eine Gruppe von Bäumen am anderen Ufer des Flusses.

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