chapter six - fox on the run

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track no. 6 ♫
fox on the run;
by the sweet


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JIMIN WUSSTE NICHT, WAS ER erwartet hatte: eine niedrige, dreckige Lagerhalle vielleicht, gegen deren schmutzverkrustete Scheiben sich die dunstige Nacht drückte, heruntergekommene Möbel, zerschlissene Sofas, achtlos an die Wand geschoben—mögliche...

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JIMIN WUSSTE NICHT, WAS ER erwartet hatte: eine niedrige, dreckige Lagerhalle vielleicht, gegen deren schmutzverkrustete Scheiben sich die dunstige Nacht drückte, heruntergekommene Möbel, zerschlissene Sofas, achtlos an die Wand geschoben—möglicherweise Unmengen von Plastikfolie, weil man sich nicht die Mühe machen wollte, das Blut der hierher verschleppten Unglückseligen nach ihrem Ableben aus dem staubigen Boden zu schrubben. Er hatte sich eine ungefilterte Übersetzung dessen vorgestellt, das er unter Kkangpae verstand, Grausamkeit, schlechter Geschmack, jeglichen ästhetischen Sinns beraubt—schlichtweg eine Korrelation zwischen Hässlichkeit des Inneren und des Äußeren.

Umso überraschter war er, als Hoseok die Tür zu einem weitläufigen, ungemein lichtdurchfluteten Loft öffnete, das sein Vorurteil in jedem erdenklichen Sinne bitterböse Lügen strafte.

Jimin hatte das Gefühl, mitten in eine Kunstgalerie getreten zu sein: die ursprüngliche Rohmauer der Halle war weiß getüncht worden, sodass die Grundstruktur der Ziegelsteine unter der Farbe noch gut zu erkennen war, während der Boden beinahe in aller Vollständigkeit von einem dunklen Holz ersetzt worden war. Selbst der hohe Lichteinfall eines Museumsraums war gegeben: von der Decke, der der originale Rohbau noch am tiefsten innewohnte, waren an rostroten Metallstäben Industriescheinwerfer angebracht, die das gesamte Loft in warmes, unaufdringliches Licht tauchten. Allgemein war der Industriestil in der Konzipierung des Raumes stark in Betracht gezogen worden, denn Jimin erkannte zahlreiche zweckentfremdete Nutzgegenstände, wie zerkratzte Felgen, nicht länger intakte Metallleitern, oder, der Höhepunkt der Fremdveräußerung—ein riesiges Stück Außenschale eines Militärflugzeugs, das gelötet und an manchen Ecken flach gebogen, in der Mitte des Raumes als breiter Tisch diente. Er war mit Holzsparren gestützt, und mindestens sechs nicht zueinander passende Stühle gruppierten sich um das Metallstück, in dessen Mitte Jimin unzweifelhaft die verblasste Aufschrift KAI-T50 ausmachen konnte. Auf der Tischfläche stand ein geöffneter, eingeschalteter Laptop und daneben eine dampfende Tasse Kaffee oder Tee, aber von seinem Besitzer, der seinen Arbeitsplatz wohl kurzzeitig hinterlassen hatte, war nichts zu erkennen.

Der hintere Teil des Raumes, dasjenige Kompartiment, das man durch eine riesige Feuerschutztür trennen konnte, mutete nicht weniger ästhetisch an; selbst, wenn die Möbel hier weniger eine Zweckmäßigkeit zu erfüllen schienen, als dass sie lediglich der Bespaßung dienten: ein niedriges, in geschmackvollem Rot gehaltenes Sofa ragte in der Mitte des zweiten Raums aus einem knöcheltiefen, weißen Flokatiteppich—ein glänzender, nierenförmiger Couchtisch tat sich ebenfalls daraus hervor und Jimin erkannte erst nach kurzer Betrachtung, dass das Möbelstück nach einem Flachbildschirm ausgerichtet war, der an der gegenüberliegenden Wand hing.

Er konnte das Standbild eines populären Ego-Shooters ausmachen, sowie die eingefrorene Anzeige dessen, dass Spieler Nummer Eins Spieler Nummer Zwei gerade ziemlich den Garaus gemacht hatte, ehe das Gameplay unterbrochen worden war. Auf der Couch lagen zwei Controller und Jimin konnte nicht umhin, als eine Spur der Befremdung zu spüren.

PURPLE RAINWhere stories live. Discover now