Kapitel 43

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Der Unterschied zwischen Trauer und Schmerz ist nicht groß, sogar erschreckend klein. Doch ein Unterschied existiert: Schmerz vergeht, Trauer bleibt. Trauer ist nie vollends verschwunden, sie kann unterdrückt werden, doch ist zu stark um eingesperrt zu bleiben. Irgendwann kommt sie wieder. Und zerstört einen. Sie frisst dich langsam auf, als würde sie sich an deinem Leid ergötzen. Man fühlt sich innerlich zerrissen und zerbrochen - ein Gefühl, das man keinem beschreiben kann, denn es ist um einiges komplizierter als es sich anhört. Trauer, Wut, Schmerz; all das und vieles mehr kam langsam an die Oberfläche, als ich meinen kleinen Bruder sah. Hilflos. In den Armen von Monstern. Den Monstern, die mich und mein Leben zerstört hatten und immernoch nicht genug von meinem Leid hatten. Ich schlug weiter gegen die Tür, meine Fingerknöchel waren aufgeschürft und schmerzten, doch dieser kleine Schmerz rückte hinter meine anderen Gefühle. Ich schrie, sie sollen mich endlich rauslassen, sie sollen meinen Bruder gehen lassen. Ich schrie wüste Beschimpfungen umher, die diese Monster mehr als nur verdient hatten. Irgendwann wurden meine Schläge schwächer und vor die Wut drängte sich nun der mehr als starke Schmerz, gemischt mit unvorstellbar starker Trauer. Tränen rannen mir über mein Gesicht, als ich noch zwei Mal gegen die Tür schlug und mich schließlich an der Tür herunter rutschen ließ. Sie konnten unmöglich meinen Bruder haben. So vieles hatten sie mir schon genommen und jetzt auch noch er. Ein weiterer Unschuldiger, der ihnen in ihre dreckige Klauen fiel. Meine leisen Schluchzer erfüllten den Raum und meine Schultern wurden immer wieder geschüttelt. Ich ballte meine Händen zu Fäusten. Meine Fingernägel bohrten sich in meine Handfläche und erschufen einen angenehmen Schmerz als Ausgleich zu meinem Gefühlschaos. Ich zog an meinen Haaren, der Schmerz lenkte mich nochmals ab. Doch nichts wollte diese Wut und Trauer ersticken, nichts schaffte mir Abhilfe. Also schrie ich, ich schrie so laut es ging. Ich fühlte mich dadurch nicht unbedingt besser oder befreiter, eigentlich spürte ich keinen Unterschied zu vorher. Das Einzige, was helfen würde, wäre mein Bruder. Ich wollte zu ihm, wollte ihm sagen, dass alles gut werden würde, auch wenn das gelogen war. Nie würde irgendetwas wieder gut werden, vielleicht wenn ich tot bin. Ja, vielleicht würde ich dann Ruhe finden. Doch erstmal musste ich hier raus und diese ganzen Monster einsperren lassen,  ihrer würde ich auch wenn ich tot war keine Ruhe finden. Zwei Hände legten sich auf meine Fäuste, kurz darauf wurden mir meine Haare aus dem Gesicht gestrichen. Ich sah nach oben, hielt meinen Kopf jedoch gesenkt. Vor mir stand David mit einem blauen Augen und einigen Schrammen im Gesicht. Stimmt, er hatte mit Bryan gekämpft. Fast hätte ich dieses unwichtige Ereignis vergessen. Doch was war jetzt noch wichtig, wenn sie mir auch noch meinen Bruder nahmen? Ich zog meine Faust aus seiner Hand und wich vor ihm zurück. "Du..." Bei seinem Anblick lodert Wut in mir auf, es wäre völlig irrelevant gewesen, wenn an Davids Stelle ein anderer Mitarbeiter gestanden hätte. Ich hasste sie alle nur noch mehr. Sie hatten mir Avery genommen, hatten versucht mich umzubringen und vielleicht hatten sie mir auch schon eine Menschlichkeit genommen. Und jetzt hatten sie noch meinen Bruder. Die Bezeichnung 'Monster' reichte nicht annähernd aus, um sie zu beschreiben. Kein je existierendes Wort würde dafür ausreichen. Hinter David stand Nathan, der Sicherheitsmann, und ein anderer Mann, der vermutlich auch für die Sicherheit zuständig war, denn er trug die gleiche Kleidung wie Nathan und war ähnlich stark gebaut. Mein Blick wanderte wieder zu David, der wieder langsam auf mich zuging. "Larissa..." Begann er, doch ich unterbrach ihn. "Halt de Klappe! Du elendiger Verräter!"
"Beruhig dich, es ist doch alles gut."
Seine Worte machten mich niht wütender.
"Alles gut?!", schrie ich ihn an. "Nichts ist gut verdammt! Ihr seid... ihr... man kann euch gar nicht beschrieben! Macht es euch Spaß Menschen so zu quälen?! Habt ihr Spaß daran zu sehen wie Menschen zerstört werden? Man sollte ich ewigen Qualen aussetzen! Und im nächsten Leben auch! Ihr..." David legte mir seine Hand über den Mund und sah mich warnend an. Ich biss ihm in die Hand, doch es schien ihm nichts auszumachen. "Ich weiß, dass das alles schwer ist. Aber das alles dient der Wissenschaft, du dienst der Wissenschaft und dein Bruder auch. Ihr könnten Menschen mit eurem Tod retten." Ich wollte ihn anschreien. Wollte ihn fragen, ob er unter 'helfen' 'qualvoll sterben' meinte. Doch er schien so etwas erwartet zu haben und drückte seine Hand stärker auf meinen Mund. Ich versuchte mit aller Kraft seine Hand dort weg zu bekommen, doch alles war vergeblich. Die beiden Sicherheitskräfte kamen nach einiger Zeit auf mich zu und packten meine Arme mit einem so festen Griff, dass ich die Augen zusammenkniff. "Wir bringen dich zu deinem Bruder, verstanden ? Auf dem Weg dorthin wirst du den Mund halten." Der letzte Satz drang gar nicht mehr zu mir durch, ich nickte einfach nur. Sie brachten mich zu meinem Bruder. Mehr wollte ich nicht, zumindest fürs Erste.

Testobjekt 31Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt