chapter two - i want to break free

Começar do início
                                    

Jimin hasste es, durch das schmerzlich vertraute Minenfeld seines vergangenen Lebens zu schreiten, und festzustellen, dass alles noch beim Alten war. Dass die aufgeregten Stimmen an seinem Ohr noch immer quälend laut und unausstehlich erklangen, dass der durchtränkte Teppich unter seinen Füßen dasselbe schmatzende Geräusch von sich gab, wenn er sein Gewicht verlagerte, dass leichte Vibrationen durch den Asphalt gingen, wann immer die Tür sich für die nächste Fuhre der wartenden Gäste öffnete und aus dem Inneren das Lichtspiel der EDM-Bühne gegen die Außenmauern geworfen wurde.

Er hasste es, dass die Welt die Frechheit besessen hatte, nicht zusammen mit ihm unterzugehen, als er sich nichts sehnlicher gewünscht hatte.

Wenigstens war er heute Abend bisher kein einziges Mal erkannt worden—trotz der Tatsache, dass er das letzte verbliebene Make-Up aus seinem schwindenden Vorrat aufgetragen hatte und den halbwegs teuren Blazer trug, den er vor der Sortierwut seiner Mutter in ihrer letzten Phase der Aktivität versteckt hatte.

Stattdessen bemerkte er den okkasionellen interessierten Blick einer Mädchengruppe, die hinter dem einsamen, gut-aussehenden Typen eine Möglichkeit erkannten, heute Nacht nicht alleine nach Hause gehen zu müssen. Während ihn die unleugbare Neugier früher geschmeichelt hätte, war er ihrer seit den dutzenden Malen, die er sein Gesicht auf den Hochglanzseiten der Klatschmagazine entdeckt hatte, müde geworden; vielmehr begann er sogar immer öfter, sich deswegen unwohl zu fühlen.

Auch jetzt spürte er, wie das unangenehme Brodeln in seinem Magen zurückkehrte, das spätestens seit der Gerichtsverhandlung sein ständiger Begleiter war, wenn er sich in der Öffentlichkeit befand.

Es war eine dumme Idee gewesen, heute Nacht herzuzukommen. Er sollte Zuhause sein; Jisoo bei den Hausaufgaben helfen und dafür sorgen, dass sie genug aß oder—zu so später Stunde—nicht wieder Opfer ihrer Albträume wurde, die seit dem Umzug nach Sillim-Dong exponentiell zugenommen hatten. Er hatte Jihyun zwar aufgetragen, ihn im Notfall zu alarmieren, aber sein Bruder war mit einem ungewöhnlich festen Schlaf gesegnet; so hatte er nicht einmal bemerkt, wie ihre Mutter sich in der dritten Nacht in der neuen Wohnung im Bad in einem Anfall des plötzlichen Zorns mit der Küchenschere die Strähnen ihres vollen, festen Haars abgeschnitten hatte. Sie trug nun einen fransigen Kurzhaarschnitt, den Jisoo ihr am Morgen zurecht gestutzt hatte und Jimin hatte das Gefühl, dass die Veränderung sie auf eine Weise erleichtert hatte, die keines ihrer Kinder nachvollziehen konnte. Vielleicht war das ihre Art, mit seinem Vater abzuschließen, der sie ihr gesamtes Leben nur mit ihrer markanten, üppigen Haarmähne gesehen hatte.

Als er endlich unter dem breiten Vordach stand und der Regen hinter ihm weiter gnadenlos auf die geduldigen Wartenden niederging, zwang er sich, tief durchzuatmen. Er hatte lange mit sich gekämpft, hin- und herüberlegt, waghalsige Pläne geschmiedet und verworfen, bis er festgestellt hatte, dass das Octagon die alleinige Möglichkeit war, die sich ihm jetzt noch eröffnete—beziehungsweise die Domäne seines einzigen Zugangs zu der düsteren, zweiten Welt darstellte, die all die Jahre neben seiner eigenen verlaufen war, ohne, dass sie sich aufregend überschnitten hatten. Das hieß; solange die Information noch stimmte, die Jimin aus seiner Zeit als Gangnams wohlhabendstes Drogenopfer mich sich herumtrug, und Yoo Kihyun weiterhin jeden Donnerstagabend im Octagon dealte.

Nun; Jimin würde es wohl empirisch ermitteln müssen, denn Kihyun gab seine Nummer an niemanden heraus—erst Recht nicht an unvorsichtige, tablettenabhängige Politikersöhne, die sich selbst für unantastbar hielten. Er war sich im Nachhinein ziemlich sicher, dass Kihyun ihn unterschwellig verabscheut hatte; eine beständige Geringschätzung war seinen Worten und Gesten angehaftet, wenn sie sich in der Toilette des Clubs getroffen hatten und die Tabletten den Besitzer gewechselt hatten. Aber Jimin war damals kaum er selbst gewesen—und er fragte sich unwillkürlich, ob Kihyun sich noch an ihn erinnerte. Das letzte Mal, dass er Geschäfte mit ihm gemacht hatte, war gut zweieinhalb Jahre her.

PURPLE RAINOnde histórias criam vida. Descubra agora