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Bis wir am Ende des Ganges ankamen, verging einige Zeit, weil sie trotzdem an jeder zweiten Tür stehen blieb und irgendetwas zu den Räumen dahinter sagte. Aber irgendwann dann standen wir am Fuß der Treppe die nach oben führte. Annabelle und ich begaben uns nach oben in die leergefegten Flure des Schlaftraktes, niemand begegnete uns, als wir Richtung Eingangshalle liefen und dann die breite Treppe erklommen. Jeder Schritt meiner HighHeels war auf den edlen, marmornen Stufen zu hören und hallte durch den großen Raum. Gedämpft wurde er nur von den paar beigen Sitzgruppen, die verteilt auf flauschigen Teppichen im Raum standen. Sprachlos drehte ich mich von dem Raum mit den riesigen weißen Kronleuchtern weg und lief weiter meiner Führerin hinter her. Wir gingen durch modisch eingerichtete Flure und Korridore und bogen ein paar Mal ab, wie oft und in welche Richtung, könnte ich nicht mehr sagen. Zu sehr war ich von der Schönheit dieser neuen Welt in Beschlag genommen. Irgendwann blieb sie vor einer verschlossenen Tür stehen und ich lief einfach weiter, direkt in sie rein. Sie fing an los zu prusten, "Comment tu l'as fait?" wollte sie lachend wissen, nachdem sie sich wieder aufgerappelt hatte, denn sie war leicht gegen den Türrahmen geknallt. Ich antwortete promt auf ihre Frage, wie ich dass denn jetzt geschaft hatte "Ich war einfach von dem ganzen hier... ehm, überwältigt", sobald auch ich mich wieder eingekriegt hatte.

Ohne Umschweife nahm sie meine Hand und drückte sie auf einen Scanner neben der Tür. Ohne weiteres zutun öffnete diese sich nach einer kurzen Vibration wie von selbst; und gab damit den Blick auf ein unglaubliches Zimmer frei: würde man rein gehen, stände man auf einer ersten Empore, schon auf dieser befanden sich auf dunklem Parkettboden ein flauschiger bordeaux roter Teppich. Weiter noch stand dort ein riesiges weißes Ecksofa mit einem modernen Couchtisch auf dem sich ein mit Champagner gefüllter silberner Flaschenkühler befand. Von der Empore, die sich über die Breite des Raumes erstreckte,  führten jeweils links und rechts ein paar Stufen in den Rest des Zimmers. Dazwischen wurden die zwei Ebenen von einer niedrigen Mauer geteilt, von der antik wirkende Säulen bis zur Decke reichten. Auch im unteren Bereich zog sich der schöne Holzfußboden weiter, der im Kontrast zu den strahlend weißen Wänden stand. Direkt hinter dem Raumteiler schaute man zwischen den Säulen auf ein gigantisches weißes Bett. Die Bordeaux farbene Decke und die roten und schwarzen Kissen am Kopfende verliehen dem ganzen jedoch einen leicht romantischen Audruck, wobei man nicht sagen konnte das ich viel davon verstand. Auf der rechten Seiten befanden sich weiter hinten zwei weiße Türen und die linke Wand war größtenteils verspiegelt, sodass man davor perfekt tanzen konnte. Es lag auch kein Teppich oder ähnliches davor, den man erst weg räumen müsste und in der Ecke stand auf einem bordeaux farbenen Schränkchen eine schwarze Stereoanlage. Die dazugehörigen Boxen, waren überall im Raum verteilt, um einen vollen Sound zu schaffen. Vor den in den Garten zeigenden Bogenfenstern, war ein großer Schreibtisch, mit bequem aussehendem Schreibtischstuhl in weiß.

Ich trat ein und ließ erstmal alles auf mich wirken, ich hätte stundenlang einfach nur stehen bleiben können. Doch auf Annabelles Drängen wagte ich mich Schritt für Schritt in mein neues Zimmer.

Zwischen den zwei hinteren Türen befand sich noch eine Sitzecke, bestehend aus zwei kleinen Sofas, einem Sessel und einem Couchtisch, wieder auf einem flauschigen Teppich plaziert.

Ich ging langsam von der Empore runter, drehte mich in der Mitte des Raumes um mich selbst und betrachtete gebannt die perfekten Details. Annabelle blendete ich komplett aus, bis sie mich aus meiner Trance riss: "Gefällts dir?" fragte sie mich aufgeregt. Ich wusste nicht wie ich antworten sollte, "Es ist perfekt" hauchte ich also. Sie plapperte natürlich sofort munter drauf los, "Ich hab mir auch echt Mühe gegeben, das alles mit der Direx zu gestalten, weil ich normalerweise immer ein Händchen für Design habe, basierend auf allen möglichen Unterlagen die wir über dich hatten... Irgendwo liegen auch noch ein paar Kataloge für restliche Änderungen rum, du kannst natürlich alles noch umtauschen oder einfach noch was dazu kaufen. Wegen den Farben, haben wir einfach was genommen was laut Papieren zu deinem Geschmack passen sollte und fürs tanzen hast du eine besondere Musikanlage und die Spiegel bekommen. Wenn wir irgendwie falsch informiert waren, musst du's nur sagen!" Ich unterbrach sie "Wow, ganz ruhig. Ich weiß zwar nicht ob ich's gruselig finden soll, wie viel ihr über mich wisst, aber irgendwie ist es schon cool, dass ihr genau meinen Geschmack getroffen habt!" "Das beste kommt noch.", sagte sie mit einem geheimnisvollen Lächeln. Wirklich glauben tat ich das nicht, was sollte dieses Zimmer übertreffen. Doch nur Sekunden später nahm ich es wieder zurück.

Mit großem Aufheben riss sie die vordere der zwei Türen auf, sie war circa auf der Höhe meines Bettes und gab den Blick auf ein atemberaubendes Ankleidezimmer frei. "Wow". Vor drei Wänden befandenen sich offene Schrankgestelle aus demselben dunklen Holz, dass draußen den Boden bedeckte, verbunden durch silberne Metallstangen die vom crème-farbenen Teppichboden bis zur herabgesetzten Decke reichten. Die weißen, glatten Wände dahinter waren indirekt angestrahlt und auch der Schrank war mit indirektem Licht versehen. Insgesamt wirkte die Strahlung jedoch nicht künstlich, wie man es in einem Raum ohne Fenster sonst erwartet hätte. In der Mitte des Raumes stand eine gepolsterte graue Bank, in der gleichen Farbe wie die Zimmerdecke.Außerdem befanden sich neben der Tür je auf einer Seite eine Kommode, rechts mit Schmuckständern drauf und links als Schminktisch ausgebaut, mit einem von diesen Spiegeln, die man sonst aus Umkleiden von Stars kennt und diese Glühbirnen Beleuchtung hatte. An den Schmuckständern und in den Kisten und Glasschubladen hangen schon Ketten, Armbänder, Ohrringe und Ähnliches. Allesamt sahen sehr teuer aus, überall funkelten und glitzerten sie. "Warte nur bis wir hier eingeräumt haben!! Ich freu mich so drauf mit dir shoppen zu gehen! Also natürlich nur wenn du mich mitnimmst?!" rief Annabelle mir erst euphorisch dann unsicher zu, die vor der Tür stehen geblieben war. "Klar nehm ich dich mit! Aber ich hab doch gar kein Geld dabei? Ich hab eigentlich Klamotten mitgebracht." "Also das mit dem Geld macht keinen Sinn, wer leistet sich denn so ein Internat und hat dann kein Geld dabei? Ma chèrie du bist in Paris!" "Naja das mit dem leisten ist so ne Sache, ich hab keine Ahnung wer mir das Internat bezahlt hat..." Während dem Gespräch hatte sich meine Laune immer weiter verschlechtert, was die Pariserin auch bemerkte: "Ok ich merke schon, falsches Thema. Egal jetzt, komm mit." Sie scheuchte mich hektisch aus dem begehbaren Kleiderschrank, schloss diese Tür und führte mich zu der anderen. Ich merkte wie ich wieder aufgeregter wurde, wenn ich richtig lag, war dahinter das Bad. Und ich lag richtig, dahinter befand sich ein in weiß, hellgrau und schwarz gehaltener Raum. Der Boden bestand wieder aus versiegeltem schwarzen Pakett, doch vor dem breiten modernen Waschbecken, der Regenwalddusche und der dreieckigen Wirlpool-Badewanne, sowie vor dem abgetrennten WC Bereich lagen graue, flauschige Vorleger. An der einen grauen Wand befanden sich weiße Regalbretter mit vielen verschiedenen Handtüchern in den drei Farben des Zimmers. Alles feinsäuberlich gestapelt. Über dem Waschbecken befand sich wieder ein Spiegel, indem ich mich sah, doch war das wirklich ich? Meine hellbraun-grün-grau-blauen Augen strahlten einen zufriedenen Glanz aus, den ich sonst nur selten bei mir sah und das obwohl ich wegen des Jetlags jetzt schon müde und insgesamt fertig war. 

Eine Weile stand ich einfach nur so da und dachte über die Situation nach, was machte ich hier? Das war nicht meine Welt...

Wie auf ein Kommando klopfte es leise gegen den Türrahmen, was meine Aufmerksamkeit wieder auf meine erste Freundin hier lenkte, ich glaubte schon dass wir Freunde waren... oder? Ach keine Ahnung!

"Alles Ok?", fragte sie mich. "Ja... ja. Alles gut" ich warf ihr halbhertzig einen Kussmund zu. Sie fing wieder an zu grinsen, doch ihre blauen Augen beobachteten mich immernoch misstrauisch: "Na dann los! Wir müssen noch deinem Social Media Leben einhauchen!" wahrscheinlich guckte ich sie ziemlich ratlos an, denn sie fügte direkt hinzu "Was denkst du denn? Du lebst hier nicht hinterm Mond! Eine der wichtigstens Marketing heutzutage ist das Internet und vorallem die Präsentation auf Plattformen wie Insta, Twitter und co.! Man geht nicht auf so ein Internat um sich vor der Welt zu verstecken und das kleine Mauerblümchen zu bleiben!" Marketing? Präsentation? Whaaat?... sie merkte wieder schnell dass ich nichts checkte. "Ganz einfach, ab jetzt gehörst du offiziel zu den 'Elite-Kids' stell dir die Welt wie New York vor, und dich in einem Penthouse der Upper East Side. Du wirst wahrscheinlich irgendwann ein erfolgreiches Model, Influencer oder CEO! Und das wird Stress pur, also müssen wir jetzt unser Leben genießen! Und die Schule besteht drauf, dass wir unsere Konten gut pflegen und gebrauchen, um verschiedene Wege auszuprobieren sich selbst zu verkaufen. Also jetzt nicht falsch verstehen! Ich mein damit, sich selbst präsentieren und rüber bringen sodass sich jemand für dich interessiert. Und so weiter"

Den Ansatz hatte ich jetzt zwar verstanden, doch den Sinn dahinter durchblickte ich noch nicht ganz. Aber egal, was sein muss, muss sein.

ChangesWhere stories live. Discover now