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Als wir aus der Bibliothek traten, knallte uns die Sonne entgegen. Ohne ein Wort zu sagen gingen wir nach Hause. Vor der Wohnungstür lag ein weiterer Brief ohne Beschriftung. Ich schaute mich um, konnte aber niemanden entdecken, der diesen hätte ablegen können. Bevor meine Mom sich bücken musste, hob ich ihn hoch und schloss auf. Drinnen holte ich ein Messer aus der Küche um das verklebte Schreiben zu öffnen. Meine Mutter folgte mir leise, setzte sich an den Tisch und wartete bis ich das Werkzeug gefunden und mich zu ihr gesetzt hatte. Nun schaute sie erwartungsvoll auf den Brief in meiner Hand, den ich zögerlich öffnete. Ich fischte unruhig das Stück Papier heraus, zwischen dem eingeklappt noch etwas lag, doch erst las ich das Geschriebene. Eine Buchungsbestätigung für ein Flugticket von hier nach Paris. Ich musste mich verlesen haben! Woher kam das jetzt wieder? Ich schnappte mir noch einmal den Umschlag und suchte einen Absender, der jedoch nicht zu existieren schien. "Schatz, was ist denn jetzt schon wieder? Was erschüttert dich so?" Ich schob ihr immernoch still, aber wieder mit kontrollierten Gesichtszügen den Brief inklusive Umschlag und innenteil zu. Dabei fiel das Ticket das davor noch zwischen den Seiten gelegen hatte heraus. Ein Flugticket! Dann war das Schreiben ernst gemeint! Warte mal von hier nach Paris? Dann ist das alles für das Internat! Während Mom die Blätter betrachtete, nahm ich das Ticket und betrachtete es. Ich stieß einen überraschten Laut aus, der meine Mutter aufschauen ließ. Der Flug ging morgen! Am Chicago O'Hare International Airport! Mom musste den Brief gründlicher gelesen haben als ich, denn sie schaute mir wissend in die Augen. "Du wirst morgen Fliegen", sagte sie mit einer Stimme die keine Wiederrede duldete. Ich wusste, was sie damit bezwecken wollte, also lief ich in mein Zimmer, holte meinen alten Koffer aus dem morschen Schrank und fing an, meine wenigen Klamotten in den Koffer zu legen und Schuhe und Jacke zusammen zu suchen, um sie in eine separate Tasche zu packen. Ich ging ins Bad und suchte meine Produkte zusammen, die ich dann zusammen mit meiner Schminke noch oben in den fast leeren Koffer stopfte. Es sah immernoch nach wenig aus, aber das lag daran, dass ich einfach nur das besaß.

Langsam bemerkte ich wie es draußen dunkel wurde, kaum zu glauben, dass das alles in wenigen Tagen passiert ist. Morgen würde ich, wenn auch unfreiwillig, nach Frankreich fliegen. Dieser Gedanke war dann doch irgendwie überwältigend, ich war noch nie außerhalb von dieser Stadt geschweige denn diesem Land oder Kontinent und morgen sollte ich nach Europa fliegen... Ich holte mir aus dem Koffer noch schnell etwas zum schlafen und Klamotten für morgen, packte meine Alten einfach ungewaschen und zerknüllt rein und schloss ihn. Dann rief ich meiner Mutter ein 'Gute Nacht' zu und legte mich ins Bett. Lange lag ich wach, noch bis ich hörte wie Mom ihre Tür zu machte. Ich stand auf und lief nocheinmal raus in die Küche. Auf dem Tisch lag der Umschlag, ich knippste eine kleine Lampe an und schaute mir nochmal das Flugticket an. Der Flug würde um 17:46 gehen. Also hätte ich noch bis in den Nachmittag um mich von den anderen zu verabschieden. Es würden nicht viele sein, aber wenigstens Shawn, Sam und Karly sollten wissen warum ich verschwand. Nach einer Weile machte ich mich wieder auf den Weg ins Bett und schlief, fertig mit allem, umgehend ein.

~

Am nächsten Morgen wachte ich noch vor meinem Wecker auf, die Sonne, die durch das kleine Fenster in mein Zimmer strahlte, verbreitete eine angenehme Wärme. Trotzdem fing ich an leicht zu zittern, wenn ich an den heutigen Tag dachte. "Claire? Bist du schon wach?" fragte meine Mom aus der Küche, in der schon die Töpfe klapperten. Ich rief kurz zurück, das ich gleich kommen würde und zog mir dann mein geliebtes WOD Sweatshirt an, das ich mir nach langem Sparen selbst zum Geburtstag geschenkt hatte. Dazu noch eine schwarze Leggins mit Cut-outs, die ich erstaunlicherweise Second-Hand gefunden hatte und da mir das Shirt sowieso über den Hintern ging, konnte ich jetzt auch zum Fliegen was bequemes anziehen. Immerhin sollte ich stundenlang am gleichen Platz sitzen und das stellte ich mir nicht grade toll vor... Jetzt fiel mir nur auf das ich alle Schuhe außer einem Paar schon eingepackt hatte, das Problem war nur, das übrige waren ein Paar High Heels von denen ich nicht erwartete, dass sie noch irgendwo rein passten. Auch wenn ich irgendwelche Sneaker rauspackte, sah es eher schlecht aus. Juhu, toller Start in den Tag. Also zog ich die Schuhe an und nahm mir vor sie im dann einfach auszuziehen sobald ich im Flugzeug säße. Ich stöckelte in die Küche, hinter mir zog ich meinen Koffer, auf dem meine Tasche mit den Schuhen und Jacken und auf meinem Rücken befand sich meine Schultasche, in die ich meine einzige Handtasche, mein Mäppchen, einen Block und noch ein bisschen Krimskrams gestopft hatte. Das Gepäck, mehr als erwartet, wurde vor der Haustür abgestellt und ich drehte mich zurück, um zu gucken, was Mom gezaubert hatte. Es duftete fantastisch und ich erblickte sogleich einen riesigen Stapel Pancakes auf dem Tisch, daneben stand sogar eine kleine Flasche Ahornsirup! Ich ging freudestrahlend auf die Pfannenkuchen zu und setzte mich. "Wir feiern deinen Abschied jetzt gebührend Schatz!" Rief sie mir schon lächelnd entgegen. Denn wir wussten gleichzeitig Beide nicht wann wir uns wieder sehen würden. Auch deswegen hatte sie sich dafür in Unkosten gestürzt und war wahrscheinlich heute früh nocheinmal zum Discounter gelaufen. "Danke Mom!" "Ach und für den Flug habe ich dir noch eine Packung Schoko-Riegel und Kekse geholt Claire." Was sage ich, Unkosten! "Mom, das hättest du echt nicht machen müssen!" versuchte ich ihr begreiflich zu machen, dass das zu viel war. "Ich hab gehört, dass man während eines Langstreckenflugs ein kleines Essen oder sowas bekommt! Du hättest mir also wirklich nichts besorgen müssen!" "Ja ja, aber das ist doch zu wenig für 8 ein halb Stunden Schatz!" Okay sie würde sich nicht rumkriegen lassen... Normalerweise lasse ich mir von anderen nicht so viel sagen, aber bei ihr hab ich keine Chance! Sie hat dann immer diesen Blick, der auf der einen Seite sagt, du wirst es bereuen wenn du jetzt nicht nachgibst und auf der anderen Seite bettelt wie ein Welpe. Aber genug davon. Also packte ich die Lebensmittel ein die sie mir in die Hand drückte und lief wieder zurück zum Tisch. Endlich konnten wir anfangen zu essen! Doch davor musste ich meine Mutter noch mal überfallen, ich umarmte sie stürmisch von hinten, "Danke Mom, für alles!" Auch sie verstand, dass das nicht nur für heute galt. Ich dankte für alles was sie je für mich gemacht hatte, weil ich nicht wusste, wann ich ihr das das nächste Mal sagen konnte. "Für dich immer mein Schatz" flüsterte sie überwältigt.

Nach einer Weile fingen wir einträchtig an zu essen,wir verschlangen wirklich alle Pancakes, wonach wir aber auch sowas von satt waren! Jetzt dachte ich wieder daran, ich hatte ja noch was vor... "Ehm ja,Mom ich wollte noch mal zu den Mädels und zu Shawn.", teilte ich ihr wieder leicht traurig mit. "Natürlich, aber wie wär's du rufst sie an? Dann können sie dich abholen!" Das war schon eine gute Idee, normalerweise würde ich sagen, dass sie sich nicht die Mühe machen musste, aber ich würde sie vielleicht nach heute eine Weile nicht sehen also konnte ich mir das auch mal erlauben. Kurz darauf rief ich in mit unserem alten Telefon bei Sam an, die mir sofort zusicherte gleich da zu sein. Nebenbei piddelte ich die Silikon-Abdeckung der trockenen Kabel ab, die sich immer weiter löste. Nachdem sie auflegte, sagte ich es meiner Mutter, holte mir ein Getränk aus dem lauwarmen Kühlschrank und setzte mich dann draußen auf eine mit Graffiti verzierte Mauer vor unsere Bruchbude.

ChangesWhere stories live. Discover now