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Die Blondine führte immer weiter an langen Schlangen vorbei, die uns teilweise neidisch hinterher schauten. Immer weiter durch abgetrennte Bereiche in denen ich mir extrem klein vorkam, schon alleine weil es teilweise schien als wären wir die einzigen Menschen hier in den beleuchteten Hallen. Wir mussten noch nicht einmal laufen um zum Terminal zu kommen, da wir uns einfach auf Transportbänder stellten. Irgendwann kamen wir dann in einer Lounge an, in der vielleicht höchstens 20 Leute saßen und die trotzdem so groß war, wie der offizielle Bereich. "Ich lasse sie jetzt alleine, es kommt in wenigen Minuten jemand für ihr Gepäck und natürlich begleitet sie auch jemand zum Flug." Verabschiedete sich die freundliche Mitarbeiterin von uns, sobald wir uns in eine Sofaecke gesetzt hatten.

Und wirklich, kurz danach kam ein lächelnder junger Mann der mein Gepäck mitnahm. Ich behielt nur meinen Rucksack, indem alles war was ich brauchte. Wir redeten noch eine Weile über belangloses, einfach um zu vergessen um was es hier ging. Punkt halb 6 kam eine Brünette junge Frau, wahrscheinlich noch in den Zwanzigern auf uns zu. Irgendwie regte mich dieses ständige Lächeln dieser Leute auf! Wie kann man die ganze Zeit so gute Laune haben... das nervt! ich war nahezu am Boden, weil ich alles was ich kannte zurück lassen musste. Ich bat um eine Minute um mich von meinen vier Begleitern zu verabschieden und sie gewährte, ermahnte aber, nicht zu lange zu brauchen, damit wir den Flug nicht verpassten. Also drehte ich mich wieder zu den Menschen um, die mir auf der Welt am meisten bedeuteten. Schon wieder kamen mir die Tränen und den anderen ging es nicht anders. Sekunden später lagen wir uns wieder in den Armen, alle drei warfen mir aufmunternde Blicke zu und ohne ein überflüssiges Wort zu sagen, machte ich mich mit der Stewardess auf den Weg. Jede Silbe hätte die Situation nur verschlimmert, so waren wir uns einig einfach keinen Ton raus zu bringen, in einträchtigem Schweigen ließ ich meine Familie zurück, alles was mir etwas bedeutete.

Eine Weile, in der ich der Dame hinterher dackelte, später kamen wir an einer mobilen Brücke an, die Flugzeug und Gate verband. Die Stewardess lief immer noch wortlos voraus. Drinnen gingen wir an Reihen von Passagieren vorbei, die schon seit einer langen Zeit hier drinnen saßen, um ihre gebuchten Plätze zu sichern, nur die First Class Passagiere, konnten normalerweise so spät erst einsteigen, warum also war ich dabei? Es fiel mir aber erst auf, als wir den Business Bereich betraten, da auch hier schon fast alle saßen. Und noch etwas gefiel mir hier, wir hatten hier viel mehr Fußraum und insgesamt mehr Platz, im Gegensatz zu der Zone die wir zuvor durchquert hatten. Ich fand sie wirkten wie Hühner auf der Stange, oder so wie ich mir eine Vorlesung in der Universität vorstellte, nur mit komfortableren Stühlen! Ich hatte nie daran gedacht mir auszudenken wie es in einer dieser Maschinen aussieht, ich hatte immer nur an das Gefühl gedacht, wie es wohl war am Himmel zu fliegen? Also stolperte ich weiter unbeholfen hinter meiner Begleiterin her, Richtung meines Platzes, der wohl weiter hinten lag. Irgendwann in einer der letzten Reihen blieb sie stehen und deutete mit Beiden Händen einladend, auf den kleinen Bereich mit Sessel, Tisch und Fernseher, an der Seite war eine Leiste mit vielen Knöpfen und Schaltflächen angebracht, die ich nachher genauer betrachten würde. "Ich lasse sie jetzt alleine, setzten sie sich bitte Mrs. Sie verfügen über alle Annehmlichkeiten der First Class, es tut mir leid, ihnen keinen Platzt mehr anbieten zu können, jedoch waren wir dort schon länger ausgebucht." Warte was? Irgendwie musste erst durchsickern was die Stewardess gerade zu mir gesagt hatte. Verblüfft setzte ich mich hin. Sie stand immer noch daneben und schien auf irgendetwas zu warten, also nickte ich ihr zu, woraufhin sie lächelnd Richtung Gang ging. Mein Handgepäck hatte sie schon davor in einem Fach über dem Sitz verstaut.

Erst jetzt merkte ich, dass mein Sessel direkt am Fenster platziert war, im Hintergrund des Flughafen-Geländes erkannte ich die von der Sonne angeleuchtete Skyline von Chicago. Minuten lang starrte ich auf den wunderschönen Anblick, der die Stadt von ihrer Sonnenseite zeigte, bisher kannte ich nur die Schattenseite, doch mein Leben sollte sich ändern. Der erste Schritt auf diesem Weg war der Wechsel nach Paris. Wie meine Mutter schon gesagt hatte, ich hatte endlich die Chance etwas gegen die Dunkelheit zu unternehmen, uns ins Licht zu führen. Gott wurde ich poetisch, ich sollte lieber über die Tatsache nachdenken, warum ich überhaupt im Internat angenommen wurde, oder wie ich hinkommen sollte. Niemand hatte mir gesagt wie ich dort ankommen würde, also musste ich wohl selbst meinen Weg suchen.

Aber jetzt erst einmal genug davon, ich wollte unbedingt den TV ausprobieren, ich war noch nie im Kino, oder hatte irgendwelche neuen Filme geseh'n. Ich war vielleicht zwei, dreimal bei den Mädels gewesen und wir hatten uns zusammen Kultfilme wie Dirty Dancing angesehen, aber für mehr hatte die Zeit nicht gereicht. Immerhin ging es ja nicht darum die ganze Zeit fernzusehen, ich wollte sie ja nicht ausnutzen. Und jetzt saß ich in einem Flugzeug, in der Business Class, um mich herum Männer und Frauen in Kostümen und Anzügen, die an ihren Laptops arbeiteten. Und ein paar Kinder, die von ihren Eltern mit Malbüchern und Spielen überhäuft und dann größtenteils ignoriert wurden.

Plötzlich ertönte die Ansage des Piloten, wegen der ich mich kurz erschreckte, daraufhin begannen die Motoren zu schnurren und das Flugzeug setzte sich erst langsam, dann immer schneller in Bewegung. Schnell schnallte ich mich an, da ich es davor vergessen hatte. Und dann hoben wir auch schon ab.

Es war ein überwältigendes Gefühl zu sehen wie die Welt immer kleiner wurde, wie ein Spielzeug. Wir stiegen wie ein Vogel in die Lüfte, niemand achtete auf das Geschehen, außer mir, die ich erstaunt aus dem Fenster guckte und mit der Nase die Scheibe berührte, die langsam von meinem Atem beschlug. Ich verfolgte die weißen Zuckerwattebäusche am Himmel, die anderen Flugzeuge in der Ferne, die Vögel denen ich jetzt auf den Kopf spucken konnte, aber vor allem die kleine Welt und die Farben die unter mir vorbei flogen.

Nach einer Weile, fing ich dann an die Schaltleiste zu studieren, ich fand den Power Knopf für den Flachbildschirm und die Tasten für das Auswahlmenü. Sofort erschien eine riesige Filmauswahl, ich zappte durch die Seiten, bis ich die "Step Up" Tanzfilme fand. Ich fing mit dem ersten Teil der Reihe an. Außerdem verstellte ich meinen Sitz weiter nach hinten und machte mir es in den Kissen bequem.

Während Amerika unter mir vorbei zog, saß ich in einem bequemen Sessel, hatte Kopfhörer auf und schaute Film um Film. Bis wir die Küste erreichten und plötzlich über dem endlosen Atlantik waren. Zusehen, nur das blaue Meer und der schwarze Schatten der riesigen Maschine. Ich konzentrierte mich wieder auf den Film, mittlerweile war es schon der zweite und entspannte mich bei den Dialogen.

Wieder Stunden später, in Chicago-Ortszeit war es jetzt 10 pm, kam die brünette Stewardess von vorhin wieder, ich setzte die Kopfhörer ab, als sie lächelnd auf mich zu kam. Höflich fragte sie, "Mrs, wünschen sie etwas aus der Karte zu essen oder zu trinken?" Bisher hatte ich die Karte in der Tasche der Wandseite gar nicht bemerkt. Ich holte sie heraus und schlug sie auf, mit großen Augen betrachtete ich die wenigen aber leckeren Gerichte. Doch entschied ich mir für etwas Einfaches, "Ich hätte gerne Lasagne Bolognese und ein Wasser bitte" sagte ich fröhlich, mein Lieblingsessen bekommen zu können. Sie nickte und verschwand "Liebend gerne Mrs." 

ChangesWhere stories live. Discover now