Kapitel 1

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Kapitel 1

>>Ach du scheiße! Mom? Ich wusste gar nicht, dass wir Besuch haben<<, rief ich nach meiner Mutter, als ich den griechischen Gott in unserer Küche stehen sah.

>>Hey Lily, meine Süße! Lass dich sehen. Du bist ja groß geworden << Der Mann streckte seine Arme aus,  lächelte mir entgegen und  wartete darauf, dass ich ihn umarmte.

Verwirrt blickte ich ihm entgegen. Seine Stimme kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, einen solchen Mann zu kennen.

>>Kennen wir uns? <<,  fragte ich ihn und machte einen Schritt zurück. Auch wenn er wirklich sehr zum Dahinschmelzen gut aussah, war er mir durch seine unbegründete Nähe unheimlich.

>>Ist das ein Scherz? << Er umarmte mich und wuschelte mir in den kurzen blonden Haaren.

>>Oder hast du deinen Onkel Ryan etwa nicht erkannt? <<

Und genau in diesem Moment fiel es mir wieder ein. Natürlich, das war die Stimme meines Onkels!

Ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, dass er so gut aussah.

Wahrscheinlich fragst du dich jetzt, ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe. Schließlich vergisst man normalerweise nicht, wie der Onkel aussieht, noch dazu, wenn man nur einen einzigen Onkel hat und dieser so unglaublich hübsch ist.

Ja, normalerweise müsste man unter Alzheimer leiden, um so etwas einfach zu vergessen- oder blind sein.

Und Stopp! Jetzt bitte nicht denken ich wäre blind! Meine Geschichte ist nicht die dramatische Geschichte einer Blinden, nein, blind bin ich nicht.

Jedenfalls nicht blind im Sinne von nichts sehen können.

Meine Schwäche ist eine Form der Seelenblindheit, wie sie so schön romantisch genannt wird.

Für diejenigen, die es genauer wissen wollen: Die Krankheit nennt sich Prosopagnosie.

Sie ist eine der vielen seltenen Krankheiten, die aber auf Google immerhin stolze 37.000 Treffer bringt.

Eben wegen dieser Prosopagnosie -  ich nenne sie kurzerhand Mr. P - kann ich mir unter keinen Umständen Gesichter merken.

Es gab Tage, an denen ich nach der Polizei gerufen habe, da ich meine Mutter nicht erkannte, die in meinem Zimmer nach dem Telefon suchte, und sie für einen Dieb hielt.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt merkte auch meine Mutter, dass mit mir etwas nicht stimmte.

Bisher hatte ich nämlich immer angenommen, es wäre normal zu vergessen, wie jemand aussieht, und ihr nichts von meiner kleinen Schwäche erzählt.

Als meine Krankheit diagnostiziert wurde, war es wie ein Schlag ins Gesicht.

Es ist so, als hätte man ein Leben lang gedacht, unter dem Begriff Hefeextrakt wäre ein ganz natürlicher Stoff zu verstehen, um dann zu erfahren, dass sich dahinter nur ein Geschmacksverstärker versteckte.  

Naja, das war jetzt ein seltsamer Vergleich, aber vielleicht versteht ihr ja, was ich meine.

Damit mich aber andere Menschen nicht für eine Spinnerin hielten- was die meisten sowieso schon taten- blieb meine Krankheit ein kleines Geheimnis zwischen mir und meiner Mutter.

Nun, da ich erkannte, dass ich meinen Onkel vor mir hatte, umarmte ich ihn zurück.

>>Natürlich scherze ich nur<<, log ich und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen. Hatte ich vor ein paar Sekunden tatsächlich meinen Onkel  zum Anbeißen gefunden?

Du solltest dich was schämen Lily, ohrfeigte ich mich selbst innerlich.

In diesem Moment kam auch eine Frau, von der ich schätzte, dass sie meine Mutter war, in die Küche.

>>Ryan ist gestern Nacht gekommen. Du hast schon geschlafen, also haben wir dich nicht geweckt<<, sprach die Frau und ich war mir nun sicher, dass es meine Mutter war.

Stimmen konnte ich mir zum Glück merken, nur Gesichter nicht.

>>Warum hast du mir nichts davon erzählt Mom? Ich hätte aufbleiben und warten können<<, nörgelte ich herum.

Ryan lächelte, doch im Inneren schien er etwas verbergen zu wollen.

>>Weißt du Süße, ich habe mich gestern Nacht ganz spontan dazu entschieden, mein Schwesterchen und natürlich meine bezaubernde Nichte zu besuchen<<, sagte er und kniff mir in die Backe.

>>Wow, die sind ja immer noch elastisch<<

>>Hey! <<, meckerte ich und befreite meine Backe von den bösen, eisernen Fingern meines Onkels.

Ah ja, ich vergaß, mein Onkel liebte es, mich zu ärgern.

Mom warf Ryan einen kritischen Blick zu, den ich nicht übersehen konnte.

Ryan beachtete sie aber nicht weiter und fragte stattdessen: >>Rosalinda, wollen wir nicht endlich was frühstücken?<<

Oh Gott, er hatte sie Rosalinda genannt und das bedeutete Ärger.

>>Muss ich dir denn zum fünfundsechzigtausendbillionsten Mal sagen, dass du mich nicht Rosalinda sondern Rose nennen sollst?<<, schrie sie, während sie nach dem vollen Aschenbecher griff, der seit gestern auf der Küchentheke lag, um ihn nach Ryan zu schleudern.

Klirrend fiel er zu Boden und ich wunderte mich, warum er nicht zerschmetterte.

Die Kippen waren jedoch zerstreut über den ganzen Boden.

>>Ist ja gut, ist ja gut, sorry<<, lachte Ryan und strich mit seiner Hand durch seine blonden Locken.

Hmm, meine Haarfarbe hatte ich wohl von ihm, da sowohl meine Mutter, als auch mein sogenannter Vater brünett waren.

Oder halt, war der Mann, der mich zeugte,  nicht auch blond?

Oh nein, Mr. P hatte wieder zugeschlagen!

Na toll, einen entspannten Montagmorgen konnte ich jetzt vergessen…

*Nachricht vom Autor*

Hallöchen,

dies ist meine erste Story im Bereich Humor/Romance. Ich hoffe es gelingt mir, die Geschichte der Kategorie gerecht zu machen. Anlass für diese Geschichte ist, dass ich meine seit langen Jahren geschriebene Geschichte ( die ich Number 7 nenne) eeeeeeendlich zu Ende geschrieben habe und jetzt eine neue Story (neben Number 3) anfangen möchte.Hoffe, es gefällt. 

Bis bald und Enjoy :D

(und wie immer, gute Nacht)

Fee

Mr. P, unbekannte Gesichter und IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt