Alles eine Lüge

161 13 0
                                    


  Es stellte sich heraus, dass Lucas wirklich nett war. Frey hatte sich noch eine Weile mit ihm unterhalten und hatte erfahren, das der andere schon die Schule beendet hatte und in einem Coffeeshop arbeitete. Lucas hatte einen kleinen Bruder und eine große Schwester. Und sein Dad arbeitete bei der örtlichen Polizei.
Riley redete gerade mit Alex in dessen Zimmer, während Frey und Lucas es sich auf der Couch bequem gemacht hatten. Ein wenig unwohl war dem jüngsten schon, bei dem Gedanken, dass ein falsches Wort in der Gegenwart des anderen Jungen, ihr ganzes Leben zerstören konnte.
,,Frey, kommst du? Wir müssen los!", rief Riley, welcher sich gerade die Jacke anzog. Er schien irgendwie wütend zu sein. Hatte er sich mit Alex gestritten?
Frey entschied sich dafür, ihn später zu fragen.
,,Isst du noch mit uns?", fragte der jüngste unter ihnen und sah dabei zu Lucas.
,,Nur wenn es euch nichts ausmacht."
,,Nein, nein! Schon okay. Dann sehen wir uns später wieder.", verabschiedete sich der schwarzhaarige Junge und stand auf um zu Riley zu gehen. Dieser wartete bereits in der Garderobe auf ihn. Der jüngere musste sich aber noch umziehen, da er wohl schlecht in einer Jogginghose und einem T-Shirt nach draußen gehen konnte.
Rasch zog er sich eine schwarze Skinny Jenas an und einen dunkelblauen Pullover, ehe er wieder zu Riley in die Garderobe lief. Dort zog er sich Schuhe und Jacke an und ging dann mit dem braunhaarigen nach draußen zum Wagen. Mittlerweile besaß dieser sogar ein Nummernschild, auch wenn dieses nur gefälscht war. Sie stiegen ein und der junge Mann fuhr los. Wie immer verlief die Fahrt schweigend. Frey fand nie wirklich ein interessantes Thema und er sah sowieso viel lieber aus dem Fenster.
Der Supermarkt war gut eine Stunde von ihrem Zuhause entfernt und lag auch ziemlich versteckt in den ganzen Seitengassen New Yorks. Im großen und ganzen, war der Supermarkt trotz seiner Größe wirklich schwer zu finden. Leider.
,,Was hältst du von Lucas?", unterbrach Riley schließlich das Schweigen und warf dem Jungen neben ihm einen kurzen Seitenblick zu.
,,Ich mag ihn. Er scheint wirklich nett zu sein. Warum fragst du?", antwortete der schwarzhaarige ein klein wenig misstrauisch und starrte weiterhin aus dem Fenster. Der braunhaarige zuckte nur mit seinen Schultern.
,,Ich hallte es nicht für besonders gut, jemanden bei uns zu haben, der nichts von unserer Vergangenheit weiß. Es könnte gefährlich für uns und auch für dich werden. Da du ja freiwillig mit uns mitgekommen bist, bist du jetzt unser Komplize. Das könnte dir auch ein oder zwei Jahr im Knast einbringen. Auch wenn du gar nichts gemacht hast. Ich will nur nicht, dass uns allen etwas passiert. Wir haben soviel dafür gegeben, wieder von vorne anfangen zu können.", erklärte Riley seine Zweifel. Frey verstand diese natürlich. Er wollte auch nicht ins Gefängnis oder sonst etwas.
,,Ich weiß, aber Lucas wird doch nicht bei uns wohnen. Wir müssen uns einfach nur ein bisschen bemühen, nichts aus Versehen auszuplaudern. Alex hat auch etwas Glück verdient. Und Lucas tut ihm gut. Auch wenn sie wahrscheinlich den ganzen Tag nur herum vögeln. Aber wir können das schon schaffen. Versprochen. Auch wenn wir uns verplaudern, dann können wir ihm doch alles erklären und außerdem hast du mir versprochen nichts illegales mehr zu tun. Und das hast du doch jetzt schon ein halbes Jahr lang gemacht. Also, er wird es sicher verstehen. Also, mach dir keine Sorgen. Wir haben es im letzten halben Jahr geschafft, ein normales Leben zu führen, und das werden wir in Zukunft auch schaffen. Versprochen."
Riley rang sich ein Lächeln ab und fuhr weiter, als die Ampel vor ihnen endlich grün aufleuchtete.

Als sie endlich im Supermarkt ankamen, war dort die Hölle los. Naja, Mittagszeit eben. Da sie aber nicht viel brauchten, was das ganze Chaos zumindest halbwegs erträglich. An der Kasse, wie immer war nur eine der drei geöffnet, verbrachten sie die meiste Zeit. Frey redete unterdessen vor sich hin, während Riley immer wieder auf seine Uhr sah. Natürlich entging das dem schwarzhaarigen Jungen nicht, weshalb er beschloss den braunhaarigen später danach zu fragen.
,,Frey, ich habe die Kartoffeln vergessen. Kannst du sie noch holen gehen?", bat der junge Mann ihn. Der Junge nickte und lief noch einmal zu den Gemüsekisten. Riley benahm sich schon die ganze Zeit seltsam. Er wirkte nervös und gestresst. Als der jüngere mit den Kartoffeln zurück zu Kasse ging, erkannte er, dass sein älterer Freund telefonierte. Ein wenig angesäuert stapfte er zurück zu Riley und legte die Kartoffeln in den Einkaufswagen.
Natürlich hatte der junge Mann sofort aufgelegt, als er Frey kommen sehen hatte und lächelte jetzt dankend.
Mit vor der Brust verschränkten Armen stellte sich der Junge vor ihn und starrte einfach gerade aus. Hier würde er nicht wirklich mit Riley reden können, da sie ja von allen Seiten beobachtet wurden, also musste er wohl warten, bis sie wieder im Auto saßen.
Nachdem sie nach einer Ewigkeit endlich bezahlt und eingepackt hatten, verließen sie den Supermarkt und verstauten die beiden Tüten im Kofferraum. Etwas energisch knallte Frey die Autotüre zu, als er wieder auf dem Beifahrersitz saß und wartete auf Riley.
,,Alles klar bei dir? Du wirkst irgendwie sauer.", wollte Riley wissen während er den Motor startete und sich selbst anschnallte.
,,Ich wirke sauer, weil du dich schon die ganze Zeit seltsam benimmst. Auf der Liste standen keine Kartoffeln! Und außerdem, sind wir fünf Minuten vor den Kartoffeln gestanden! Und mit wem hast du telefoniert?!", rief Frey wütend und ließ sich zurück in den Sitz fallen.
,,Frey, es ist nichts worüber du dir Sorgen machen musst. Wirklich nicht. Ich habe nur mit einem Freund telefoniert. Also, mach dir bitte keine weiteren Sorgen. Ich bin ein wenig nervös, weil ich es einfach nicht gut finde, einen außenstehenden bei uns zu Hause zu haben. Vertrau mir einfach. Du weißt, dass ich nur das Beste für dich will. Also, ich sage es noch einmal. Ich. Will. Nur. Das. Beste. Für. Dich!", beteuerte Riley und massierte sich die Schläfen.
Frey gab sich für den Moment damit zufrieden und versuchte sich seine Wut nicht anmerken zu lassen. Riley verschwieg ihm etwas. Auch wenn der junge Mann glaubte, dass Frey ihm diese Nummer abkaufte, war dem nicht so. Der schwarzhaarige hatte gar nicht bemerkt, das Riley angehalten hatte. Nicht vor einer Ampel oder einem anderen Auto, sondern auf einem Parkplatz.
,,Ich bin gleich wieder da. Tu mir den Gefallen und warte hier. Wirklich.", damit stieg er aus und knallte die Autotüre zu.
,,Einen Scheiß werd ich tun!", knurrte der jüngere und wartete, bis Riley außer Sichtweite war. Dann stieg er aus und stapfte in dieselbe Richtung in die Riley gegangen war. Eine Seitengasse?! Hier war garantiert etwas faul an der ganzen Sache. Stimmen. Riley und noch jemand. Definitiv ein anderer Mann. Damit man ihn nicht sah, kauerte er sich hinter einer Mülltonne hin und lauschte dem Gespräch der beiden Männer. Leider sprachen die beiden so leise, dass er nichts verstehen konnte. Leider. Er konnte ja nicht einmal erkennen, wer dort stand. Es brachte sich doch sowieso nichts, wenn er jetzt weiter hier bleiben würde, weshalb er aufstand und einen Schritt zurück ging.
WUM!
Die kleineren Mülltonnen die hinter ihm standen, fielen eine nach der anderen um. Sofort waren die beiden Männer darauf aufmerksam geworden und kamen auf ihn zu.
Ein Klicken.
Das Geräusch, das er nie wieder vergessen würde, seitdem Alex mit einer Waffe auf ihn gezielt hatte. Hatte Riley ihn die ganze Zeit angelogen? War das Versprechen eine Lüge gewesen? War alles eine einzige Lüge gewesen? Plötzlich überkam ihn einfach nur Traurigkeit und Enttäuschung.
,,Komm Raus!", rief offensichtlich nicht Riley. Die Stimme klang nicht typisch amerikanisch sondern hatte einen leichten spanischen Akzent. Ohne lange zu zögern, trat Frey hinter den Mülltonnen hervor. Beschämt schlang er seine Arme um sich selbst und starrte auf dem Boden. Warum hatte der Mann eine Waffe? Was ging hier vor sich?!
,,Scheiße!", zischte Riley und sagte etwas zu dem Mann, der daraufhin widerwillig die Waffe runter nahm und weg steckte. Riley kam mit hastigen Schritten auf ihn zu und packte ihn während dem Vorbeigehen am Oberarm, um ihn dann mit sich zu zerren. Zurück ins Auto. Etwas gröber als er gewollt, warf Riley den schwarzhaarigen auf den Beifahrersitz und stieg selbst ein.
Kurz sagte niemand etwas.
,,Habe ich dir nicht gesagt, dass du im Auto bleiben sollst!? Ich sage nichts ohne Grund! Warum kannst du das nicht einfach verstehen, Frey?! Ich will doch auch nur das Beste für dich!", rief, besser gesagt schrie der braunhaarige wütend und sah scharf zu dem Jungen neben ihm. Dieser war zusammengezuckt und wollte am liebsten im Boden versinken.
,,Ich rede mit dir!"
,,Du hast es mir versprochen.", murmelte Frey und stieg aus, um hinten wieder einzusteigen. Neben dem jungen Mann wollte er gerade wirklich nicht sitzen.
,,Was soll das Kindergartentheater?", stöhnte Riley genervt und fuhr sich mit einer Hand über sein Gesicht. Der junge schwarzhaarige ignorierte den Mann und sah einfach aus dem Fenster, als ob es etwas wirklich interessantes zu sehen gäbe.
Kopfschüttelnd startete Riley den Motor und fuhr los. Frey konnte einfach nicht glauben, das der braunhaarige einfach so, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, das Versprechen gebrochen hatte. Frey fühlte sich betrogen. Aber vielleicht hatte Riley ja einen bestimmten Grund gehabt, sich mit diesem Mann zu treffen und hatte gar nicht gewusst, dass dieser eine Waffe besaß! JA! So musste es sein! Hoffentlich.

Riley entging auch nicht, dass Frey ganz offensichtlich verletzt war.
Es hatte ihm ja auch nicht gerade viel Spaß gemacht, sich mit Sean zu treffen, aber immerhin hatten sie noch eine Rechnung zu begleichen.
Vor knapp zwei Jahren, hatte Sean ihnen den Arsch gerettet und seitdem standen Alex und er in Seans Schuld, ganz toll, wenn ein Gangster dem ein Stripclub gehörte, noch etwas gut bei einem hatte. Vor allem wenn dieser ein sadistisches Arschloch war. Aber was konnte man denn schon machen? Die halben Straßengangs standen auf der Seite des Gangsters und das waren wirklich viele. Eigentlich hatte es ihn wirklich gewundert, als Alex vor drei Wochen nach Hause gekommen war und ihm erzählt hatte, dass er Sean gesehen hatte.
Tja, und jetzt stand in zwei Tagen ein Treffen in dem Stripclub bevor. Natürlich würde er Frey nicht mitnehmen. Wer wusste denn schon, was Sean mit diesem anstellen würde? Klein, zierlich, wehrlos. Genau Seans Geschmack. Das schlimmste daran war ja, dass Riley und Alex nichts dagegen machen können würden, zumindest nicht, wenn sie nicht ein paar Dutzend Drogendealer oder andere Gangs am Hals haben wollten. Kurzfassung: sie steckten alle samt im Arsch. Die beiden Männer hatten Nummern ausgetauscht auf Seans Befehl.
,,Frey, es tut mir leid. Ich...werde dir zu Hause alles erklären, in Ordnung? Und dann werden wir dir einen Kuchen backen. Man wird immerhin nur einmal sechzehn.", murmelte Riley leise, sodass Frey es kaum hören konnte.
,,Weiß Alex davon?"
,,Ja, ich werde dir zu Hause eben genaueres erzählen. Versprochen."

Zu Hause, brachten die beiden die Tüten in die Küche und begannen diese auszupacken. Von Alex und Lucas fehlte jede Spur.
,,Ich nehme an, sie sind wieder ins Bett gegangen.", grinste der braunhaarige Mann und warf die Papiertüten in den Mülleimer.
,,Also, was sagst du, wenn wir jetzt in unser Zimmer gehen, uns etwas anderes anziehen und ich dir dann alles genau erkläre?", schlug Riley vor und schlang von hinten seine starken Arme um den Oberkörper des sechzehnjährigen.
,,Wenn du mir versprichst, die Wahrheit zu sagen, bin ich dabei. Und dann sollten wir etwas kochen. Die beiden Turteltäubchen, werden sicher hungrig sein.", schmunzelte der jüngere der beiden und nickte. Er löste sich aus dem Griff des jungen Mannes und griff stattdessen nach dessen Hand, um ihn hinter sich her zuziehen.
Frey öffnete die Zimmertüre und trottete zu dem Stuhl am Schreibtisch, wo er sein T-Shirt und die Jogginghose hingelegt hatte.
Die beiden entledigten sich ihrer Kleidung und zogen sich dann etwas bequemeres an, ehe er sich auf das Bett warfen.
Frey schmiegte sich zu Rileys Überraschung mal nicht an diesen sondern kuschelte sich unter die Bettdecke und rollte sich zusammen. Zögernd legte der junge Mann trotzdem einen Arm um den Jungen und rückte enger an diesen heran.
,,Also, wer war das?"  

CriminalWhere stories live. Discover now