„Ich weiß etwas, was du nicht weißt."

Ich runzelte die Stirn, diese Anspielung machte sie ganz selten, nur wenn ich ihr etwas verschwiegen hatte und sie es herausgefunden hatte. Aber ich hatte ihr nichts verschwiegen.

„Und was weißt du?", fragte ich also vorsichtig nach.

„Das fragst du allen ernstes noch? Schaust du keine Zeitung an? Du bist auf der Titelseite in sicherlich ganz Italien! Und zwar mit Ashton Rodríguez! Ich glaube, du hast mir etwas zu sagen, und zwar viel!"

Entsetzt sprang ich auf und rannte aus dem Raum.

„Hey, Delia! Wo willst du-", vernahm ich noch ganz kurz Mays Stimme, doch dann kam ich schlitternd in der Küche zum stehen.

„Mom, wo ist die Zeitung? Hast du sie schon angesehen?", fragte ich panisch, weil ich überprüfen wollte, ob May nicht doch nur verarscht hatte.

„Nein, aber-"

Bevor sie zu Ende sprechen konnte, entdeckte ich das Tagblatt bereits und riss es an mich. Fassungslos betrachtete ich die Titelseite.

Ein Bild von mir und Ashton, als wir uns umarmten, pragte direkt auf der Seite. Ich wusste nicht einmal, wann das Foto geschossen worden war. Meine Augen flogen über die Zeilen darunter, um den Bericht in Lichtgeschwindigkeit aufzusaugen.

Hat der Sohn der Gründer der Rodríguez Company eine neue Flamme oder ist es diesmal etwas Ernstes?

Der Sohn der Multimillionäre Ashton Rodríguez ist auf dem Bild in einer innigen Umarmung mit einem Mädchen zu sehen. Ist sie nur eine seiner Eroberungen oder wird der beliebteste Junggeselle Italiens bald in festen Händen sein? Die Familie äußerte sich leider noch nicht dazu, sobald...

„Verfickte Scheiße!", fluchte ich und schmiss die Zeitung auf den Tisch.

„Schatz, was ist denn los?", wollte meine Mutter besorgt wissen und warf einen Blick auf das Tagblatt, um zu sehen, was mich so aus der Fassung gebracht hatte. Sie stockte.

„Ist das nicht dein Freund, Delia? Und du?"

„Ja, das bin ich. Und noch einmal: er ist nicht mein Freund!"

„Ja, aber was macht ihr-", fing sie an.

„Lies es dir einfach durch!" , fauchte ich gereizt, obwohl sie gar nichts dafür konnte, und rannte in mein Zimmer. May war immer noch dran, doch ich entschuldigte mich und legte auf. Sekunden danach rief ich Lila an.

„Gib mir deinen Bruder!"

„Delia, was-"

„Sofort!", zischte ich, gerade war es mir egal, dass ich jeden unterbrach. Es mochte sein, dass ich überreagierte, doch gemeinsam mit Ashton auf dem Titelbild sämtlicher Zeitungen in Italien zu sein, gehörte nicht zu meinen Lebenszielen.

Und das nur, weil der Idiot nicht aufpassen konnte. Klar, ich hätte auch darauf achten können, ob sich irgendwo Paparazzi befanden, doch im Gegensatz zu Ashton war ich es nicht gewöhnt, von ihnen regelrecht gestalkt zu werden.

„Er ist gerade nicht da.", antwortete mir meine Freundin und riss mich aus meinen Gedanken.

„Wo ist er?"

Lila versuchte sich herauszureden, sie meinte, sie wüsste nicht, wo er war, doch irgendwann seufzte sie und nannte mir zähneknirschend eine Adresse. Ich kritzelte sie auf ein Schmierblatt und legte auf. Jetzt war er dran!

Ich schnappte mir meinen Geldbeutel sowie mein Handy und rief "Bin weg!" in Richtung Küche.

Draußen angekommen rief ich mir ein Taxi und nannte dem Fahrer die Adresse. Kurze Zeit später hielt er vor einer Einfahrt.

Ich gab ihm das verlangte Geld, stieg aus, bat den Fahrer allerdings, zu warten. Mit schnellen Schritten ging ich die gekieste Straße entlang, direkt auf ein großes, düsteres Gebäude zu.

Mein Herz pochte, pumpte Adrenalin durch meinen Körper und ich stand wie unter Strom. Dieser Tatsache hatte ich es wahrscheinlich auch zu verdanken, dass ich nicht zusammenbrach und wegrannte, als ich zwei Personen vor dem Eingang der nicht mehr genutzten, heruntergekommenen Lagerhalle erkannte.

Mein Atem stockte.

„Wieso hast du eine Waffe und wer ist das?" wollte ich mit emotionsloser Stimme wissen. Tränen bahnten sich ihren Weg nach oben, doch ich ließ es nicht zu. Ich würde nicht weinen. Nicht vor ihm. Weinen bedeutete Schwäche und ich war alles, aber nicht schwach.

„Delia, was machst du hier?"

„Ich denke, ich habe genug gesehen.", sagte ich vermeintlich ruhig und nun rannte doch eine Träne über mein Gesicht. Als wäre ein Damm gebrochen wurden es immer mehr, immer mehr Tropfen die heiß und salzig über meine Wange liefen. Ich wusste, eigentlich hatte ich kein Recht dazu, denn wir waren nicht zusammen, doch ich konnte nicht anders.

Ich drehte mich um und begann zu rennen.

„Delia, warte! Ich kann das erklären!", schrie Ashton mir hinterher und ich meinte, Verzweiflung in seiner Stimme zu erkennen. Doch ich hörte nicht auf ihn.

Mit erstickter Stimme befahl ich dem Taxifahrer, zu irgendeinem leeren Platz zu fahren. Vielleicht verstand ich auch alles falsch, doch in diesem Moment wünschte ich mir, Lila hätte mir nie diese verdammte Adresse genannt und ich wäre nie hierher gekommen.

Ja, ich wünschte mir sogar, ich hätte Ashton Rodríguez nie kennengelernt. Doch das meine kleine Welt noch mehr zusammenbrechen würde, das wusste ich noch nicht.

Ashton| ✓ #TeaAward2018Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt