2017: 22. Polarisationsprisma

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Schau ihn dir an, unseren Süßen. Er räkelte sich und spricht im Schlaf. Ach, es könnte so angenehm sein, wenn er nicht bald alles verlieren würde...oops, aber das weiß er ja nicht, richtig? Dann könnte er sich ja darauf einstellen.

Genau! Er könnte sich darauf einstellen. Und auf sie, sie sieht ihn an! Versucht ihn zu lesen, wird aber nicht schlau.

Lass doch das arme Mädchen aus der Sache heraus. Es hat noch nie die Möglichkeit gehabt, frei zu handeln. Immer nur Regeln, niemals ein bisschen Spaß. Es ist eine Qual, dem zuzusehen, aber was soll ich machen. Momentan bin ich machtlos und habe nichts als seine Träume und dich.

Mich hast du immer gehabt. Fast immer. Doch verlassen werden wir uns. Nehmen wir jedes Gelage, als würde es das Letzte sein!

Immer nur ans fressen kannst du denken und dabei wollte ich gerade aus das Elend des Mädchen eingehen. Dann darf er sich bei dir bedanken, dass ich ihm nicht die Informationen geben konnte, die er bräuchte...

Bräuchte? Bräuchte! Er bräuchte nichts! Die Zeit ist nicht aufzuhalten. Nicht durch mich. Nicht durch dich. Nicht durch ihn! Alles würde schlimmer werden. Kollaps, Untergang, Zerstörung! Er muss es wissen, so nah, darf es nicht vergessen. Feuer und Eis, er hat gesehen! Geist, Schatten und Sucher, sie warten. Muss vor Dunkelheit retten. Entgültige Dunkelheit.

Ich denke, das war genug für seine und deine Nacht. Verabschieden wir uns von ihm, und schenken ihm echte Ruhe. Nur diese eine Sache: Achte auf sie, du wirst es bereuen.

Es war noch ganz früh am Morgen. Mein Rücken schmerzte und meine Gelenke waren steif, aber ich fühlte mich ausgeruht und der Tatendrang summte durch meine Glieder. Mit federnden Schritten ging ich durch meine Wohnung und kam an meinem Arbeitszimmer vorbei, da ich es nicht brauchte fungierte es als Aithers Schlafzimmer.

Die Tür war nicht ganz geschlossen und da ich mich fragte, ob sie schon wach sei und etwas frühstücken wolle, schob ich die Tür behutsam auf, sodass ich hineinblicken konnte. Ich erschrack und zum Glück hatte sie mich nicht gehört, denn sie war sich gerade noch am ankleiden, nicht dass sie gänzlich nackt in dem Zimmer saß, aber ihren bloßen Rücken hatte sie noch zu mir gekehrt. Aber das war nicht der Grund für mein Zögern, sondern der, dass ihr Rücken von Oben bis Unten mit hässlichen Narben überzogen war.

Ich starrte sicherlich einen Moment zu lange, doch als sie ein T-Shirt überzog, verschwand ich schnell aus dem Türrahmen. Ich war mir unsicher, ob ich sie darauf ansprechen sollte und verschob es damit auf später. Sie würde es mir sowieso nicht verraten, da es eine zu große Rolle in der Zukunft spielen und verändern würde. ...das arme Mädchen, hallte es in meinem Kopf nach.

Nicht lange später saß ich am Tisch und verzerrte altes Brot von Vorgestern. Die Dielen knarrten und Aither gesellte sich mir gegenüber an den Tisch. Wir sahen uns an, und ich wusste, das sie mich gesehen hatte. Sie fragte sich im Stillen, ob ich sie auf die Ursache ihres entstellten Körpers ansprechen würde, aber an ihrem kalten Gesicht erkannte ich, dass ich keine Antwort zu erwarten hatte, aber versuchen wollte ich es trotzdem...

Bevor ich ein Wort sagen konnte erklang ein merkwüriges Geräusch, das ich in dem Moment nicht zuordnen konnte. Ich schaute mich in dem Raum um, bis sie auf meine Hosentasche zeigte und "Telefon" mit den Lippen formte. Auf dem Display stand Armin geschrieben.

"Guten Tag, wie kann ich behilflich sein?" Zwischen einigen regen Lauten meldete sich Armin auch zu Wort. "Na, Jay. Und, wie war dein Tag? Ist ja noch ganz früh, also ist noch nicht viel passiert. Aber ich habe die Ergebnisse meiner Ausarbeitung über die klassische Dramentheorie erhalten und die Punkte reichen aus, dass ich das nächste Semester beruhigt antreten kann." Ich hörte einen Motor energisch beschleunigen. "Ich dachte mir, jetzt wo Wochenende ist, feier ich das die nächsten drei Tage. Kannst gerne kommen und sag es anderen weiter, alle sind gerne Willkommen." Irgendetwas zerbrach am anderen Ende der Leitung und ich begann mir Sorgen zu machen, doch Armin meldete sich zum Glück wieder. "Muss jetzt Schluss machen, die da hinten drin sind schon jetzt so besoffen wie ich es mir in ein paar Stunden von mir Selbst erhoffe."

ChroniclesWhere stories live. Discover now