Prolog: Wenn Träume wirklich wären

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Ich renne über die Ebene. Umschlossen bin ich von dem spärlichen Wald, den das Gebiet rund um dem Hauptstollen zu bieten hat. Mit Schutz ist somit nicht zu rechnen. Doch ist das auch nicht nötig, denn die ganze Ebene steht leer. An einigen Stellen kann ich noch dampfende Aschehaufen erkennen. So viel zu der reinen Göttlichkeit. Doch lasse ich mich nicht weiter beirren. Ich erreiche die Tür, welche bereits aufgebrochen wurde und betrete die eigentliche Anlage.

Der Salzstollen ist schon seit Jahren nicht mehr genutzt worden, somit hat sich auch niemand dafür interessiert, was hier geschah. Das wird der Menschheit wohl zu ihrem Verhängnis werden. Und die einzige Hoffnung, die sie haben, bin ich. Wenn ich es schaffe, die Pläne zu durchkreuzen, dann hat er verloren. Zumindest wird er hier und jetzt verloren haben, an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit kann es ganz anders aussehen. Aber das bedrückt mich momentan eher weniger, da ich genug Schwierigkeiten mit dem Hier und jetzt habe.

Ich folge dem Gang weiter, immer seinen Spuren nachjagend. Und von diesen gibt es reichlich. Immer wieder sehe ich die Reste eines armen Menschen vor mir, der seinem Hunger zum Opfer wurde. Das einzige Beruhigende, aber auch Bedrückende zugleich, ist, dass sie glücklich starben. Und nun sehe ich ihn vor mir, oder zumindest das, was ihm nacheilt. Die roten Dunstfäden ziehen sich durch die Luft und folgen ihm auf seinem Weg, um sich mit seiner Macht zu vereinen. Sie strömen durch zerschmetterte Tore und durch die brökelnden Gänge. Ich hatte mich darauf eingestellt, dass es immer kälter werden würde, doch stattdessen gerate ich ins Schwitzen, durch die warme und feuchte Luft. Ich bin mir sicher, dass dieses Klima durch ihn bestimmt ist. Ich biege gerade um die nächste Ecke, als ich ihn sehe, sich mit purer Kraft durch eine stählerne Barriere schmelzen. Er sieht mich, doch bin ich für ihn in diesem Moment unwichtig, denn es ist Zeit. Seine Zeit.

In diesem Moment reißt er sich selbst einen seiner Arme aus dem Leib und schleudert ihn in meine Richtung, um durch die von ihm geschaffene Öffnung zu eilen. Währendessen fliegt das fast 2 Meter lange Objekt in meine Richtung und ich muss zur Seite hechten, um nicht zerdrückt zu werden. Er ist komplett aus einem lehmigen Granit gefertigt und liegt sich windend zwischen mir und meinem Ziel. Da zerspringt er im Ellenbogen und die nun getrennten Teil beginnen sich umzuformen. Aus ihnen erheben sich neue Menschen, oder das, was mal welche gewesen sind. Sie stehen vor mir und schauen mich aus ihren kalten und emotionslosen Gesichtern an. Keiner von ihnen macht Anstalten mich zu attackieren, sie bleiben einfach in der Mitte des Ganges stehen. "Und ihr sollt die Zukunft der Menschheit sein? Unfähig zu fühlen, unfähig nachkommen zu zeugen und unfähig in Freiheit zu leben. Wollt ihr das wirklich? Oder ist der endgültige Tod nicht die schönere Aussicht, mit Hoffnung auf Erlösung?" Die beiden sehen sich an und ohne ihre Münder zu bewegen lachen sie: "Du kennst das Gefühl nicht. Das Gefühl, Teil etwas wirklich großem zu sein. Deswegen können wir dich auch nicht durchlassen. Du würdest unsere Zukunft zerstören und der Menschheit mehr Leid bringen, als Opfer für unsere Tat notwendig sind." Sie formen in ihren Händen Klingen aus Malachit und kreuzen dieser übereinander. Ich greife nach dem Gurt an meinem Rücken, als schon einer ihrer Köpfe zerspringt und sich mit dem sandigen Boden vermischt. Zwar beginnt er sich sofort neu zu bilden, aber ich weiß, dass ich nicht mehr allein bin. Hinter mir ertönt die Stimme: "Da hast du dir aber etwas ausgesucht. Naja, wenigstens sind sie durch eine gute Schrotladung angreifbar. Verwundet will ich es mal nicht nennen." Er schießt dem anderen durch den Unterleib und dem Ersten zielt er den Lauf bereits auf die Schulter: "Mit diesen musst du dich nicht beschäftigen. Das sind nur ganz kleine Fische, du musst den großen Weißen erlegen." Ich nehme es wörtlich und steige über die nach mir greifenden Körper hinweg und gelange durch die 6 Meter Hohe Öffnung in die Haupt Zisterne.

Nun steht er direkt vor mir. Der Omniac hat die Ausmaße drei großer Männer und sammelt Energie in seinem Inneren, worauf das Leuchten schließen lässt. Er steht auf einem steinernen Vorsprung inmitten einer gigantischen Spalte, die lange Zeit älter ist als das Bergwerk. Die scharlach farbenen Dämpfe hatten ihren Weg zu ihm unterbrochen und kreisen nun um ihn. Ihre Geschwindigkeit nimmt zu und ich muss mich ducken, um nicht von ihnen in den dunklen Abgrund gepustet zu werden. So schiebe ich mich mehr vorwärts, als dass ich gehe, bis ich ihn auf 10 Meter erreicht habe.

Er sieht mich und zu meiner Verwunderung klingt seine Stimme trotz meiner Ankunft heiter. Er spricht, doch seine Lippen bewegen sich nicht, trotzdem vernehme ich jedes seiner Worte, als würden sie direkt in mir erklingen: "Du hast dich als entschieden, die neue Ära zusammen mit mir einzuläuten?" Ich sah ihn grimmig an und sagte nur: "Warum mussten sie sterben? Gab es keinen anderen Weg? Es kann doch nicht der richtige Weg sein, die Menschen für ihr Glück zu vernichten, oder?" Er sieht in meine Richtung: "Ich vernichte sie ja nicht. Ich erschaffe sie neu... und besser. Jetzt entschuldige mich. Ich muss die Welt zu meiner Vision führen." Er hebt einen seiner Arme und in ihm bildet sich eine Welle aus Energie. Sie nimmt die Form einer Kugel an und noch im selben Moment, zertrümmert er sie vor sich auf dem Boden.

Die aufgewirbelten Trümmer werden in der Luft langsamer und langsamer, bis sie zuletzt endlich stehen bleiben. Um dem Plateau beginnt sich eine Art Blase zu tun und der Boden verändert sich. Mitten in der Höhle beginnt Gras zu sprießen, doch sobald ich auf dieses trete, löst es sich in rauchige Schwaden auf. Unter seinen Füßen beginnt sich ein Kreis in den Boden zu zeichnen. Ein gigantisches Hexagramm entsteht und verschiedene mir unbekannte Symbole zeichnen sich dazwischen. Der Omniac erhebt seine Stimme:

"Duckt euch vor Angst, schreit vor Verzweiflung, ihr elenden Sterblichen. Denn was große Macht Verleiht, nimmt sie auch wieder!"

Die Welt verschwimmt, die Zeit ist stehen geblieben. Alles umliegende versinkt in einem Nebel aus Furcht und Chaos. Es rührt sich nichts, es passiert nichts. Ich höre kein Geräusch, das nicht dieser Kuppel entspringt, in der nur wir beide uns befinden. Ich sehe Visionen und Albträume. Alles ist im Wandel. Nichts bleibt wie es immer war. Der Stollen um uns ist gänzlich verschwuden und ich beobachte die Bewegung des Gesteins im Zeitraffer.

Um dem Omniac beginnen sich Schatten zu erheben. Es sind Figuren, Menschen, aber auch unkenntliche darunter. Sie scheinen durch den Bannkreis auf dem Boden beschworen zu sein, der auch nichts weiter als ein Abbild längst vergangener Zeit zu sein schien. Ich habe recht behalten, als mir mein Gegenüber sagte: "Siehe her, du erbärmlicher Wurm! Ich schloss uns beide in diese Kuppel, in der die Welt der Zeit trotzt. Hier gibt es kein Vergangen, hier gibt es nur das hier und jetzt. Alles, was jemals geschah, vereint sich an diesem Ort und das brauche nutze ich, dies Kraft aus Äonen, um meinen Plan umzusetzen und kein einfach Sterblicher wird mich aufhalten können!"

Das hatte ich auch nicht vor. Denn nun endlich habe ich das Ziel vor meinen Augen. Ich greife in meine Tasche und drücke die kleine, unscheinbare Puppe in meine Faust. Derjenige, der für alles verantwortlich gewesen war, ist und sein wird, dass mein Leben zerstörte. Der mich und meine Nächsten zu töten vermag. Ich zücke die Klinge die auf meinem Rücken hängt und schaue in das spiegelnde Edelmetall, da spüre ich, wie an genau diesem Punkt, nur zu einer anderen Zeit, sich die gleiche Szene abspielt. Ich spüre die Kraft meiner Mitstreiter, die neben mir stehen und doch nicht da sind. Zusammen mit ihnen, ziehe ich das Schwert und beginne meinen Ansturm. Meine Begleiter und ich mögen unterschiedliche Gründe haben, aber uns allen geht es um jemanden, der uns sehr nahe steht. Ich dachte zuerst an eine Person. Ich würde ihr Schicksal verändern und sie retten, noch bevor all das hier geschieht, das habe ich ihr damals versprochen. Doch hatte ich versagt und daran war nur dieser eine Schuld. Bevor ich ihn erreichen kann frage ich mich, wie ich überhaupt in diese Lage gekommen bin. Und erinnere mich daran, dass alles an einem Tag seinen Anfang nahm.

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