What happens (Clives Sicht)

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...Was ist das eigentlich, Sterben?
Und was kommt danach?
Schwärze?
Gar nichts?
Ich fürchte, Hölle.
Ob ich meine Eltern je wiedersehen werde...?
...

Ich öffne schläfrig die Augen. Drei Wachen beugen sich über mich, ich liege wieder in meiner Zelle und der Schmerz ist zurückgekehrt. Und die Erinnerung. Heute werde ich sterben.
Aber noch bevor ich mich aufsetzen kann, reißt jemand mich auf die Beine und schüttelt mich brutal. Der Anführer der Wachmannschaft. Ich kann durch den Schleier vor meinen Augen einen Wachmann Hand in Hand mit Maya stehen sehen, das muss ihr Ehemann sein.
„Bitte seien Sie ein wenig verständnisvoller, er...” sagt Maya, aber der Anführer stößt sie weg. „Klappe, Püppchen.” „Wie hast du meine Frau gerade genannt?” „Das hat Sie nicht zu interessieren, Clay. Tun Sie gefälligst Ihren Job.”
Der Anführer reißt mich auf die Füße, ich falle um, aber Mayas Mann fängt mich auf, bevor ich wieder auf den Boden aufschlagen kann. „Ich kann ihn führen.” Der Mann stützt mich, bis ich einigermaßen wieder auf meinen eigenen Füßen stehen kann. Bitte eine starke Betonung auf einigermaßen.
Dann hilft er mir, die Treppe heraufzusteigen. Auf dem Weg zu meinem eigenen Tod höre ich ihn leise mit Maya flüstern, die direkt hinter ihm läuft. „Bitte Henry, ich kann ihn nicht umbringen. Er tut mir so leid.” Henry Clay schaut sich um, ob jemand zuhört. „Musst du auch nicht.” Sie wirft einen Blick in meine Richtung, offenbar denkt sie, ich hätte nichts gehört. Und ich werde den Teufel tun, ihr das zu sagen. „Muss ich auch nicht? Was meinst du damit, Henry?” „Vertrau mir, ich lasse nicht zu, dass sie deine unschuldigen Hände mit Blut besudeln.” Eine Weile laufen wir stumm weiter. Als wir auf Höhe der Laboratorien sind, stürzt er sich plötzlich auf den Wächter neben mir und schlägt ihn zu Boden.

„Clive! Bring meine Frau in Sicherheit und lauf!” schreit er mir zu, während er uns die Wachen vom Leib hält. Ich packe die erstarrte Maya beim Arm und bringe sie aus der Gefahrenzone, dann übernimmt sie die Führung. "Hier entlang." Sie zerrt mich noch einen Gang weiter. „Du musst hier weg. Schnell. Geh da raus und versuche, über die Vordächer zu klettern.” Schüsse fallen auf dem Gang hinter uns, sie erstarrt erschrocken. Dann scheint sie sich aber zusammenzureißen. "Lauf so schnell du kannst." Sie zeigt auf eine Tür. Ich nicke, aber dann fällt mir ein, in welcher Gefahr sie erst ist. „Gehen Sie weg, bitte. Nehmen Sie ihre Tochter und verlassen Sie Großbritannien, so schnell wie möglich. Sie kennen den Einfluss Ihres Onkels.” Sie nickt stumm, aber wenig hoffnungsvoll, und schubst mich zu der halb offenen Tür, schließt sie wieder hinter mir. Ich sehe mich um.
Ich stehe auf einer Art Balkon, im dritten Stock des privaten Sitzes des Ministers. Unablässig fallender, eiskalter Regen peitscht mir ins Gesicht, ich kann kaum etwas sehen. Nicht einmal den Boden unter meinen Füßen. Und es ist der einzige Ausweg, zu versuchen, das Dach herunterzuklettern, irgendwie auf die Fußgängerzone zu gelangen. Meine einzige Chance, zu leben.
Ich klettere über die feuchte Balustrade und rutsche das erste vom Regen nasse Kleindach hinunter, finde mit meinen Füßen Halt an einer Nische zwischen den Schindeln.
Am Rand angekommen, kann ich in höchstens zwei Meter Tiefe das nächste Plateau wenigstens erahnen.
Ich halte mich an der Regenrinne fest und lasse mich daran hängen, bis ich wieder Boden unter meinen Füßen habe. Noch nicht einmal ein halbes Stockwerk geschafft. Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, und ich rutsche an den nassen Schindeln aus, fälle rückwärts auf ein Vordach, wo ich mich aber gerade noch mit einer Hand festhalten kann. Plötzlich tönen Stimmen über mir. „Los, mach schon! Erschieß ihn!” Bill Hawks. Und der Anführer der Wachmannschaft mit erhobener Pistole. Ich gerate in Panik, ich liege ungeschützt auf einer schräg abfallenden Fläche, drohe jeden Moment herunterzurutschen.
Die erste Kugel trifft nur wenige Zentimeter neben meinem Kopf in den Boden, die Schindel zersplittert, kleine Tonsplitter fliegen mir um die Ohren und bleiben in meinen Händen stecken, aber den Schmerz fühle ich schon gar nicht mehr. Vor der nächsten Kugel kann ich mich nur durch eine gewagte Rolle vom Dach retten, ich falle mindestens zwei Meter, bevor ich mit der Schulter zuerst auf die nächste Fläche treffe. Schmerzen stechen durch meinen gesamten Körper, alle Luft wird aus meiner Lunge gepresst, keuchend setze ich mich auf und versuche ich, wieder normal zu atmen, was unter den gegebenen Umständen mehr als nur eine Herausforderung darstellt.
Noch zwei Stockwerke unter mir. Ein Windstoß peitscht über die Dächer und weht mir Wasser ins Gesicht, ich verliere den Halt. Ich kann mich gerade noch festhalten, lasse mich auf die nächste Platform fallen. Die nächste Kugel trifft neben meinem Fuß in den Ton, löst eine Lawine aus Schindeln aus, der Boden löst sich unter meinen Füßen auf. Und ich beginne zu rutschen und falle seitwärts vom Dach.
Ich kann mich mit einem Arm an der Regenrinne festhalten, Blut und Wasser tropfen aus meiner Wunde in meine Augen, versuche mich hinaufzuziehen, aber die Kugel trifft die Halterung der Regenrinne, und ich werde von der letzten Barriere zwischen mir und dem Abgrund losgerissen. Ich lasse reflexartig los, und falle die restlichen Stockwerke in die gähnende Tiefe unter mir.
Nach nur wenigen Metern trifft mich etwas in die Seite, kleine Äste schlagen in mein Gesicht, Blätter verfangen sich in meinen Haaren. Ein Baum? Wird er meinen hoffnungslosen Sturz abfangen? Jedenfalls nicht weich genug, denn nach wenigen Sekunden befinde ich mich wieder im freien Fall. Bis mich ein Gefühl durchfährt, als würde ich in tausend Teile zerbrechen.

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⏰ Last updated: Feb 19, 2019 ⏰

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Wenn meine Seele einen Abgrund hat, bin ich schon tief gefallen Where stories live. Discover now