Kapitel 14

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// Nehmt den Plottwist nicht ernst, das war nur ein Witz.


Die Krähe konnte es fühlen. Sie fühlte, dass der kleine Junge auf dem Balkon sie verstehen konnte. Sie hatte es gemerkt, als sie dort vorbeigeflogen war. Die Schiebetür zum Wohnungsinneren war einen Spalt breit geöffnet und von innen konnte man den Fernseher laufen hören. Es war ein ruhiger Nachmittag in der kleinen Stadt. Der Verkehr hatte sich beruhigt, nachdem jeder von der Arbeit nachhause gefahren war und sich mit einer Flasche Bier vor den Fernseher geknallt hatte. Nicht so wie die Mutter des kleinen Eren, die immernoch in der Arbeit war. Die verantwortungslose Nanny, die großzügig bezahlt wurde um auf das kleine Kind auf zu passen, hatte sich, nachdem der Stundenzeiger der Uhr die Vier erreicht hatte, aus dem Staub gemacht und den Jungen auf dem Sofa vor dem Fernseher zurückgelassen. Grisha sollte eigentlich schon zuhause sein, aber er hatte eine extra Schicht im Krankenhaus übernommen und seinen Sohn ganz vergessen.

Das stellte sich für das Kind als Glück heraus, weil es nun die Chance hatte unbeaufsichtigt durch die Wohnung zu watscheln und glücklich vor sich hin zu brabbeln. Ungeschickt war er durch die Wohnung getapst und hatte schließlich die offene Balkontür gefunden, von der der Stadtgeruch in die Wohnung wehte.

Es war nicht wirklich kalt, aber die Frühlingsluft war hier nicht für ihre Wärme bekannt. Mit ein bisschen Anstrengung schaffte es der braunhaarige Junge sich durch den Spalt zu quetschen und stand nun unschlüssig auf dem Balkon. Dann ging er neugierig zu dem Geländer und umklammerte es mit seinen kurzen Fingern, um das Gleichgewicht halten zu können. Als der Junge nach unten sah wurden seine Augen groß und aus seinem Mund kam ein Strang unverständlichen, neugierigen Gebrabbels. Ein helles kindliches Lachen entwich seinem Mund, als ein schwarzer großer Vogel vorbeiflog.

„Kraaah!", kreischte der Junge dem Tier entgegen und winkte mit der rechten Hand. Er stolperte ein wenig nach hinten und saß schließlich auf seinem Hintern, die Linke immer noch das Gitter umklammernd.

Kurioserweise flatterte der Vogel ein wenig mit den Flügeln und ließ sich dann, mit Sicherheitsabstand, auf dem Boden neben dem Kind nieder. Eren giggelte und streckte seine Hände nach dem Tier aus, welches ein Stück zurückwich.

Dann legte es den Kopf schräg und betrachtete Eren ganz genau, aus seinen steinartigen schwarzen Augen.

Eren legte auch den Kopf schräg und nahm zwei seiner Finger in den Mund, um mit seinem zahnlosen Kiefer darauf herum zu kauen.

„Du bist anders.", sagte der Vogel schließlich.

Natürlich konnte das kindliche Gehirn Erens nicht ganz verstehen, was der Vogel ihm sagen wollte, aber er merkte, dass mit ihm gesprochen wurde.

„Gaah.", brachte Eren zwischen seinen Fingern hervor und versuchte aus seiner sitzenden Position auf zu stehen. Schließlich musste er seine spuckebeschmierten Finger zu Hilfe nehmen, um sich am Geländer hoch zu ziehen.

„Das muss ich den anderen berichten.", sagte der Vogel und erhob sich in die Luft.

„Kraaaah!", rief Eren ihr noch einmal hinterher, dann war die Krähe außer Hörweite.


Mit der Geschicktheit eines ängstlichen Hasen, welcher in dieser Situation der beste Vergleich war, wand ich mich durch die Massen der kleineren Schüler und suchte den Klassenraum für mein Biologieseminar. Gerade war ich aus Physik herausgestolpert, hatte es aber nicht geschafft mich dem Fluss der Menschen zu entziehen, war mitgerissen worden und stand nun in der Aula, wo ich eigentlich garnicht hingewollt hatte. Genervt hielt ich meine zuckende rechte Hand fest.

Einen Moment später waren die Gänge schon wieder wie ausgestorben, denn wer möchte denn schon in der Stunde Freiheit, die man hat, in der Schule bleiben? Mit schnellen Schritten ging ich den Weg zurück, den ich gekommen war, bog dann in den Biogang ab und stellte dort meinen Rucksack an die Wand neben der Tür, wie es jeder machte.

CrowboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt