Kapitel 11

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Endlich. Es war Mittwoch.

Komischerweise dachte ich gar nicht an das Treffen mit Levi, als ich aufwachte. Meine Gedanken schweiften bei dem alten Lagerhaus. Dort, wo damals ein Kind das Fürchten gelernt hatte. Und dieses Kind war ich gewesen. Inzwischen war ich darüber hinweg, aber trotzdem würde ich nie die Schreie, oder den Geschmack von Rabenblut vergessen können.

Ich lag auf dem Rücken in meinem Bett und starrte an die weiße, nichtssagende Decke. Wie schon so oft. Knietief war ich in meinen Erinnerungen versunken. Kein Gedanke lag jetzt beim Aufstehen, obwohl der Wecker erst vor ein paar Sekunden geklingelt hatte.

Nach ein paar Minuten schaffte ich es, mich aus diesen Erinnerungen heraus zu reißen. Es war kein schöner Tag gewesen.

Ich zwang mich, die Beine unter der weichen Daunendecke hervor zu strecken. Die kalte luft verursachte eine Gänsehaut, die sich von meinen Unterschenkeln auf meinem ganzen Körper ausbreitete und mich erschaudern ließ.

Dann stieß ich die Decke zu Seite und gähnte. Noch immer war ich in gedanken verloren und konnte nur seufzen, als mir alles wieder einfiel. Die Probleme mit Grisha, die neue Schule, Annie...

Entschlossen schüttelte ich den Kopf, ich durfte das nicht so an mich ranlassen.

Dann sagte ich zu mir selbst: "Reiß dich zusammen, Eren.", und stand auf.

Noch ein Gähnen zwang mich meinen Mund weit zu öffnen. Ich streckte mich ausgiebig und tapste dann ins Bad.

Als mir die Nachhilfestunde wieder einfiel, ließ ich einen Moment die Zahnbürste sinken und seufzte tief. Kurz drehte ich meinen Kopf und schaute durch die geöffnete Tür zu meinem Bett herüber, auf dem ich jetzt gerne liegen würde. Die weiche, weiße Decke bis unters Kinn gezogen, warm eingemummelt, bis auf die Füße, die über die Kante hingen.

Aber es sollte nicht sein. Nocheinmal seufzend verließ ich das Bad, und begann so lustlos meinen Tag.

Draußen schneite es aus den hellen Wolken heraus. Trotzdem war es relativ dunkel, da die dicken Wolken die Sonne verdeckten. Dadurch, und durch den kalten Wind, der die nassen Flocken durch die Gegend trieb, war es eiskalt. Es war so ein Wetter, wo der Schnee, bevor er aufkommt, schmilzt, und einem die Hose durchnässt.

In der Schule lief alles okay. Erst hatte ich Geschichte, dann Deutsch. Danach ging es weiter mit Mathematik. Alles in allem eigentlich ein Scheißtag. Ich meine, wer mag schon Deutsch und Mathematik hintereinander. Wenigstens gab es eine Pause zwischen den zwei Fächern, um diese schreckliche Prokrestination vom Vortag wieder gut zu machen. Auf gut Deutsch: Hausaufgaben abschreiben.

Leider hatte ich niemanden zum Abschreiben, aber ich hatte sie so wie so gemacht.

In der letzten Stunde saß ich nur noch zappelnd auf meinem Stuhl. Einerseits, weil meine Tagträumerei mir wieder das Klettern schmackhaft gemacht hatte, dem ich nach dem Umzug nicht mehr nachgegangen war, und andererseits wegen der Nachhilfe mit Levi.

Das Klingeln der Glocke war eine unglaubliche Erleichterung, als auch ein Fluch. Dennoch ging ich, nachdem ich mich von den anderen verabschiedet hatte, schnellen Schrittes zum Parkplatz. Schließlich wollte ich Levi nicht warten lassen, nach allem, was er für mich getan hatte.

Ich schaute von links nach rechts und wieder zurück, konnte Levi aber nirgendswo entdecken. Hatte er mich hier stehen lassen? Ein bisschen fühlte ich mich wie eine Nutte, die am Straßenrand steht, und darauf wartet einen Kunden zu finden, was dadurch bestärkt wurde, dass ich Levi eigentlich gar nicht kannte, und ich bei einem Fremden im Auto sitzen würde.

Schnell schüttelte ich das Gefühl ab und rieb mir fröstelnd die Arme. Obwohl es versprach ein sehr heißes Jahr zu werden, war es immer noch Winter. Und ohne Handschuhe auf einem Parkplatz, mit Schneeregen, für wer weiß wie lange, war kein schönes Erlebnis.

CrowboyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt