Illusion

Kapitel 10

llusion

Liebe. Was ist Liebe?

Ist die Liebe das, was im Leben wichtig ist und gibt es Liebe überhaupt?

Ist Liebe nicht nur eine Illusion, genau wie das Nicht-Alleinsein an sich?

Wir werden allein geboren,

wir sterben allein,

alles dazwischen ist und bleibt eine Illusion.

Jedes Gefühl, jeder Gedanke, jeder Schritt - alles eine Illusion.

Was ist nach unserem 'Leben'?

Ist der Tod nicht vielleicht ein besseres Leben,

ein besseres Dasein als dieses Dahinvegetieren auf dieser verseuchten Erde?

Auf der Erde, die wir verseuchen, Tag für Tag?

Vielleicht ist der Tod erst der Anfang vom wirklichen Anfang und wir leben im Ende.

Vielleicht ist der Tod das Ende des Endes und wir beginnen zu leben.

Vielleicht, ja vielleicht, wird alles viel leicht-

Ihr Handy vibrierte als Tarja an einem neuen Gedicht schrieb. Marek hatte ihr noch einmal geschrieben, obwohl sie nicht auf seine letzte Nachricht geantwortet hat. 

Nein, er hatte ganz und gar nichts falsch gemacht. Sie wusste nur nicht, wie sie auf seine Frage, wie sie Liebe definieren würde, antworten sollte. Normalerweise hätte sie niemandem, den sie erst ein paar Stunden kennt, ihre Definition geschrieben, aber bei Marek war das was anderes. Es hätte auch sonst niemand nach ein paar Stunden nach ihrer Definition gefragt.

Tarja entsperrte ihr Handy und schrieb:

"Hey Marek, tut mir wirklich leid, dass ich dir nicht geantwortet habe. Es ist alles in Ordnung, ich denke nur noch über meine Antwort nach, was Liebe wirklich ist. Das ist nämlich gar nicht so leicht zu beantworten."

Sie wollte nicht, dass er dachte, dass sie kein Interesse habe. Tarja war in Gedanken schon den ganzen Tag bei ihm gewesen und die Konversation, die  sie letzte Nacht geführt hatten, war mehr als schön und bereichernd gewesen. Er war nicht einer der Jungs, die stumpf auf ein Mädchen zugingen und mit einem plumpen Anmachspruch versuchten, sie ins Bett zu bekommen. Nein, Marek spielte in einer ganz anderen Liga. Es wirkte, als beschäftigte er sich mit mehr als nur Oberflächlichkeit. Mit mehr als nur "Wie geht's?", sondern mehr mit "Wie geht es dir?". Marek war da ganz anders und sie wollte ihn gern wiedersehen. Als Antwort schrieb sie ihm also ihr unbeendetes Gedicht "Illusion". Und vielleicht war auch das Nicht-Ende des Gedichts nur eine Illusion. Vielleicht war es ja fertig. Tarja fragte sich, was Marek wohl dazu sagen würde.